Kommentar
11:30 Uhr, 13.11.2018

Absurd: Konjunkturprogramm in Italien lässt Wirtschaft schrumpfen

Die italienische Regierung will mehr Schulden machen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Genau das aber wird das Wachstum dämpfen.

Zunächst klingt das ziemlich absurd. Wenn die Regierung mehr Geld ausgibt, wirkt das im Normalfall wachstumsfördernd. Es ist alles andere als intuitiv, das Gegenteil zu vermuten. Genau das tut allerdings Olivier Blanchard, ehemaliger Chefökonom des Internationalen Währungsfonds.

Die Argumentation, die er bringt, lässt sich nicht von der Hand weisen. Italiens Situation entspricht nämlich nicht dem Normalfall. Blickt man ein paar Jahre zurück, kommt man nicht umhin, sich an die Eurokrise zu erinnern. Damals stiegen die Zinsen für 10-jährige Anleihen in Italien von 4 % auf über 7 % (Grafik 1).


Der Grund für den Zinsanstieg ist schnell gefunden. Italiens Verschuldung war damals schon hoch. Das war ein Problem. Das andere Problem war die Regierungspolitik. Sie wollte immer höhere Ausgaben, die Verschuldung also weiter in die Höhe treiben.

Investoren ließ das an der Zahlungsfähigkeit Italiens zweifeln. Sie verkauften Anleihen und ließen die Zinsen steigen. Genau das gleiche ist jetzt wieder geschehen. Damals konnte der Teufelskreis nur durchbrochen werden, indem es einen Regierungswechsel gab. Die neue Regierung versprach geringere Defizite. Das Zinsniveau normalisierte sich.

Nun steigen die Zinsen wieder. Der Anstieg liegt inzwischen bei fast 2 %. Durch diesen Anstieg sind die positiven Effekte des angedachten Konjunkturprogramms, finanziert durch ein höheres Defizit, schon wieder wettgemacht.

Das liegt an einer ökonomischen Realität, die Politiker gerne ignorieren. Staatsschulden und Zinsen für Anleihen sind nicht vom Rest der Wirtschaft losgelöst. Im Gegenteil sogar, die Zinsen für Staatsanleihen sind für die Wirtschaft enorm wichtig. Viele Kreditformen sind an die Langfristzinsen von Staatsanleihen gebunden.

Steigen die Zinsen für Staatsanleihen, steigen auch die Kreditzinsen. Hat der Staat seine Schulden nicht im Griff, wird Kredit insgesamt teurer. Kredit ist nun aber das Schmiermittel der Wirtschaft. Zu hohe Zinsen würgen das Wachstum ab.

Tatsächlich steigen die Kosten für Kredite in Italien seit Regierungsbildung. Erschwerend kommt hinzu, dass Banken knapp 400 Mrd. an Staatsanleihen in ihren Bilanzen halten. Ein Großteil dieser Anleihen muss zu Marktpreisen bewertet werden. Der Zinsanstieg hat dafür gesorgt, dass die Kurse der Anleihen gesunken sind. Banken müssen hohe Kursverluste ausweisen. Das senkt das Eigenkapital. Ein weiterer Grund, weshalb Banken die Kreditvergabe zügeln.

Auch der Aktienmarkt hat stark verloren (Grafik 2). Auch Aktien werden in Bankbilanzen gehalten und stark einbrechende Kurse lasten auf der Stimmung und reduzieren das Privatvermögen.

Unterm Strich sollen vom höheren Defizit von 2,4 % ungefähr 0,8 % in die Wirtschaft fließen. Blanchard gesteht einen Multiplikator von 1,5 zu. Das Defizit von 0,8 % sorgt also für Wachstum von 1,2 %. Nun sind die Zinsen allerdings gestiegen. Ein Anstieg von 1 % bei Langfristzinsen senkt das Wachstum um 1 %. Der Anstieg liegt inzwischen bei 1,7 %. Netto sinkt das Wachstum also um 0,5 %.

So kommt es, dass ein Konjunkturprogramm das Wachstum senkt. So absurd es klingt, aber manchmal ist Budgetdisziplin für das Wachstum besser als Mehrausgaben.

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4 Kommentare

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  • Helmut56
    Helmut56

    Es kommt wie es kommen soll bzw. muss. Ich denke, dass Italien den Euro verlassen sollte. Dies hätte auch Griechenland tun sollen. Italien ist nun hoffentlich cleverer und lässt sich von den hochbezahlten Technokraten und Theoretikern in Brüssel nicht eingschüchtern. Verlieren wird nach der Eskalation nicht unbedingt Italien, sondern vor allem die EU, und das ist gut so. Dort sieht man die Realität bis heute nicht. Italien hat die Möglichkeit, der EU die Augen zu öffnen, aufzuzeigen, dass das Modell längst überholt ist. Die südlichen Länder können den Euro nicht "stemmen", Punkt!

    10:59 Uhr, 14.11. 2018
  • vespa
    vespa

    Italien will einen Ausverkauf der Nation wie in Griechenland verhindern.

    Und das kann man verstehen. Griechenland ist am Boden und wird es auch bleiben solange die weiter im Euro-Raum bleiben.

    Italien sollte auf die Haushaltsvorgaben schei**en und den Euroraum verlassen. Mit allem was dazu gehört. Schuldenschnitt usw. Und wenn das dann die Banken ins Wanken bringt, dann soll es eben so sein. Ich bin da ganz entspannt und freue mich auf die nächste Finanzkrise.

    17:15 Uhr, 13.11. 2018
  • netzadler
    netzadler

    das skizziert die vorgeworfene Erpressung, mit der die Populisten das kapital attackieren.

    genau diese unterschiedlichen Mentalitäten hat man bei der Einführung des euro komplett vernachlässigt. Italien will seine Abwertung, dem einfachen bürger ist es scheissegal, dass das Ausland dann zu teuer für ihn ist, da will er gar nicht hin. aber er muss für den euro bluten

    12:23 Uhr, 13.11. 2018
  • trunki
    trunki

    Das nennt man dann die Demokratie der Finanzmärkte.

    Was erlaubt sich Italien eigentlich gegen eine marktkonforme Demokratie und damit westliche Werte zu verstoßen?

    Ein Skandal😜!

    Das Geld muss direkt in die Banken oder als Subvention an die Großindustriellen, dann sinken die Zinsen auch wieder. Viel Wachstum ist aber so auch nicht zu erwarten.

    Siehe die Zeit unter Monti und Renzi.

    Wie man es auch dreht und wendet.

    12:09 Uhr, 13.11. 2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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