Kommentar
10:18 Uhr, 15.02.2017

Abkühlung am Kreditmarkt: Droht der Abschwung?

Es ist nicht alles Gold, was glänzt. So zeigt sich gerade trotz vordergründig guter Daten in der US-Wirtschaft eine kleine Eiszeit.

Die US-Wirtschaft stockt etwas. Das klingt vielleicht merkwürdig, wenn man die niedrige Arbeitslosigkeit vor Augen hat und der Arbeitsmarktboom nicht abzureißen scheint. Vordergründig ist alles in Ordnung. Hinter den Kulissen läuft es jedoch nicht mehr so rund.
Das Problem liegt im Schmiermittel der Wirtschaft: Kredit. Auf dem Kreditmarkt läuft nicht mehr alles ganz so rund. Wie das aussieht, zeigt Grafik 1. Dargestellt ist die Situation für Unternehmen. Die Nachfrage nach neuen Krediten ist niedrig. Seit Ende 2015 wird tendenziell weniger Kredit nachgefragt.

Das muss nicht unbedingt daran liegen, dass Unternehmen keine Kredite mehr wollen. Es kann auch an zwei anderen Faktoren liegen. Seit Mitte 2013 geben immer mehr Banken an, dass sie die Vergabekriterien verschärfen. Es liegt keine Verschärfung vor, die den Unternehmen den Zugang zu Krediten verwehrt, doch es liegen derzeit die schärfsten Standards seit Ende der Finanzkrise vor.

Das ist nicht das einzige, was Banken derzeit tun. Sie erhöhen auch die Spreads auf Kredite. Spreads gibt es immer. Sie sind die Zinsdifferenz zwischen den Refinanzierungskosten der Banken, also den Kosten, die ihnen entstehen, wenn sie sich z.B. bei der Notenbank Geld holen und dem Zins, den sie für Kredite verlangen.

Die Spreads sind heute relativ hoch. Der Anstieg der Spreads gibt zudem generell zu denken. Für gewöhnlich sinken die Spreads im frühen Stadium des Aufschwungs. Sie steigen hingegen gegen Ende des Booms und explodieren dann förmlich im Abschwung. Banken sind risikoavers und vergeben in Krisenzeiten nur gegen sehr hohe Zinsen Kredit.

Es ist schwer zu sagen, was zuerst kommt, ein Nachlassen der Nachfrage und folgend höhere Spreads und Vergabekriterien oder erst eine Verschärfung und in der Folge geringere Kreditnachfrage. Es lässt sich jedenfalls erkennen, dass Kriterien und Nachfrage konträr zueinander laufen.

Das zeigt sich derzeit besonders ausgeprägt auf dem Immobilienmarkt. Für eine Boomphase sind die Kriterien äußerst streng (Grafik 2). Die Nachfrage sinkt entsprechend. Zuletzt ging sie in einen regelrechten Sturzflug über.

Diesen Trend kann man nicht nur auf dem Markt für Unternehmens- und Immobilienkredite sehen. Konsumenten befinden sich in einer ähnlichen Lage. Grafik 3 zeigt, dass Banken bei Autokrediten und Kreditkartenschulden inzwischen wieder sehr genau hinschauen und deutlich restriktiver sind. Gleichzeitig sinkt die Bereitschaft Konsumkredite zu gewähren, die dann in Raten abgezahlt werden.

Die Werte befinden sich fast überall auf einem Niveau, welches an einen Abschwung erinnert. Der einzige Grund, weshalb das noch nicht flächendeckend auffällt, liegt vermutlich in den tiefen Zinsen. Die Vergabekriterien mögen zwar strenger werden, doch bei immer noch sehr niedrigen Zinsen können sich viele Menschen einen Kredit leisten.

Wie lange das noch der Fall ist, sei dahingestellt. Grafik 4 zeigt die Nachfrage nach Konsumkrediten. Sie war Ende 2016 stark rückläufig, nachdem sie jahrelang gestiegen war. Konsumkredite sind volatil, insofern darf man den Umstand auch nicht überinterpretieren.


Insgesamt kühlt sich der Kreditmarkt ab. Das konnte man bisher abtun. So langsam lässt sich jedoch erkennen, dass Kredite nicht mehr einfach so fließen. Das Schmiermittel geht den Unternehmen und Konsumenten aus. Dies geschieht, obwohl die letzten Datenpunkte zum größten Teil nach der Wahl Trumps entstanden sind. Eigentlich sollten Deregulierung usw. schon bekannt gewesen sein. Die bloße Ankündigung von mehr Freiheit des Bankensektors hat bisher nicht dazu geführt, dass sich die Standards gelockert hätten. Sie werden nach wie vor strikter. Ein Turnaround ist bald wünschenswert. Lange läuft der Motor ohne Schmiermittel nicht.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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