Fundamentale Nachricht
08:06 Uhr, 15.01.2016

2015 im Rückblick

Das Jahr 2015 geht als dramatisches Jahr voller Turbulenzen in die Finanzmarktgeschichte ein. Spannend war es allemal, nur zufriedenstellende Erträge waren eher selten, meint BMO-Chefvolkswirt Steven Bell.

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  • FTSE 100
    ISIN: GB0001383545Kopiert
    Kursstand: 5.947,00 € (Deutsche Bank Indikation) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

London (GodmodeTrader.de) – Aktien erzielten 2015 die höchsten Erträge und landeten damit auf den Plätzen eins bis 15 unseres Anlageklassen-Rankings. Grund hierfür war teilweise die aktientypische Volatilität, die im Übrigen aber auch dafür sorgte, dass sich nicht wenige Vertreter der Anlageklasse in der schlechtesten unserer Kategorien wiederfanden. Und natürlich hat auch die schwache Wertentwicklung aller anderen Anlageklassen Anteil an diesem Ergebnis, wie Steven Bell, Chefvolkswirt von BMO Global Asset Management.

Wer dieses Jahr vernünftige Anlageergebnisse erzielen wollte, habe vor allem die vielen Stolpersteine umgehen und im richtigen Moment zugreifen müssen. Als besonders problematisch hätten sich Rohstoffe und die Schwellenländer erwiesen, und im Doppelpack seien sie zum Garant für miserable Ergebnisse geworden: in US-Dollar sei der brasilianische BOVESPA vergangenes Jahr um 38 Prozent abgesackt, und der südafrikanische All Share-Index habe 27 Prozent verloren, obwohl Präsident Zuma bei der Ernennung eines neuen Finanzministers eine komplette Kehrtwende hingelegt habe, heißt es.

„Angesichts der überdurchschnittlichen Aktienmarktentwicklung und sehr niedrigen Anleihenrenditen hätten Kreditpapiere das Instrument der Wahl sein sollen. Das Angebot war auch hoch, aber ganz allmählich befürchteten die Anleger Liquiditätsprobleme, und so blieben Kreditpapiere zurück und die Spreads stiegen. Dieser Prozess verlief relativ geordnet, bis der US-Hochzinsmarkt vor einigen Tagen vom Zusammenbruch zweier Publikumsfonds erschüttert wurde. Dies weckte Erinnerungen an die Aussetzung von zwei Subprime-Fonds, die im Jahr 2007 ein ganzes Jahr vor dem Lehman-Debakel zu Schwierigkeiten bei Bear Stearns und BNP Paribas führten. Ohne unserer Prognose für 2016 vorgreifen zu wollen, die wir Anfang des neuen Jahres veröffentlichen: Wir glauben nicht, dass sich die Geschichte wiederholt. Tatsächlich ist der Markt in gewisser Hinsicht durch seine kurze Duration und die hohen Renditen geschützt. Das zeigt auch die Wertentwicklung, denn bis heute hat der Markt in den USA drei Prozent und in Europa 0,3 Prozent eingebüßt“, so Bell.

Ursprüngliche Verursacher dieser Probleme seien die Kurseinbrüche bei Öl und anderen Rohstoffen, die zum Teil angebotsseitigen Entwicklungen geschuldet seien: einer verzögerten Reaktion auf die noch vor wenigen Jahren sehr hohen Preise und, im Falle des Schieferöls, neuen Technologien. Daneben habe auch die gesunkene Nachfrage aus China eine Rolle gespielt, dessen Wirtschaft sich nach einem Boom des rohstoffintensiven Industrie- und Rohstoffsektors stärker in Richtung Dienstleistungen orientiere. Vielfach steige die Rohstoffnachfrage, und die Preise lägen deutlich unter den operativen Kosten. Allerdings sei noch nicht ausgemacht, wo die Preise einen neuen Boden bildeten, heißt es weiter.

Zu den Lichtblicken zählten zum Beispiel die europäischen Randstaaten: besseres Wachstum und die energische Hilfe der Europäischen Zentralbank (EZB) hätten zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen geführt. Der italienische FTSE MIB-Index habe 2015 um respektable 13 Prozent zugelegt, und mit 30-jährigen italienischen Anleihen hätten sich 18 Prozent verdienen lassen. Wie lohnend die Erfüllung der harten an die Rettungsgelder geknüpften Bedingungen gewesen sei, zeige der Vergleich zwischen portugiesischen und griechischen Aktien: erstere rentierten plus zwölf Prozent, letztere minus 29 Prozent. Auch Technologieinvestments seien einträglich gewesen. Die gute Wertentwicklung der sogenannten FANGs (Facebook, Amazon, Netflix und die früher als Google bekannte Aktie) sei gut dokumentiert, aber selbst der europäische Technologiesektor habe sich wacker geschlagen. Der deutsche und der britische Technologieindex seien um 29 Prozent bzw. 13 Prozent gestiegen, so die Ausführungen des Finanzexperten weiter.

„Wie immer übten die Zentralbanken starken Einfluss auf die Finanzmärkte aus. Anfang des Jahres versprach die EZB unter Präsident Mario Draghi viel und legte dann mit ihrer Version der quantitativen Lockerung noch eine Schippe drauf. Zum Jahresende senkte sie ihren ohnehin schon negativen Einlagenzins weiter und weitete die quantitative Lockerung aus. Das könnte hochfliegende Markterwartungen enttäuscht haben, aber ein Drittel aller Euroraum-Staatsanleihen rentieren jetzt im Minus. Die Märkte widmen sich derweil der Frage, ob fünf restriktiver argumentierende EZB-Mitglieder − zwei Deutsche sowie die Zentralbankchefs der Niederlande, Estland und Litauens − ein wirksames Gegengewicht zum „Extremlockerer“ Draghi bilden. Falls ja, werden weitere EZB-Lockerungen schwieriger. Aber vielleicht sind sie auch gar nicht nötig, denn die Kreditvergabebedingungen haben sich verbessert, und sowohl das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als auch die Industrieproduktion wachsen im gesamten Euroraum und ganz besonders stark in Italien und Spanien“, meint Bell.

Auch die Geldpolitik in den USA habe 2015 lange für Gesprächsstoff gesorgt. Wann, so die Frage, würde der Offenmarktausschuss (FOMC) endlich die Zinsen anheben? Letztendlich sei es erst anlässlich des letzten Treffens des Jahres so weit gewesen. Noch nie sei ein Zinsanstieg um 0,25 Prozent so sehnsüchtig erwartet worden. Das Rätselraten gehe derweil munter weiter, denn jetzt fragten sich die Fed-Beobachter, wie schnell und bis auf welches Niveau die Zinsen weiter angehoben würden. Die Befürworter einer restriktiveren Linie stellten die niedrige Arbeitslosigkeit und erste Anzeichen von Inflationsdruck bei Mieten, Löhnen, Gesundheitskosten und Basiseffekten heraus. Die Krise, die den FOMC zu Zinssenkungen auf nahe Null gezwungen habe, sei ihrer Einschätzung nach vorüber, und nun werde es Zeit, die Zinsen wieder auf normalere Niveaus anzuheben. Umgekehrt argumentierten die Befürworter einer expansiven Politik, dass der Inflationsdruck eher herbeigeredet als real sei und die Dollarstärke und die steigenden Spreads bereits für eine Verschärfung der Bedingungen gesorgt hätten. Sie verwiesen auf die lange Liste jener, die wie etwa die EZB und die Zentralbanken von Australien, Kanada und Schweden in den letzten Jahren die Zinsen angehoben hätten und dann zurückrudern mussten, heißt es weiter.

„Auch die Politik beeinflusste die Märkte erheblich. Dass Argentinien und Venezuela ganz oben auf unserer Liste der besten Aktienmärkte stehen, verdanken sie ihren neuen Regierungen. Aber im Vergleich mit politischen Prognosen sind Konjunkturprognosen beinahe ein Kinderspiel, und wir bezweifeln, ob irgendjemand die Zickzackkurse des griechischen Premierministers oder gerade kürzlich Jacob Zumas vorhersagen konnte. So mancher hat im Übrigen auch schon wieder vergessen, dass Griechenland im ersten Halbjahr 2015 die längste Zeit das Topthema an den globalen Märkten war und mit mehr als einem Fuß außerhalb des Euroraums stand. Am wichtigsten ist vielleicht die Erkenntnis, dass Europa die Feuertaufe bestanden hat. Die politische Unsicherheit bleibt uns auch 2016 erhalten – womöglich sogar in verschärfter Form. Denn Großbritannien stimmt vermutlich über den EU-Austritt ab, und in Deutschland, Japan sowie natürlich den USA stehen nationale Wahlen an. Wie es hier weitergeht, prognostizieren wir übrigens lieber anhand der Wettquoten als anhand der Umfragewerte, denn erstere kommen der Realität meist näher. Damit bestünde eine 40-Prozent-Wahrscheinlichkeit, dass die Briten die EU verlassen, und Donald Trump hat eine 12,5-Prozent-Chance, der nächste US-Präsident zu werden“, so Bell abschließend.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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