Kommentar
17:58 Uhr, 31.08.2021

Afghanistan-Debakel: Das Ende der US-Dominanz?

Was hat das Afghanistan-Debakel mit Börse und Wirtschaft zu tun? Ganz einfach: Es zeigt, wie sich die globalen Kräfteverhältnisse verändert haben.

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Nicht nur die USA nehmen bei diesem Debakel Schaden, aber sie sind die Hauptbetroffenen. Die nach dem 11. September geführten Kriege in Afghanistan und Irak haben geschätzte 2 Billionen Dollar gekostet. Nachdem diese Kriege nicht durch höhere Steuern finanziert wurden wie frühere Kriegen, werden Steuerzahler noch jahrelang für die Zinsen dieser Schulden aufkommen müssen. Beim derzeitigen Zinsniveau sind das jedes Jahrzehnt eine weitere halbe Billion Dollar.

Die USA hätten sich gewünscht, dass der Abzug still und leise vonstatten geht. Da dies nicht geschehen ist, wird die Dimension des Fehlschlags nun besonders deutlich. Manche führen das Desaster auf die Verhandlungen mit den Taliban unter Trump zurück. Hätte man den Taliban nur nicht die Hand gereicht, wäre es anders gewesen…

So einfach ist die Sache nicht. 20 Jahre und viel Geld haben nicht das bewirkt, was sie sollten. Verhandlungen mit den Taliban haben daran wenig geändert. Die Politik scheiterte bereits vor 20 Jahren und nicht erst jetzt.

Im Kern des Scheiterns steht ein immer wiederkehrender Fehler der USA. Sie versuchen Systeme zu etablieren, die keine Tradition und keinen Rückhalt in der Bevölkerung haben. Als wäre das nicht schlimm genug, konzentrieren sich die USA auf das Militär. Anstatt die Strukturen effektiv aufzubauen und etwa in Infrastruktur zu investieren, wird das Militär gestärkt. Der Gedanke dahinter: Ist das Militär stark, kann der Staat überleben.

Kann er nicht, wenn es keine Infrastruktur gibt. Militär allein reicht nicht, zumal das afghanische Militär auch nach 20 Jahren nicht eigenständig handlungsfähig war. Ohne Unterstützung aus der Luft durch das US-Militär und die Unterstützung privater US-Firmen, die Gerät bedienten, war das afghanische Militär hilflos.

All diese Fehlkalkulationen werden nun offengelegt. Es ist das schlimmste, was den USA derzeit passieren kann. Die Biden-Administration versucht international eine Allianz gegen China aufzubauen. Afghanistan legt gerade die größten Schwächen der USA offen. Es geht ihnen um Innenpolitik und bei Verbündeten nicht wirklich um die Verbündeten. Das Eigeninteresse steht an oberster Stelle. Verbündete lässt man im Stich, wenn es innenpolitisch sinnvoll ist.

Die USA ziehen ab und hinterlassen einen Scherbenhaufen. Das ist nicht anders als in Vietnam oder beim Versuch im Arabischen Frühling Diktatoren zu stürzen. Was aus Syrien und Libyen geworden ist, wissen wir. Die USA haben eine lange Historie von Einmischungen, von denen sie sich Vorteile erhoffen. Erst werden Diktatoren unterstützt, dann gestürzt. In beiden Fällen hilft es dem jeweiligen Volk nicht.

Wer sich mit den USA einlässt, bekommt aktuell vor Augen geführt, mit wem man sich einlässt. Der Schaden aus diesem Debakel hat große, globale Bedeutung. Es profitieren diejenigen, die am wenigsten Schaden nehmen. Dazu gehört China.

China verfolgt größtenteils eine Politik der Nichteinmischung, wenn es sich nicht um „Landesteile“ wie Hong Kong oder Taiwan handelt und ist damit erfolgreich. Wie erfolgreich China bisher war, zeigt ein einfacher Vergleich von zwei Weltkarten. Die erste Karte zeigt das Jahr 2000 und für welche Länder die USA bzw. China der größere Handelspartner war.

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Die zweite Karte zeigt das gleiche, allerdings 20 Jahre später. China hat die USA in den meisten Ländern als größerer Handelspartner abgelöst. Damit ist es nicht unbedingt der größte Partner. Die EU gibt es ja auch noch… (in den Karten nicht dargestellt).

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Im Handel löst China die USA fast vollständig ab. Nach dem Afghanistan-Debakel wird es auch politisch schneller vorangehen. Der Schaden, den die USA genommen haben, lässt sich strategisch gar nicht beziffern. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Welt nun schneller chinesisch wird, ist deutlich gestiegen.

Kurzfristig hat das nicht viel mit Börse zu tun. Es geht uns dennoch alle an. Langfristig kann sich das für die Börse durchaus ändern. Je schneller und je mehr China in der Welt über Handelsbeziehungen expandiert, desto mehr Wachstum ziehen chinesische Unternehmen an. US-Unternehmen wie Alphabet und Facebook mögen in Nordamerika und Europa die Oberhand behalten, doch Chinas Unternehmen könnten dafür Asien, Südamerika und Afrika erobern. Das ist viel Wachstum. Wer wie China einen langen Zeithorizont vor Augen hat, sollte chinesische Aktien nicht ignorieren.


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  • wonder
    wonder

    Gute differenzierte Zusammenfassung

    00:37 Uhr, 02.09.2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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