Kommentar
16:52 Uhr, 18.03.2021

Zinsanstieg: Verlieren die Notenbanken die Kontrolle?

Wenn die Notenbanken es darauf anlegen, können sie den Zinsanstieg begrenzen. Doch die Folgen könnten gleichwohl katastrophal sein.

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  • US 10Y Bond Yield
    Kursstand: 1,735 % (Bonds) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • US 10Y Bond Yield - Kurs: 1,735 % (Bonds)

Dass die Notenbanken auch die längerfristigen Zinsen durchaus unter Kontrolle halten können, beweist seit einigen Jahren die Bank of Japan. Statt immer höhere Beträge dafür auszugeben, Anleihen aufzukaufen, um einen Anstieg zu verhindern, hat die japanische Notenbank einfach ein Ziel für die längerfristigen Zinsen vorgegeben: Die Zehnjahresrendite der japanischen Staatsanleihen soll bei null Prozent liegen.

Die Zielvorgabe funktioniert besser als immer höhere QE-Käufe, weil dann der Markt gewissermaßen von selbst dafür sorgt, dass die Zinsen im Zielbereich der Notenbank bleiben. Das Wissen, dass die Notenbank eingreifen würde, wenn sich die Zinsen aus dem Zielbereich bewegen würden, reicht aus, die Zinsen auch dort zu halten. Kein Spekulant will sich mit der Notenbank anlegen, denn dann würde er nur den Kürzeren ziehen.

Dass die Notenbanken einfach Ziele für die längerfristigen Zinsen vorgeben, wird als "Yield Curve Control" ("Zinskurvenkontrolle") bezeichnet. Beobachter rechnen schon länger damit, dass auch die US-Notenbank Fed und die EZB zu diesem Mittel greifen könnten, um einen ungewollten Zinsanstieg zu verhindern.

Das Beispiel Japan zeigt, dass die Notenbanken den Zinsanstieg durchaus begrenzen können, wenn sie dies wollen. Es zeigt außerdem, dass dazu überhaupt nicht die Andeutung immer höherer Anleihenkäufe, wie sie nun auch wieder von EZB-Präsidentin Christine Lagarde kommt, nötig ist. Lagarde hatte bei einer Anhörung des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europaparlaments einen deutlichen Renditeanstieg vor dem zweiten Halbjahr 2021 als unerwünscht bezeichnet und auch die Möglichkeit höherer Anleihenkäufe in Aussicht gestellt. Bereits bei den geldpolitischen Entscheidungen in der vergangenen Woche hatte die EZB beschlossen, im zweiten Quartal deutlich mehr Anleihen zu kaufen als im ersten Quartal. Gleichzeitig hatte die EZB aber das Gesamtvolumen des bis mindestens Ende März 2022 laufenden Pandemie-Anleihenkaufprogramms PEPP unverändert bei 1,85 Billionen Euro belassen. Das unveränderte Gesamtvolumen bedeutet also, dass es sich bei den höheren Anleihenkäufen im zweiten Quartal gar nicht um zusätzliche Käufe handelt, sondern allenfalls um vorgezogene.

Analog zur Bank of Japan könnten auch die EZB und die Fed die längerfristigen Zinsen einfach bei null Prozent oder jeder anderen Marke "festnageln". Denn Notenbanken verfügen über unbegrenzte finanzielle Feuerkraft, sie erzeugen sich das Geld, das sie zur Umsetzung ihrer Geldpolitik benötigen, einfach selbst aus dem Nichts. Da die Märkte wissen, dass die Notenbanken über unbegrenzte finanzielle Feuerkraft verfügen, wagt es niemand, sich mit den Notenbanken anzulegen. Die Zehnjahresrendite könnte also effektiv bei zum Beispiel null Prozent fixiert werden, wenn sich die Notenbanken nur dazu entschließen würden.

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Eine solche Politik könnte zwar den Zinsanstieg begrenzen, gleichwohl aber andere verheerende Folgen haben. Denn die Zinsen sind zuletzt vor allem wegen höherer Inflationserwartungen gestiegen. Steigt die Inflation, dann ist es nur natürlich, dass Anleger in Zinspapieren höhere Zinsen verlangen , um den Kaufkraftverlust zu kompensieren.

Würden die Notenbanken die Zehnjahresrendite künstlich zum Beispiel bei null Prozent fixieren und würden die Anleger mit einer deutlich höheren Inflation rechnen, dann gäbe es für rationale Anleger keinen Grund mehr, überhaupt noch Staatsanleihen zu kaufen. Denn dann wäre aus der "risikolosen Rendite", die Staatsanleihen früher einmal bedeutet haben, endgültig das "renditelose Risiko" geworden. Das böse Erwachen wurde bisher vielleicht nur deshalb verhindert, weil sich Anleger keine Sorgen wegen einer anziehenden Inflation machen mussten. Doch genau das scheint sich gerade zu ändern.

Wenn die Notenbanken die Zinsen künstlich so niedrig halten, dass sie keinen fairen Inflationsausgleich mehr versprechen, wer soll dann die Staatsanleihen noch kaufen und so die Staatsausgaben finanzieren? Als Käufer übrig bleiben dann nur noch Anleger, die aus regulatorischen Gründen zum Kauf von Staatsanleihen verpflichtet sind (etwa Versicherer) und die Notenbank selbst. Da die erste Gruppe wegen der aus den Anleihenkäufen resultierenden Verluste zwangsläufig schrumpfen dürfte, bleibt am Ende nur noch die Notenbank übrig, um die vielen Staatsanleihen, die zur Finanzierung der Staatsausgaben ausgegeben werden, aufzukaufen. Früher oder später wäre der Markt für Staatsanleihen zerstört und die Notenbanken würden einen immer größeren Teil der Staatsausgaben mit der Notenpresse finanzieren. Hyperinflation und Währungskollaps wären dann mögliche Folgen.

Fazit: Die Notenbanken sind durchaus in der Lage, den Anstieg der längerfristigen Zinsen zu begrenzen. Allerdings müsste dafür ein hoher Preis gezahlt werden. Wenn Anleihen keinen fairen Inflationsausgleich mehr versprechen, wer soll dann noch Anleihen kaufen, außer denen, die müssen (z. B. Versicherer) und den Notenbanken selbst? Auf lange Sicht könnte eine "Yield Curve Control" den Markt für Staatsanleihen zerstören. Die Folgen könnten katastrophal sein.


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2 Kommentare

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  • anders
    anders

    Es stellt sich doch die Frage,sind Notenbanken in der Lage ,einem initiierten und zukünftig wahrscheinlich länger anhaltendem Trend mit den bekannten ,,Werkzeugen " begegnen zu können.Zinserhöhungen in der aktuellen ökonomischen Phase , mit Finanzmärkten auf Allzeithochs ,werden entsprechende Reaktionen auslösen. Diese werden sich dann auch nicht mehr wie in der Vergangenheit mit Verbalstatements dämpfen /glätten lassen.

    Als die FED in 04/2018 begonnen hatte, die Zinsen zu erhöhen, stürzten die Kurse an den Börsen ab. Fed-Chef Jerome Powell korrigierte daraufhin zügig seinen Kurs und senkte die Zinsen wieder. Ein machbares Beispiel für die EZB??

    Dem politischen Konstrukt des Euro ist ein lebenslanger Geburtsfehler anhängig,grundlegende ökonomische Gesetze zu negieren.Daraus sich ergebende Widersprüche lassen sich scheinbar zeitlich begrenzt kompensieren, rufen allerdings qualitativ neue auf den Plan, welche die ,,Kreativität " der Verantwortlichen permanent fordert!

    Das Fiatgeld ist in einer bisher ungekannten Krise,unübersehbar bei Rekapitulation der Finanzgeschichte in einmalig hoher weltweiter Verschuldung, des Ausgleichversuches durch exponentielle Generierung Papiergeldes , repressiven Maßnahmen wie Negativzinsen, des Veruches der fatalen Entwicklung des Wertverlustes durch neue Instrumente (Krypto Techn. ) zu begegnen.

    Kurz gesagt, die Inflation ab einem Punkt begrenzen zu können ,ist eine Illussion der EZB.Die Wirtschaften Südstaaten der EU würden sich nicht erholen.Und Deutschalnd muss nicht nur den Part des ausfallenden ehemaligen zweitgrößten Netto-Einzahler GB übernehmen, es trägt auch die größte Last der neuerdings erstmalig möglichen Verschuldung der EU.

    Hinzu kommt noch, dass der Euro nach einer Korrektur marginal unter 1,16 aller Wahrscheinlickeit nach mittel /langfristig dann den Weg zu 1,22, ...1,28 aufnehmen dürfte.

    Die Belastungen werden ein weiteres Mal ungleich verteilt werden , diesmal sollte es nicht verwundern, wenn es auch bei dem leidensfähigen Michel einen Weckruf geben wird !

    11:02 Uhr, 20.03. 2021
  • LK12
    LK12

    In diesem Zusammenhang wären folgende Punkte zu erläutern:

    - wie können Notenbanken den Marktpreis bestimmen, ohne direkt vom Staat die Anleihen aufzukaufen, was einer direkten Staatsfinanzierung gleichkommt ? So lange sie nur am Sekundärmarkt Staatsanleihen kaufen (dürfen), egal in welcher Höhe, können die Notenbanken die Langfristzinsen nicht direkt beeinflussen, da die Verzinsung einer Anleihe nach meinem Verständnis am Primärmarkt festgesetzt wird. Dies funktioniert aus meiner Sicht nur bei direkter Staatsfinanzierung, mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen.

    - die derzeit steigenden langfr. Zinsen werden stets mit höheren Inflationserwartungen in Verbindung gebracht. Persönlich, aber nur am Rande, tue ich mich schwer mit dieser Logik, wenn man bedenkt in welcher Verfassung die Arbeitsmärkte sind. Eine andere Sicht, die mir hingegen logisch(er) erscheint, leitet sich aus der einfachen BWL ab und besagt dass höhere Risiken höhere Zinsen verlangen. Was wenn das höhere Risiko sich aus einer Neubewertung aus (verschlechterten) Wachtumsaussichten zu (bestehender) Gesamtverschuldung ergibt ?

    00:52 Uhr, 19.03. 2021

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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