Fundamentale Nachricht
15:47 Uhr, 10.08.2022

Zu früh für eine Entwarnung

Im Marktausblick August 2022 gibt Stefan Kreuzkamp, Chefanlagestratege bei der DWS, seine aktuellen Einschätzungen zu Konjunktur, Märkten und Anlageklassen.

Die Tendenz der letzten Monate hat sich auch im Juli fortgesetzt: Die Kurse von Aktien und Anleihen entwickelten sich in die gleiche Richtung – dieses Mal glücklicherweise stramm nach oben. Ist das eine Trendwende an den zuletzt arg gebeutelten Märkten? „Ich denke nicht“, sagt Stefan Kreuzkamp, Chefanlagestratege der DWS. „Wir haben nach wie vor sehr viele Unsicherheiten an den Märkten. Die Wachstumsaussichten sind nicht gerade rosig, die Inflationsgefahren alles andere als gebannt, sodass die Zentralbanken wohl weiterhin an der Zinsschraube drehen werden.“ Dazu kommen die politischen Unsicherheiten aufgrund von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Wegen der saisonal niedrigen Liquidität an den Märkten sei weiterhin mit starken Ausschlägen an den Märkten zu rechnen. „Wir bleiben bei unserer vorsichtigen Haltung gegenüber Aktien“, sagt Kreuzkamp. „Die ermutigenden Trends für Risikoanlagen aus dem Juli sollten nicht einfach für den Rest des Jahres fortgeschrieben werden.“

Aktien

Resilienz der Unternehmen gegenüber Inflation entscheidend

Wie gut sind Unternehmen in der Lage, ihre Gewinnmargen zu schützen und steigende Kosten an ihre Kunden weiterzugeben? „Angesichts der in den meisten Industrienationen vorherrschenden hohen Inflationsraten dürfte der Beantwortung dieser Frage eine wesentliche Bedeutung zukommen, was die Attraktivität von Aktien angeht“, sagt Stefan Kreuzkamp, Chefanlagestratege der DWS. Zwar ist die Gewinnentwicklung im zweiten Quartal bei der Mehrzahl der Unternehmen in den USA und in der Eurozone besser ausgefallen als erwartet. Entscheidend wird aber sein, ob die Unternehmen auch künftig ihre Gewinne gegen den anhaltenden Kostendruck verteidigen werden können. Kreuzkamp: „Die Preissetzungsmacht wird damit zum entscheidenden Gradmesser, an dem sich in den kommenden Wochen und Monaten in fast allen Sektoren die Spreu vom Weizen trennen wird.“ Entsprechend wichtig ist eine detaillierte Analyse einzelner Unternehmen als Voraussetzung für eine fundierte Anlageentscheidung. Nachdem die Kurse im Juli deutlich zugelegt haben – S&P 500 um mehr als 9 Prozent, der europäische Stoxx 600 um fast 8 Prozent, der MSCI AC World Index um 7 Prozent und der deutsche Dax um fast 6 Prozent – warten wir derzeit eher ab und positionieren uns in allen wichtigen Regionen taktisch neutral. Wegen seiner defensiven Charakteristik gehört der Gesundheitssektor für uns derzeit zu den interessantesten Branchen. Ebenfalls aussichtsreich: der Energiesektor. Aufgrund der deutlich zurückgegangenen Bewertungen sind unserer Ansicht nach zudem europäische Nebenwerte aussichtsreich.

Anleihen

Wieder bessere Chancen mit Zinsanlagen

Wer mit Anleihemärkten eine gewisse Ruhe verbindet, wurde in diesem Jahr eines Besseren belehrt. Im ersten Halbjahr zogen die Renditen in fast allen Anleihekategorien überraschend stark an und die Kurse gingen auf Tauchstation. Im Juli kam dann, fast genauso überraschend, eine starke Gegenbewegung. Die Logik hinter dieser Reaktion beschreibt Oliver Eichmann, Head of Rates Fixed Income EMEA bei der DWS, so: „Angesichts der spürbaren wirtschaftlichen Abschwächung wird vielfach damit gerechnet, dass künftige Zinsanhebungen der wichtigen Notenbanken etwas geringer ausfallen dürften als dies noch einige Wochen vorher erwartet wurde.“ Bei allen Unwägbarkeiten sieht Eichmann die Entwicklung an den Zinsmärkten insgesamt positiv: „Nach Jahren negativer Zinsen und durch die Zentralbanken künstlich gering gehaltener Risikoaufschläge sehen wir jetzt wieder eine stärkere Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Anleiheklassen. Das eröffnet aktiven Zinsmanagern deutlich bessere Chancen, durch eine geschickte Positionierung positive Renditen zu erzielen.“

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