Wissensartikel
14:32 Uhr, 08.10.2013

Mein persönlicher Weg zur Chartanalyse

Thomas May, Charttechnischer Analyst bei Godmode-Trader.de, spricht über seinen persönlichen Weg zur Chartanalyse, warum eine genaue Beobachtung des Chartverlaufs Anlegern einen Vorsprung verschafft und ob Chartanalyse angesichts extrem volatiler Märkte aussagefähig bleibt.

Herr May, was war für Sie der Auslöser, sich für Börse und Chartanalyse zu begeistern?

Meine Großeltern hatten mir Ende der Neunziger Jahre Aktien vererbt und ich war neugierig, welche Werte ich in der Hand hielt. Bei meiner örtlichen Bank holte ich mir Informationen, begann Börsenmagazine und Fachbücher zu lesen. Einige Zeit später fing ich dann an selber zu investieren, zunächst nach rein fundamentalen Kriterien. Trotz meiner soliden Unternehmen im Depot musste ich dann ab dem Jahr 2000 im Zuge des Zusammenbruchs der New Economy massive Verluste hinnehmen. So konnte es nicht weitergehen: Ich wollte etwas Neues ausprobieren und entdeckte durch Zufall die Chartanalyse. Anfänglich eine schwere Prüfung, hatte ich doch lange bei meinen fundamentalen Analysen Kennzahlen von Unternehmen und ihr wirtschaftliches Umfeld unter die Lupe genommen. Stattdessen war jetzt der Kursverlauf interessant, also die Summe der Anlageentscheidungen der Marktteilnehmer. Doch der Schritt von der fundamentalen hin zur technischen Analyse war richtig – das spiegelt sich auch in der Wertentwicklung meines Depots.

Wozu dient Chartanalyse?

Chartanalyse befasst sich seit vielen Jahrzehnten u.a. mit folgenden Fragen: Wie entsteht ein Trend? Welche Kursbewegungen gehen einer Kaufwelle voraus? Wie kann man diese Bewegungen eingrenzen, klassifizieren und rasch erkennen, um in einem neuen Trend frühzeitig investiert zu sein? Chartanalyse schärft den Blick für bestimmte Situationen im Kursverlauf, an denen Bewegungen, Trends oder Korrekturen entstehen. Ganz wichtig dabei: Sie ist die einzige Form der Marktanalyse, die den Anleger beim Timing der Ein- und Ausstiege unterstützen kann. Und dies in allen Zeitebenen, also sowohl im ultrakurzfristigen Bereich als auch beim langfristigen Investment. Letztlich hilft sie, den Kursverlauf so einzugrenzen, dass Anlageentscheidungen unter einem kalkulierbaren Risiko und mit einer hohen Trefferwahrscheinlichkeit, unter Benennung konkreter Zielbereiche und Verkaufslevel getroffen werden können.

Was sollte der Einsteiger unbedingt beachten, um an der Börse nachhaltig erfolgreich zu sein?

Börseneinsteiger sollten ihre Risiken konstant niedrig halten und deshalb dringend ein solides Moneymanagement beachten. Wer von Anfang an ein zu hohes Risiko eingeht und dann dabei zusehen kann, wie sich das Depot womöglich in kurzer Zeit in Luft auflöst, hat nicht die Chance, durch Übung dazuzulernen. Deshalb gilt die Grundregel, dass man pro Trade nicht mehr als 1 % seines Kapitals riskieren sollte.

Desweiteren ist zu beachten: Auch wenn der Börseneinsteiger im Gesamtportfolio ein ausgewogenes Risiko eingeht, kann es immer noch sein, dass bei den Einzelpositionen ein zu hohes Risiko eingegangen wird. Zum Beispiel indem ein Hebel gewählt wird, der nicht im Verhältnis zum Erfahrungsstand steht. Eine einfache Faustregel, die ich im Rahmen unseres Einsteiger-Webinars bei GodmodeTrader erarbeitet habe, lautet: Für jede Stunde, die Sie sich pro Woche mit der Börse ungestört auseinandersetzen können, können Sie Ihren Hebel um den Faktor 1 erhöhen. In die Praxis umgesetzt heisst das: Wer weniger als eine Stunde am Tag aktiv an der Börse ist, sollte den Hebel nicht größer als 5 wählen. Hebel jenseits von 20 sollte man ohnehin erst dann einsetzen, wenn man sich mindestens einen halben Handelstag um die eigenen Positionen kümmern kann.

Wie kommt Chartanalyse mit der in der vergangenen Zeit extrem hohen Volatilität an den Börsen zurecht?

Die Schwankungsbreite der Märkte hat in den letzten 10-15 Jahren tatsächlich enorm zugenommen. Absolut betrachtet. Relativ gesehen hat sich jedoch weniger verändert: natürlich haben wir aktuell z.B. im DAX Handelstage mit einem Abstand von mehr als 200 Punkten zwischen Hoch und Tief – Bewegungen, wie wir sie in den Neunziger Jahren teilweise nicht einmal in einem Monat gesehen haben. Aber prozentual gesehen hat sich wenig geändert. Damals schwankte der DAX, um bei diesem Beispiel zu bleiben, auch regelmäßig weit über 1 % pro Tag.

Die Fragen stellte Helge Rehbein.

(geschrieben von Helge Rehbein)

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