Kommentar
11:45 Uhr, 29.06.2021

Warum vorerst keine Blase platzen wird

Die Bewertungen am US-Aktienmarkt sind hoch, aber das heißt nicht, dass die Kurse nicht weiter steigen können. Ein Blick auf die Zinsdifferenz zwischen zehnjährigen Staatsanleihen und dem Fed-Leitzins gibt sogar Entwarnung: Eine Blase dürfte in der näheren Zukunft nicht platzen.

In der Vergangenheit war die Sache ziemlich eindeutig: Vor jedem Börsencrash und jeder Rezession in den USA in den vergangenen Jahrzehnten zeigte sich am Anleihenmarkt eine sogenannte inverse Zinsstruktur. "Invers" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich der "normale" Zusammenhang zwischen längeren Laufzeiten einer festverzinslichen Anlage und höheren Zinsen umkehrt.

Ob die Zinsstruktur invers oder normal ist, lässt sich beispielsweise an der Differenz zwischen der Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen und dem von der US-Notenbank Fed festgesetzten (kurzfristigen) Leitzins festmachen. In "normalen" Zeiten ist die Renditedifferenz zwischen den zehnjährigen Staatsanleihen und dem Fed-Leitzins positiv: Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen ist höher als der Leitzins. Vor dem Beginn einer Rezession flacht sich die Zinsstruktur zunächst ab und fällt dann sogar in den negativen Bereich: Die kurzfristigen Zinsen sind dann auf einmal gleich hoch bzw. sogar höher als die langfristigen.

Die Zinsdifferenz rutschte sowohl vor dem Platzen der Internetblase rund um die Jahrtausendwende als auch vor dem Platzen der Immobilienblase in den negativen Bereich. Aktuell steckt die US-Wirtschaft noch in den letzten Zügen der Corona-Rezession.

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Erstaunlicherweise wurden auch Corona-Crash und Corona-Rezession im Vorfeld durch eine negative Renditedifferenz angekündigt: So rutschte die Zinsdifferenz bereits im Laufe des Jahres 2019 deutlich in den negativen Bereich und signalisierte Ungemach. Eine Rezession und ein Börsen-Crash wären also womöglich auch ohne das Auftauchen des Coronavirus gekommen.

Im folgenden Chart sind die Episoden einer negativen Zinsdifferenz vor dem Platzen der Internetblase, der Immobilienblase und dem Corona-Crash jeweils rot gekennzeichnet.

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Aktuell kann also wohl vorerst Entwarnung gegeben werden: Seit dem Corona-Crash ist die Zinsdifferenz wieder in den positiven Bereich gestiegen. Die Fed hat die kurzfristigen Zinsen also stärker gesenkt, als die langfristigen Zinsen wegen sinkender Wachstumserwartungen gesunken sind. Das führt zu einer steigenden Zinsdifferenz.

Allerdings gibt es auch einen Grund zur Besorgnis: Die Zinsdifferenz ist weit weniger stark gestiegen als nach vorherigen Krisen. Nach der Internetblase und der Immobilienblase stieg die Zinsdifferenz im Hoch auf über 3,5 Prozentpunkte. Seit dem Corona-Crash hat es die Renditedifferenz bisher nur auf ein Hoch von rund 1,7 Prozent geschafft.

Läuft in den kommenden Monaten und Jahren alles so, wie es sich Regierungen und Notenbanken vorstellen, dann steigen die die Wachstums- und Inflationserwartungen und mit ihnen die langfristigen Zinsen wohl schneller, als die US-Notenbank Fed die kurzfristigen Zinsen anhebt. Die Zinsdifferenz legt in diesem Szenario weiter zu, was auch dazu führen dürfte, dass am Aktienmarkt die Notierungen weiter zulegen.

Eine dauerhaft hoch bleibende Inflation könnte die Notenbanken allerdings dazu zwingen, schneller die Zinsen zu erhöhen, als sie dies eigentlich wollen. In diesem Szenario könnte großes Ungemach für den Markt drohen, wie die Zinsdifferenz zeigt. Denn der Spielraum der Notenbanken für Zinserhöhungen dürfte mit Blick auf die Zinsstrukturkurve gering sein. Das ist allerdings nur eine Momentaufnahme: Führen die höheren Inflationserwartungen auch zu steigenden langfristigen Zinsen, wie dies gewöhnlich der Fall ist, dann vergrößert sich auch der Spielraum der Notenbank Fed für mögliche Zinserhöhungen. All dies gilt aber nur, wenn der Anleihenmarkt seine traditionelle Indikatorfunktion trotz der Fed-Interventionen in den vergangenen Jahren überhaupt noch erfüllen kann. Ob dies der Fall ist, muss sich erst noch zeigen.


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