Kommentar
08:08 Uhr, 12.07.2019

Zinssenkung oder nicht? Komplexe Lage für US-Notenbank Fed

Für den Markt steht fest: die Zinsen müssen runter. Für die Notenbank ist die Sache nicht ganz so einfach.

Die Notenbank hat ein Doppelmandat. Die Beschäftigung soll hoch sein und die Preise stabil. Beides scheint mehr oder minder erreicht zu sein. Dies gilt insbesondere nach dem letzten Arbeitsmarktbericht. Die US-Wirtschaft schafft weiterhin Arbeitsplätze. Das muss sie natürlich auch. Die Bevölkerung wächst. Pro Monat müssen ca. 100.000 neue Jobs geschaffen werden, damit diejenigen, die auf den Arbeitsmarkt kommen, auch eine Stelle finden. Alles, was darüber hinausgeht, senkt die Arbeitslosigkeit.

Die Arbeitslosenrate ist bereits niedrig. Sinkt sie weiter, droht eine Überhitzung der Wirtschaft. In der Vergangenheit hat sich das angekündigt, indem die Inflation stieg. Davon kann diesmal keine Rede sein. Die Inflation blieb niedrig. Daher hatte die Notenbank auch keinen wirklichen Grund, die Zinsen höher zu schrauben. Es gab schlichtweg keine Inflation, die hätte bekämpft werden müssen.

Inzwischen gehen die Sorgen sogar dahin, dass die Zinsen zu hoch sind, um die hohe Beschäftigung und die Preisstabilität zu gewährleisten. Damit der Arbeitsmarkt weiter boomt und die Inflation nicht zu weit fällt, sollte die Fed Funds Rate sinken.

Nun gibt es aber einige Probleme an dieser Sichtweise. Einerseits läuft der Arbeitsmarkt immer noch gut. Das hat viele überrascht. Andererseits droht auch an der Inflationsfront Druck aufzukommen. In den USA sank die Inflationsrate zwar zuletzt, doch ein Blick auf das Nachbarland Kanada lässt hoffen (oder fürchten), dass die Inflation wieder steigt (Grafik 1).


Bis auf wenige Ausnahmen ist die Inflation in den USA höher als in Kanada. Aktuell ist das nicht der Fall. Zugleich zeigt der Inflationstrend in Kanada nach oben. Das lässt durchaus vermuten, dass die Inflation auch in den USA demnächst wieder steigen wird.

Kurzfristig ist der Inflationsdruck sogar kaum zu übersehen. Gegenüber dem Vorjahr stiegen die Preise nur noch um 1,5 %. Das liegt auch daran, dass der Ölpreis in dieser Zeit gefallen ist. Betrachtet man die Preisentwicklung in den letzten drei Monaten, kommt man allerdings zu einem anderen Schluss.

In den letzten drei Monaten ging es mit den Preisen fast 3 % nach oben (Grafik 2). Sofern dieser Preisdruck nicht innerhalb kürzester Zeit wieder kollabiert, wird auch die Jahresrate steigen, wenn eben auch zeitlich verzögert. Eine Inflationsrate von mehr als 2 % ist absolut denkbar.

Plötzlich sieht die Sache für die Notenbank kompliziert aus. Die Arbeitslosigkeit sinkt weiter. Das sollte zu steigenden Preisen führen. Genau das droht in den kommenden Monaten zu geschehen. Da fragt man sich schon wie eine Zinssenkung gerechtfertigt werden soll. Das lässt sich ganz schwer verkaufen.

Ich würde daher nicht so schnell mit einer Zinssenkung rechnen. Es spricht ja sogar vieles für einen Zinsschritt nach oben. Zum Glück ist sich die Notenbank selbst unsicher, sodass sie lieber abwartet.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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