Kommentar
15:35 Uhr, 14.06.2017

Zinsentscheid wird spannend!

Die US-Notenbank wird die Zinsen in wenigen Stunden wohl um 0,25% anheben. Das ist aber nicht das, was den heutigen Entscheid spannend macht.

Ob der US-Leitzins ab morgen 25 Basispunkte höher steht oder nicht, ist für die wirtschaftliche Entwicklung der USA relativ unbedeutend. Viel wichtiger ist etwas ganz anderes: der Ausblick. Yellen wird in ihrer Pressekonferenz Auskunft über die zukünftige Erwartung geben. Das ist der Knackpunkt.

Inzwischen ist der Markt vorbereitet, dass die Notenbank ihre Bilanz verkleinern will. Heute muss die Notenbank andeuten, wann und wie sie dieses Vorhaben angehen wird. Dazu gibt es zwei Varianten.

In der ersten Variante kündigt die Notenbank einen konkreten Plan an, z.B. eine Verkleinerung der Anleihebestände um 20 Mrd. pro Monat. Dann ist es höchstwahrscheinlich, dass dies ab September gilt. Dafür gibt es dann im September keine Zinserhöhung.

In einer zweiten Variante wird kein konkreter Plan angekündigt, sondern lediglich, dass sich die Notenbanker einig geworden sind. Dann beginnt das Projekt Bilanzverkleinerung voraussichtlich erst im Dezember.

Die Bilanzverkleinerung ist der erste Kernpunkt des heutigen Zinsentscheids. Der zweite betrifft den Inflations- und Zinsausblick.

Einmal im Quartal (u.a. heute) werden die Prognosen der Notenbanker veröffentlicht. In der letzten Prognose vom März gingen Notenbanker von weiter steigenden Zinsen aus. Diese sollten sich bis Ende 2019 auf 3 % normalisiert haben.

Die Zinsen hängen letztlich von einem Faktor ab: der Inflation. Diese fiel zuletzt wieder (Grafik 1). Der Leitzins bewegt sich historisch parallel zur Inflation. Die Notenbank, deren Mandat Preisstabilität ist, reagiert vor allem auf steigende Inflation. Sie dämmt diese ein, indem sie die Zinsen anhebt.

Die tatsächliche Inflation ist ein wichtiger Gradmesser für die Notenbank, aber nicht der einzige. Auch die Inflationserwartungen sind inzwischen ein wichtiger Bestandteil der Entscheide geworden. Die Inflationserwartungen bewegen sich nun aber dummerweise wieder nach unten.

Die Notenbank legt sehr viel Wert auf ökonomische Theorie. Demnach ist die tatsächliche zukünftige Inflation stark von den Erwartungen abhängig. Sinken die Inflationserwartungen, dann – so in der Theorie – fällt auch die zukünftige Inflation niedriger aus. Da die Ökonomie vom rationalen Menschen ausgeht, beeinflussen die Erwartungen das tatsächliche Verhalten der Menschen. Gehen sie von niedriger Inflation aus, haben sie keinen Grund übermäßige Lohnerhöhungen zu fordern oder ihr Geld auszugeben, solange es noch etwas wert ist. Ist Geld morgen so viel wert wie heute, gibt es beim Konsum keine Eile.

Die Inflationserwartungen sinken und damit wird das nachhaltige Erreichen der Zielinflation von 2 % wieder unrealistischer. Nicht zuletzt deswegen geht der Markt wohl inzwischen von deutlich langsamer steigenden Zinsen aus. Grafik 2 zeigt die Prognose der Fed Funds Rate der Notenbanker und des Marktes. Es klafft eine sehr große Lücke zwischen den beiden.

Diese Lücke ist kein Problem, solange der Notenbank gute Kommunikation gelingt. Heute muss sie kommunikationstechnisch mit einem großen Dilemma umgehen (sinkende Inflation und Inflationserwartungen und damit Gefährdung ihres 2 % Ziels). Nun kann die Notenbank ihren eingeschlagenen Pfad nicht einfach aufgeben, schon gar nicht heute. Würde sie die Zinserhöhungen sofort aussetzen, ist der Teufel los. Es wäre ein starkes Signal, dass auch die Notenbank nicht mehr an Wachstum und Inflation glaubt. Ein gigantisches Repricing würde losgetreten.

Nun kann die Notenbank aber auch nicht blind behaupten, dass alles im Lot ist und dem Markt einhämmern, dass sie auf Teufel komm raus die Zinsen im Eiltempo weiter anheben wird. Die Lage rechtfertigt eigentlich keinen weiteren Zinsanstieg um 1 % oder gar 2 %. Aufgeben kann sie ihr Ziel dennoch nicht.

Wie so oft ist ein Kompromiss denkbar: die nächste Zinserhöhung kommt heute. Die Fed wird von leicht eingetrübten Inflationserwartungen reden. Der Dot Plot (Prognosen der Notenbanker) wird leicht nach unten angepasst, sodass sich ein weniger radikales Straffungsszenario ergibt. Es wird jedoch nicht aufgegeben.

Bisher hatte der Markt ein gutes Gespür für die zukünftigen Zinsschritte. Die Fed war dabei deutlich bullischer als der Markt. Der Markt behielt bisher am Ende immer Recht. Die Notenbank muss heute die Gratwanderung gelingen, dem Markt genug Komfort zu geben, dass er nicht völlig daneben liegt. Das ist schwieriger als man vielleicht denkt. Es wird heute also durchaus spannend.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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