Wissensartikel
13:47 Uhr, 13.07.2022

Was ist der Buchwert einer Aktie heutzutage noch wert: Bewertungskennzahl im Check

Mir fällt aktuell auf, dass in immer mehr Magazinen und Tageszeitungen wieder Statistiken die Runde machen, die den Buchwert in den Vordergrund stellen.

Der Buchwert einer Aktie ist letztlich alles das, was an Vermögenswerten vorhanden ist, abzüglich der Schulden eines Unternehmens. Früher war die Buchwert-Methode durchaus ein beliebtes Werkzeug, um den fairen Wert eines Unternehmens zu berechnen. Heute ist die Methode allerdings nicht mehr viel wert. In diesem Artikel verrate ich, warum.

Warum ist der Buchwert nicht mehr sinnvoll?

Eine Social-Chain-Aktie handelt aktuell nur zum halben Buchwert. Die Aktie der Deutschen Bank gibt es nahezu zu einem Viertel des Buchwertes. Wow, das sind Schnäppchen könnte man sich denken, denn das Vermögen übersteigt den Börsenwert ja bei weitem. Trotzdem war mit Aktien, die einen hohen Buchwert ausweisen, selten etwas zu verdienen in den letzten Jahren.

Das hat verschiedene Gründe. Für die Bewertung eines Unternehmens ist selten der Buchwert, sondern der Cashflow maßgeblich. Der Buchwert ist eine rein theoretische Größe, die eventuell zu erzielen ist, wenn ich das Unternehmen heute auflöse. Wer macht das schon? Wer setzt alle Mitarbeiter vor die Tür und sagt: Heute lösen wir uns auf, um den Aktionären etwas auszubezahlen! Die Deutsche Bank sicher nicht.

Unternehmen wie Social Chain haben durch Übernahmen hohe Firmenwerte (Goodwill) in der Bilanz. Letztlich bezieht sich der Buchwert hier rein auf theoretische Firmenwerte, die sich am Markt womöglich nie werden erzielen lassen. Haben sie von den Finanzierungsrunden bei einigen Fintechs zuletzt gelesen? Da werden mal eben Finanzierungen 80 % oder mehr unterhalb des letzten Wertes durchgeführt. So ähnlich kann man sich auch den Goodwill vorstellen. In guten Zeiten ist dieser meist gut vertretbar und steigt auch weiter an. Sinken die Bewertungen und die Gewinne, sinken auch die Firmenwerte.

Oftmals knallt es dann irgendwann und eine große Sonderabschreibung ist notwendig. Ein Unternehmen, welches eben noch zum halben Buchwert notiert hat, wird plötzlich wieder über Buchwert gehandelt. Diese Abschreibungen sind rein buchhalterisch und nicht Cash-wirksam. Es fließt also kein Geld aus dem Unternehmen.

Auch solide Unternehmen wie Porsche oder Salzgitter notieren deutlich unterhalb des Wertes, der in den Bilanzen steht. Hier sind hohe Unsicherheiten in Bezug auf die Zukunft des Unternehmens eingepreist. Keiner weiß, wie sich die Stahl- und Energiepreise die kommenden Monate entwickeln werden. Diese Unsicherheit drückt sich u. a. darin aus, dass die Unternehmen unterhalb des Buchwertes handeln. Unsicherheit ist also ein wesentlicher Faktor!

Ein weiterer Punkt: Die Bilanzierung der Unternehmen ist in den letzten Jahrzehnten immer offensiver geworden. Wenige Unternehmen bilanzieren noch nach HGB und strengem Niederstwertprinzip. Firmenwerte werden heutzutage regelmäßig angepasst und bei Übernahmen wird großzügig auf die Aktivseite der Bilanz gebucht. Das sorgt zwar für eine bessere Eigenkapitalquote, aber nicht unbedingt für eine wirklich solidere Bilanz.

Auch sind viele Firmen heutzutage nicht mehr in der Produktion tätig. In den 70er und 80er Jahren hatten Firmen beispielsweise meist große Fabriken mit vielen Maschinen usw. Diese wurden entsprechend in der Bilanz abgebildet. Es waren „echte“ Werte vorhanden, denn ohne die Maschinen könnte das Unternehmen auch nichts verdienen oder produzieren.

In Zeiten von IT und ausgelagerter Produktion sind solche Werte einfach auch vielfach nicht mehr vorhanden. Es werden Büros angemietet und den Mitarbeitern Laptops und eine Kaffeemaschine hingestellt. Fertig ist das Business. So kann man in älteren Börsenbüchern durchaus noch vom Buchwert als nützliche Kennzahl lesen, doch heute ist deren Wert ziemlich verblasst.

Fazit: Ich schenke dem Buchwert heutzutage keinerlei Beachtung mehr. Ich schaue auf operative Gewinne, Cashflows, eine niedrige Verschuldung und solide Bilanzen. Ob das Unternehmen aber nun mit halben oder zum doppelten Buchwert an der Börse gehandelt wird, ist mir ziemlich egal.

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1 Kommentar

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  • CharlieMunger
    CharlieMunger

    wie sieht es mit return on investment (ROI) oder mit berechnungen wie dem multiple earnings oder free cash flow model aus?

    14:00 Uhr, 13.07.2022

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Über den Experten

Sascha Gebhard
Sascha Gebhard
Redakteur

Sascha Gebhard hat nach einer klassischen Ausbildung zum Bankkaufmann im Laufe der Jahre bei verschiedenen Banken gearbeitet. Er absolvierte neben dem Beruf die Studiengänge zum Diplom-Betriebswirt (VWA) sowie den Finanz- und Investment Ökonom (VWA). Von 2008 bis 2016 war er als Eigenhändler auf eigene Rechnung an den Finanzmärkten aktiv. Weiterhin publizierte er für verschiedene Finanzverlage und schrieb zahlreiche Fachartikel rund um das Thema Börse. Die in den jeweiligen Diensten geführten Realgeld- sowie Musterdepots konnte stets überdurchschnittliche Renditen erwirtschaften. Sein Steckenpferd ist seit jeher der deutsche Aktienmarkt, wo er bestens vernetzt ist, und eine Vielzahl an Unternehmen bereits seit mehr als 15 Jahren aktiv verfolgt. Seit 2022 ist Sascha Gebhard fester Bestandteil des Redaktionsteams von stock3. Im Premium-Service Trademate betreut er das Depot "Deutsche Aktien".

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