Zinsen: Der weltweite Ausnahmezustand bleibt erhalten
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Anleger sind manchmal schon etwas schizophren. Einerseits wünschen sie sich den ewigen Bullenmarkt, andererseits hätten sie gerne auch hohe Zinsen auf dem Konto. Beides geht aktuell nicht. Nun ist nicht jeder Bürger Aktienanleger und nicht jeder will das. Diese Gruppe leidet unter den niedrigen Zinsen. 2017 und 2018 gab es die Hoffnung, dass es endlich eine Trendwende geben würde, wenn auch nicht sofort. Die US-Notenbank erhöhte die Zinsen mehrfach. Das zog den globalen Markt mit nach oben. Auch in Europa und Japan stiegen die Zinsen. 2018 kündigte die EZB dann das Ende von QE an. Auch das hat geholfen. Jetzt ist QE beendet, doch die Zinsen steigen immer noch nicht.
Ursprünglich wurde erwartet, dass Mario Draghi während seiner Amtszeit die Zinsen noch erhöhen wird. Seine Amtszeit läuft im Herbst aus. Inzwischen geht davon niemand mehr aus. Stattdessen dürfte die erste Zinserhöhung 2020 kommen, wenn überhaupt.
Das hat dazu geführt, dass der Ausnahmezustand der Nullzinspolitik verlängert wurde. Die EZB ist vorsichtiger und selbst in den USA könnten die Zinsen in diesem Jahr gesenkt werden. Die Zinswende gibt es nicht mehr.
Bereits 2018 stieg der Anteil an Staatsanleihen mit negativer Rendite wieder. 2017 erreichte die Summe bei knapp 6 Billionen Dollar ein tief (siehe Grafik). 2018 stieg die Summe bereits auf knapp 8 Billionen und in den letzten Wochen sanken die Zinsen weiter. Vom Hoch von 12 Billionen Dollar im Jahr 2016 sind wir noch ein Stück entfernt. Wenden sich die Notenbanken in diesem Jahr endgültig von der Zinswende ab, wird es wohl einen neuen Rekord geben.
Bis zu einem gewissen Grad ist das sogar verständlich. Die Welt hat es nicht geschafft, die Schulden in den Griff zu bekommen. Seit 2009 hat sich der globale Schuldenberg (Staatsschulden) fast verdoppelt. Die Wirtschaftsleistung ist lediglich um 40 % gestiegen.
Die Gesamtverschuldung der Staaten erreicht damit 80 % der Wirtschaftsleistung. Länder wie Japan können darüber freilich nur lachen. Sie bringen mehr als das Dreifache auf die Waage. Da es Staaten verpasst haben, den Aufschwung für Schuldenabbau zu nutzen, werden die Zinsen tief bleiben.
Es gibt Länder, in denen die Zinsen kaum eine Rolle spielen. Ob die japanische Regierung 0 % oder 1 % für die Schulden zahlen muss, ist nicht erheblich. Es gibt genug inländische Sparer, die zu jedem Zins Anleihen kaufen. Dort, wo Anleger kein Vertrauen haben, z.B. Italien, ist das anders. Hier braucht es die Unterstützung der Notenbank.
So oder so, die Zinsen bleiben vorerst niedrig. Der Ausnahmezustand, der zu Billionen an Anleihen mit negativer Rendite führt, wurde verlängert. Nach so vielen Jahren fragt man sich, ob es überhaupt jemals wieder ein Zurück geben wird.
Autor: Clemens Schmale
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.