Overnight Effect: An der Börse schlafend Geld verdienen?
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Erwähnte Instrumente
Wer zum ersten Mal vom Overnight Effect an den Börsen hört, ist in der Regel sehr überrascht. Der Overnight Effect besagt, dass Aktienkurse typischerweise dann zulegen, wenn die Börsen geschlossen haben, während sie tagsüber, während die Börsen geöffnet sind, häufig sogar eine negative Performance verzeichnen.
Der Overnight Effect wurde in der wissenschaftlichen Literatur etliche Male untersucht und bestätigt. Es scheint sich um ein Phänomen zu handeln, das an praktisch allen Börsen und zu mehr oder weniger allen Zeiten aufgetreten ist.
Auch für den DAX lässt sich der Overnight Effect bestätigen. Für diesen Artikel wurde die DAX-Performance seit Anfang 1994 ausgewertet. Das Ergebnis (vor Kosten) zeigt die folgende Grafik:
- Die blaue Kurve zeigt die Performance, die ein Anleger verzeichnet hätte, der einfach immer im DAX investiert war (z.B. per ETF). Aus 100 Euro, die Anfang 1994 investiert wurden, wären bis heute (März 2023) rund 688 Euro geworden.
- Die Linie in orange zeigt die Performance eines Anlegers, der immer nur tagsüber im DAX investiert war. Dieser Anleger hätte den DAX zum Xetra-Eröffnungskurs jeden Tag gegen 9.00 Uhr gekauft und am selben Tag zum Kurs der Schlussauktion nach 17.30 Uhr wieder verkauft. Aus 100 Euro wären im Laufe der Jahre rund 42 Euro geworden. Wer immer nur tagsüber investiert war, hat also unter dem Strich Geld verloren.
- Die Linie in schwarz zeigt die Performance eines Anlegers, der immer nur über Nacht im DAX investiert war. Dieser Anleger ist also zum Xetra-Schlusskurs jeden Abend in den DAX eingestiegen und hat zum Eröffnungskurs am Folgetag wieder verkauft. Aus 100 Euro Anfang 1994 wären bis heute mehr als 1600 Euro geworden (vor Kosten!). Die absolute Performance im Zeitraum seit 1994 war also doppelt so gut wie bei einem Anleger, der einfach kontinuierlich im DAX investiert war.
Auf Basis der obigen Grafik sieht die Sache klar aus: Es lohnt sich, immer nur über Nacht im DAX investiert zu sein. Abends wird gekauft und morgens wieder verkauft, und die Rendite wird dadurch im Vergleich zu einem kontinuierlichen DAX-Investment deutlich gesteigert.
Die Sache hat aber natürlich einen gewaltigen Haken: Um den Overnight Effect auszunutzen, muss jeden Tag gleich zweimal gehandelt werden. Abend muss gekauft und morgens wieder verkauft werden. Das entspricht pro Jahr mit ca. 260 Handelstagen ungefähr 520 Transaktionen. Und diese Transaktionen verursachen im Vergleich zum durchschnittlichen Tagesgewinn enorme Kosten, die bei einem dauerhaften DAX-Investment nicht anfallen.
Der durchschnittliche Tagesgewinn nach der Overnight-Strategie auf Basis der offiziellen Xetra-Kurse für den DAX entspricht nur rund 0,04 % pro Tag! Das ist so wenig, dass es in der Regel durch Gebühren und Slippage wieder aufgefressen werden dürfte, egal mit welchen Produkten die Strategie konkret umgesetzt wird. Will man die Strategie etwa mit DAX-ETFs umsetzen, wird man feststellen, dass der Spread typischerweise in genau dieser Größenordnung liegt.
Bei Futures liegt die Kostenbelastung in der Regel deutlich niedriger, allerdings treten auch hier Probleme auf, die eine profitable Umsetzung der Strategie sehr fraglich erscheinen lassen. Future-Kurse entwickeln sich nicht immer eins zu eins zum Kassamarkt, auf dem die obige Analyse basiert. Aber selbst wenn die Strategie nach Kosten marginal profitabel sein sollte, wird im Vergleich zu dem kleinen Tagesgewinn von 0,04 % vor Kosten ein sehr großes Risiko eingegangen. Denn an einzelnen, außergewöhnlichen Tagen kann der DAX Schwankungen zeigen, die bei einem hohen Vielfachen des durchschnittlichen Tagesgewinns liegen. An einzelnen, besonders schlechten Tagen kann die Strategie also Verluste einfahren, die den Gewinnen einer sehr langen Zeit entsprechen.
Fazit: Die Existenz des Overnight Effects wurde in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigt. Aktienkurse neigen dazu, tagsüber zu sinken und über Nacht, wenn die Börsen geschlossen haben, zu steigen. Auch eine Auswertung der DAX-Entwicklung seit 1994 für diesen Artikel bestätigt diese Erkenntnis (siehe Grafik oben). Der Effekt ist allerdings so gering, dass er sich unter Berücksichtigung von Kosten, Slippage und dem eingegangenen Risiko in der Regel kaum profitabel ausnutzen lässt. Denn um die Strategie umzusetzen, muss täglich zweimal gehandelt werden, was ungefähr 520 Transaktionen pro Jahr entspricht. Den beiden täglichen Transaktionen steht ein durchschnittlicher Tagesgewinn von gerade einmal 0,04 % vor Kosten gegenüber. Eine profitable Umsetzung der Strategie durch private Trader dürfte in der Regel ausscheiden.
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