Wissensartikel
10:17 Uhr, 17.04.2023

Gute Zeiten für Daytrader

Nach den Meme-Aktien boomt in den USA jetzt der Handel mit sogenannten 0DTE-Optionen. Das hat auch Konsequenzen für Anleger und Trader, die nicht mit diesen exotischen Produkten handeln. Denn die Bewegungen im S&P 500 werden dadurch immer verrückter und kurzfristiger.

Das kryptische Kürzel 0DTE steht für "Zero Days Till Expiry", also "Null Tage bis zum Verfall". Es handelt sich dabei um Optionen, die noch am selben Tag verfallen. Zusammen mit sogenannten 1DTE, also Optionen, die am nächsten Tag verfallen, dominieren die kurzlaufenden Optionen inzwischen den Optionsmarkt in den USA, obwohl die Produkte erst im vergangenen Jahr auf breiter Basis überhaupt eingeführt wurden. Täglich werden in den USA inzwischen 0DTE-Optionen mit einem Nominalwert von 1.000 Mrd. USD gehandelt, so eine Analyse von JPMorgan. 0DTE-Optionen auf den S&P 500 sind in den USA innerhalb kurzer Zeit auch zum Lieblingsprodukt vieler privater Trader geworden. Der Handel mit riskanten Optionen ist in den USA bei Privatanlegern ohnehin viel ausgeprägter als in Deutschland, auch durch Smartphone-Broker wie Robinhood.

Die Beliebtheit der 0DTE-Optionen hat einen sehr einfachen Grund: Sie haben in der Regel einen extrem hohen effektiven Hebel. Obwohl die meisten der 0DTE-Optionen wertlos verfallen und Käufer der Produkte unter dem Strich kein Geld verdienen, sondern in der Regel auf Dauer Geld verlieren, sind im Einzelfall sehr hohe Gewinne möglich.

0DTE-Optionen werden in der Finanzpresse auch mit Lotterielosen verglichen: Die Gewinnwahrscheinlichkeit ist niedrig und der Erwartungswert der Produkte eigentlich negativ, aber im Einzelfall sind extrem hohe Gewinne mit einem nur geringen Einsatz möglich. Genau das macht die Produkte bei spekulationssüchtigen Smartphone-Tradern in den USA aktuell so beliebt.

Ein weiterer Grund für die Popularität der neuen Produkte ist, dass die 0DTE-Optionen es leicht machen, einen sogenannte Gamma-Squeeze auszulösen. Dabei müssen sich die Stillhalter der Produkte teilweise mit immer höheren Summen gegen Kursveränderungen im Basiswert absichern, wenn der sich der Kurs in die für die Produkte vorteilhafte Richtung bewegt. So kann es im Einzelfall dazu kommen, dass sich der Stillhalter einer Option, die ursprünglich nur 20 Dollar gekostet hat, mit rund 5.000 Dollar im Future gegen Kursveränderungen absichern muss, wie der Optionen-Experte Vineer Bhansali in einem Beitrag für Forbes vorgerechnet hat.

Der massenhafte Handel mit 0DTE-Optionen hat inzwischen starke Auswirkungen auf den Handel am US-Aktienmarkt. Insider sagen, dass viele starke Intraday-Bewegungen der vergangenen Monate vor allem dadurch getrieben waren, dass die Stillhalter der 0DTE-Optionen Transaktionen mit sehr hohen Summen im S&P-Future vornehmen mussten, um sich gegen das Risiko der begebenen 0DTE-Optionen abzusichern.

Der Boom der 0DTE-Optionen hat auch Auswirkungen auf Trader und Anlegern, die überhaupt nicht mit diesen Produkten handeln. Zu den wichtigsten Folgen für den Gesamtmarkt gehören:

  • Die Intraday-Volatilität steigt stark an. Ein immer größerer Teil der Spekulation findet auf Kursveränderungen innerhalb des jeweiligen Tages statt. Das kann die Bewegungen innerhalb eines Handelstages verstärken.
  • Gleichzeitig wird die "normale" Volatilität, wie sie etwa auch durch den VIX abgebildet wird, gedämpft. Denn die 0DTE-Optionen verfallen jeden Tag und Positionen werden nicht mehr über Nacht gehalten. Längerfristige Veränderungen der Markteinschätzung spielen keine so große Rolle mehr für den Gesamtmarkt.
  • Innerhalb eines Handelstages kommt es oft zur "mean reversion". Das bedeutet, dass auf starke Kursveränderungen in eine Richtung oft eine Korrektur in die Gegenrichtung folgt. Denn viele der privaten Trader, die 0DTE-Optionen einsetzen, nehmen Geld vom Tisch, wenn sich der Kurs in die für sie vorteilhafte Richtung bewegt hat. Waren viele private Trader long und ist der Kurs tatsächlich gestiegen, wird in der zweiten Tageshälfte oft massenhaft verkauft, um die Gewinne zu sichern. Bewegungen haben deshalb häufig starke Gegenbewegungen zur Folge.
  • Je nach Aktivität der 0DTE-Trader kann sich das Umfeld von Tag zu Tag stark verändern. Jeder Tag bringt wieder ein völlig neues Ökosystem an Marktteilnehmern hervor. Die Entstehung längerfristiger Trends wird unterdrückt. Was der Gesamtmarkt gestern oder in der letzten Woche gemacht hat, spielt keine große Rolle mehr bei der Frage, was der Markt heute oder morgen tun wird.

Fazit: Der steigende Einsatz von 0DTE-Optionen hat einen spürbaren Einfluss auf den Gesamtmarkt. Während die Intraday-Volatilität dadurch steigt, wird die längerfristige Volatilität gedämpft. Innerhalb eines Handelstages kommt es zudem oft zur "mean reversion", was sich auch im Sinne einer Trading-Strategie ausnutzen lässt: Auf starke Bewegungen in eine Richtung folgt nicht selten eine starke Korrekturbewegung in die Gegenrichtung, wenn die privaten Trader ihre Positionen glattstellen bzw. das riskierte Geld wieder vom Tisch nehmen.

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Oliver Baron
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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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