Wissensartikel
15:39 Uhr, 08.10.2013

Aufmunitioniert an die Kursfront

Christian Stern, Chartanalyst, Trader und und seit 2011 im Besitz eines Offizierspatents, gibt Schützenhilfe für den Tradingalltag und zeigt, was wir aus militärischen Operationsarten lernen können.

Im Trading setzen wir alltäglich unser größtes Kapital, nämlich unser finanzielles wie auch geistiges Vermögen, einem permanenten Risiko aus. Wir steigen in den Ring, und unsere Gegner sind keine Geringeren als die mächtigsten Banken, Institutionen und besten Händler weltweit. Dieser Wettstreit verschiedenster Finanzmarktakteure gleicht einer kriegerischen Auseinandersetzung, denn ein jeder möchte sich einen möglichst großen Teil vom Börsenkuchen sichern. Dass private Anleger dabei langfristig Verluste erleiden ist statistisch durchaus belegbar, dennoch gibt es auch für selbständige Trader die Möglichkeiten in das Lager der Gewinner zu wechseln.

Kämpfe werden nicht nur am Finanzmarkt ausgetragen – Armeen sind Spezialisten im Kampf und darauf trainiert. Was können Trader aus militärischen Abläufen und Operationsarten lernen?

Die militärische Sprache, die Organisation und Operation ist meist klar strukturiert, leicht verständlich und bestmöglich auf alle Ausgangsvarianten und Eventualitäten standarisiert also vereinheitlicht. Dies soll Entscheidungen vor allem dann ermöglichen, wenn schnelle Lageänderungen erforderlich sind. Soweit möglich, werden alle Faktoren und Situationen schon im Voraus durchgespielt, sodass verschiedene Reaktionsszenarien umgesetzt werden können.

Auch im Tradingalltag sind taktische Überlegungen wichtig – sie können über Leben und (Konto-)Tod entscheiden. Schnelle Entscheidungen und das Abdecken aller Eventualitäten, wie zum Beispiel einer Stopp-Logik, dem Take-Profit oder psychischen Einflüssen, sind im täglichen Handeln existenziell.

Direkte Parallelen zwischen Militär und Trading ergeben sich mit Bezug auf die einzelnen Operationsarten. Die Bundeswehr unterscheidet dabei zwischen Angriff, Verteidigung, Verzögerung, Überwachung und Jagdkampf – diese Gefechtsarten kommen je nach Auftrag zum Einsatz und können während eines Kampfes gewechselt werden. Im Nachfolgenden beschäftigen wir uns mit den ersten drei Varianten:

Während der militärische Angriff dadurch gekennzeichnet ist, dass eigene Kräfte sich aktiv auf den Standort des Feindes gegen dessen Widerstand zubewegen, um ihn entscheidend zu schlagen, gilt für den Angriff beim Trading Folgendes: Ein Angriff sollte nur aus einer vorteilhaften Lage heraus geschehen. Das heißt, Aktionen sollten nur dann erfolgen, wenn wir einen entscheidenden Gewinnvorteil haben. Dieser kann statistischer Natur sein, volatilitätsbezogen oder sich aus der Chance-Risiko-Analyse ergeben. Nutzen wir diesen Gewinnvorteil, können wir eine normale Positionsgröße und Handelsfrequenz an den Tag legen.

Ziel der militärischen Verteidigung ist es, eigenes Gelände gegen feindliche Angriffe zu behaupten. Der endgültige Erfolg ist dann erreicht, wenn der Feind in oder vor dem eigenen Verteidigungsraum zerschlagen worden ist, das heißt, seinen Angriff nicht weiter fortsetzen kann. Wenn Verteidigung beim Traden nötig wird, sind das Marktumfeld, beziehungsweise andere Marktteilnehmer, im Vorteil. Verteidigt werden muss unser Kapital, sowie unser Nervengerüst. Strategien die (zeitweise) nicht funktionieren, müssen genau analysiert werden. Fehlendes Wissen und schwindende Gewinnvorteile müssen zunächst aufgeholt werden. Die Positionsgröße und unsere Handelsfrequenz sollten auf ein Minimum reduziert werden.

Die militärische Verzögerung dient entweder dazu, Zeit für weitere Maßnahmen zu gewinnen oder den angreifenden Feind in das Gelände hineinzulenken, wo die eigene Führung die Entscheidung herbeiführen will. Kennzeichnend ist, dass die eigenen Kräfte dem Angreifer erheblich unterlegen sind und daher sehr beweglich kämpfen müssen, um nicht selbst gestellt und vernichtet zu werden. Sie dürfen hierzu Gelände aufgeben.

Die Verzögerungstaktik ist eine der wichtigsten Strategien im Trading – nämlich dann, wenn gute und profitable Strategien und Handelsansätze zwischenzeitlich in einen Drawdown geraten. Viele unerfahrene Trader werfen diese, eigentlich guten, Ansätze sogleich über Bord und versuchen sich an anderer Stelle. Setzt eine solche Drawdownphase ein, werden zunächst finanzielle Verluste eingefahren, die sich jedoch im späteren Verlauf durch die Rückkehr zur Normalität (Gewinnvorteil) neutralisieren würden. Geben Sie daher funktionierende Strategien nicht zu früh auf und ändern Sie nicht vorschnell wichtige Parameter Ihrer Setups – beachten Sie hierzu historische Verläufe und versuchen Sie daraus Vertrauen zu entwickeln. In anhaltenden Drawdowns müssen Sie unbedingt Ihr Konto schützen, damit dieses auch dann noch existiert, wenn die Strategie wieder in die Gewinnphase läuft. Positionsgrößen sollten möglichst klein gehalten, die Handelsfrequenz jedoch unbedingt erhalten werden.

(geschrieben von Christian Stern)

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