Kommentar
15:32 Uhr, 16.12.2024

Abgeltungsteuer abschaffen - wäre das gerecht?

Arbeitseinkommen wird höher besteuert als Kapitaleinkünfte und das sei ungerecht, diese Behauptung gehört schon lange zum deutschen Floskel-Politikbetrieb so wie der Dachdecker, der unmöglich noch länger arbeiten kann.

Die SPD geht nun mit der Forderung in den Wahlkampf, die Abgeltungsteuer abzuschaffen und Kapitalerträge wie Arbeitseinkommen zu behandeln.

Das Argument lautet wie folgt: Arbeitseinkommen werden mit bis zu 42 % plus ggf. Soli (plus Kirchensteuer plus Reichensteuer ab 250 TSD EUR) besteuert, und Kapitalerträge nur mit 25 % (ebenso plus Soli etc.)

Aber das stimmt so nicht!

Dividenden und Kursgewinne auf Aktien

Dividenden stammen aus versteuerten Unternehmensgewinnen und die Abgeltungsteuer ist damit eine echte Doppelbesteuerung.

Die effektive Gewinnbelastung von ausgeschütteten Gewinnen liegt aktuell bei fast 50 % und damit deutlich höher als die maximale Belastung von Arbeitseinkommen (exakter: 30 % Körperschaftsteuer/Gewerbesteuer plus die Abgeltungsteuer incl. Soli von 26,375 %*0,7 = 48,46 %).

Würde man Dividenden künftig mit dem persönlichen Einkommensteuersatz ohne sonstige Anpassungen des Steuerrechts belegen, würde dies bei hohen Einkommen und damit dem Spitzensteuersatz zu einer fast 60% betragenden effektiven Gewinnbelastung führen.

Schauen wir uns an, wie es vor der Abgeltungsteuer war.

Vor dem Abgeltungsteuerregime wurden Kapitaleinkünfte unterschiedlich besteuert, nicht einheitlich wie heute. Aktien und Dividenden unterlagen dem Halbeinkünfteverfahren (bei Aktien gab es zudem eine Spekulationsrist von einem Jahr), Zinsen und Gewinne aus anderen Wertpapieren mussten voll versteuert werden.

Dividenden und Gewinne aus Aktienverkäufen sind theoretisch äquivalent und müssen steuerlich gleich behandelt werden. Aktienkurse sind letztlich aus theoretischer Sicht abgezinste, zukünftig erwartete Dividenden (das hat sogar die damalige Bundesregierung, übrigens unter dem SPD-Finanzminister Eichel, im Gesetzentwurf zur Einführung des Halbeinkünfteverfahrens so beschrieben).

Die Steuerbelastung im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens war sogar spürbar niedriger als heute, denn man musste ja nur die Hälfte der Gewinne mit dem persönlichen Einkommensteuersatz versteuern - da waren also gerechnet auf den gesamten Gewinn maximal 21% plus halber Soli. Will die SPD dahin zurück? Gerne!

Hoffentlich will niemand als Alternative zur komplizierten alten Körperschaftssteueranrechung zurück, aber viel eher lässt sich ja eh folgendes vermuten: Wer heute diese populistischen Falschargumente in den Raum wirft, hat gar keinen richtigen Plan, wie es dann künftig ablaufen soll.

Wie sieht es mit dem Gerechtigkeitsargument bei Zinsen aus?

Zinserträge erscheinen steuerlich in den meisten Einkommensfällen besser gestellt als Arbeitseinkünfte. Ein sehr wichtiger Aspekt wird aber gerne unterschlagen
In Höhe der Inflationsrate liegen nur "Scheinerträge" vor. Wenn ich 3 Prozent Zinsen bekomme, die Inflationsrate beträgt aber auch 3 Prozent, dann verdiene ich real nichts, muss aber 3% versteuern. Eine Lösung für diese offenkundige Ungerechtigkeit (ja, DAS ist ungerecht!) wäre das steuerliche Freistellen von Zinserträgen bis zur Inflationsrate. Natürlich schlägt dies kein Politiker vor.

Wie unfair die Besteuerung von Scheinerträgen ist wird klar, wenn man von einer Inflation von 0% und von 0% Zinsen ausgeht. Dann hat man keine steuerpflichtigen Einkünfte, aber auch keinen Kaufkraftverlust.

Bei 2% Inflation schafft man es dagegen mit 2% Zinsen nicht, die Kaufkraft zu erhalten, da die 2% Zinsertrag in vollem Umfang der Abgeltungsteuer unterliegen.

Sollte die Abgeltungsteuer wirklich in den nächsten Jahren fallen, würde vermutlich der Zustand von früher wieder eintreten - Versteuerung mit dem persönlichen Einkommensteuersatz. Denn was ich hier an Argumenten vortrage, interessiert in der Politik natürlich niemanden.

Derivate

Spekulationsgewinne mit Derivaten waren der klare Sieger der Abgeltungsteuer, denn diese mussten zuvor komplett mit dem persönlichen Einkommensteuersatz versteuert werden. Hier würde es sicherlich keine Gnade geben, zumal von einer linksdominierten Regierung. Denn das ist ja schließlich ganz böse Spekulation.

Erwischt es die Kryptos ?

Einen gierigen Blick auf die sagenhafte Performance der Kryptos werden viele Politiker werfen. In Deutschland sind Gewinne aus Kryptowährungen derzeit noch nach einem Jahre Haltefrist steuerfrei. Ich würde nicht darauf wetten, dass dies so bleibt.

So richtig steuersystematisch nachvollziehbar ist die Sonderbehandlung von Kryptos ebenso wenig wie bei den physischen Edelmetallen, wo Gewinne auch nach einem Jahr steuerfrei sind.

Auch wenn ich selber davon profitiere: Ich könnte verstehen, wenn sich hier die Rechtslage in den kommenden Jahren ändern sollte. Wobei es bei Gold und Silber extrem unpopulär wäre. Massentauglicher wäre die Forderung, Kryptos unabhängig von einer Haltefrist zu besteuern.

Fazit

Die Abschaffung der Abgeltungsteuer würde bei Anlegern zu einem Mehraufwand führen, da dann jeder die Kapitalerträge in der Steuererklärung deklarieren müsste. Die Infrastruktur für die Gewinnermittlung der Banken gibt es allerdings schon, insofern wäre der Aufwand nicht mit dem von früher vergleichbar.

Forderungen nach Versteuerung von allen Kapitaleinkünften mit dem persönlichen Einkommensteuersatz sind aber das übliche Gerede ohne Fundament. Bei Dividenden und Aktiengewinnen geht das so nicht, deswegen wäre die Rückkehr zu einem Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren ein Muss.

Erfreulicherweise müssen Trader sich keine allzu großen Sorgen machen, denn höchstwahrscheinlich wird die nächste Regierung von CDU/CSU angeführt und hier ist nicht mit aktionärsunfreundlichen Maßnahmen zu rechnen.

Ob das auch für die Kryptos gilt, ist indes nicht sicher. Dass der jetzige Zustand der Steuerfreiheit nach einem Jahr auf Dauer erhalten bleibt, glaube ich nicht.

Abschließend möchte ich noch ein Argument der Gegenseite entschärfen, also im Prinzip auch meine Fraktion, allerdings bin ich da kein Ideologe. Es wird häufig vorgetragen, dass das Kapital ja schon aus (mehrfach) versteuertem Einkommen gebildet wurde und schon alleine deswegen die Besteuerung der Erträge unfair sei. Hier wird aber verkannt, dass es ja eben nur die Erträge sind und nicht die Substanz, die besteuert wird. Wenn dieses Argument valide wäre, könnte auch ein Unternehmer zu Recht sagen, er will keine Steuern auf seine Gewinne zahlen, weil er das Unternehmen mit versteuertem Geld aufgebaut hat. Oder ein Vermieter keine Steuern auf seine Mieteinnahmen, weil er das Haus mit versteuertem Geld gekauft hat.

Wo das Argument aber voll zieht: Bei der Vermögensteuer. Die will die SPD übrigens auch wieder einführen.

5 Kommentare

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  • Market Impact
    Market Impact

    Bin kein Linker, aber Vermögenssteuer könnte der maroden Infrastruktur gut tun.

    09:23 Uhr, 17.12.
  • Montana16
    Montana16

    Guten Abend Herr Kühn,

    gerne möchte ich Ihnen ein großes Dankeschön für Ihre Artikel da lassen, die ich sehr gerne lese und die ich darüber hinaus als wertvoll und nützlich ansehe.

    Freue mich auf Ihre nächsten Artikel, sei es zu einzelnen Aktien oder wir hier - einen Kommentar.

    Frohes Fest und liebe Grüße

    Ein Fan :)

    21:43 Uhr, 16.12.
  • medusa
    medusa

    "Hier wird aber verkannt, dass es ja eben nur die Erträge sind und nicht die Substanz, die besteuert wird."

    Diese Argument hinkt aber meiner Ansicht nach. Würde die "Substanz" nicht schon versteuert werden, hätte ich mehr "Substanz" zur Verfügung um damit wieder höhere Erträge zu erzielen, die dann wiederum zu versteuern wären.

    Das erinnert mich an die Diskussion über die Versteuerung der Rente für die die Beiträge von versteuertem Einkommen geleistet wurden.

    17:56 Uhr, 16.12.
    1 Antwort anzeigen
  • Bernie
    Bernie

    Bei Kursgewinnen von Aktien, Gold und Bitcoin liegen ebenfalls bis zur Höhe der Inflationsrate nur "Scheinerträge" vor.

    15:55 Uhr, 16.12.