ZEW-Konjunkturerwartungen - Zweifel an deutscher Binnennachfrage?
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1. Die ZEW-Konjunkturerwartungen sind im Mai trotz freundlicher Aktienmärkte leicht von -40,7 auf -41,4 Punkte gesunken. Damit wurden die Erwartungen der Konjunkturbeobachter abermals enttäuscht (Bloomberg-Media: -37 Punkte; DekaBank: -36 Punkte). Sie befinden sich damit weiterhin deutlich näher an ihrem historischen Tiefststand aus der Zeit der Rezession Anfang der 1990er Jahre als an ihrem langjährigen Mittelwert, der bei rund +30 Punkten liegt. Die ZEW-Lagebeurteilung verbesserte sich dagegen wieder von 33,2 auf 38,6 Punkte.
2. Die Entwicklung der ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland verwundert aus zwei Gründen: Erstens haben sich die Aktienmärkte seit der letzten ZEW-Erhebung spürbar erholt. Der DAX legte zwischen dem 14.04., dem Tag vor der April-ZEW-Veröffentlichung, und gestern um rund 10 % zu. Zweitens kam es im Mai zu sprunghaften Verbesserungen der ZEW-Konjunkturerwartungen für so wichtige deutsche Handelspartner wie die USA (+18,6 Punkte), Großbritannien (+6,2 Punkte), Italien (+2,1 Punkte) oder auch Japan (+10,2 Punkte). Allein für Frankreich schätzten die befragen Analytiker die Konjunkturaussichten mit Blick auf die nächsten sechs Monate schlechter ein als zuletzt (-2,2 Punkte).
3. Diese Konstellation lässt zunächst Zweifel an der Prognosekraft des ZEW-Indikators aufkommen. Jedoch kann auch Folgendes Szenario gestrickt werden: Die Finanzmarktanalysten haben zum Teil ihre Risikoscheu abgelegt und glauben auch wieder an das Potenzial der Weltwirtschaft und international aufgestellter Unternehmen. Allein bezüglich der deutschen Binnennachfrage verlieren sie ihre Zuversicht.
4. Wie sind hier die Zusammenhänge? Der Rückgang der Risikoscheu führt schon an sich zu steigenden Aktienkursen, hierzu ist kein verändertes Konjunkturbild notwendig. Der Anstieg der Konjunkturerwartungen für wichtige Handelspartner lässt zwar die Exportaussichten steigen, wovon gerade die großen, international ausgerichteten Unternehmen profitierten. (Ihnen sind auch die meisten DAX-Unternehmen zuzurechnen.) Doch der Export ist nur ein Teil der deutschen Wirtschaft. Was aber ist mit der Binnennachfrage? An ihr könnten die Analysten vermehrt gezweifelt haben. Insbesondere der private Konsum ist durch die hohen (gefühlten) Inflationsraten zum Wackelkandidaten geworden. Und die heute veröffentlichten ZEW-Erwartungen zur deutschen Inflationsrate sind – in dieses Bild passend – gegen den allgemeinen Trend wieder etwas angestiegen. Die jüngste Ölpreisentwicklung (+13 % beim USD-Preis für das Fass WTI seit der letzten ZEW-Umfrage) wird hier ihr Übriges getan haben.
5. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die letzte Woche veröffentlichte Schnellschätzung zum deutschen Bruttoinlandsprodukt des ersten Quartals einen Einfluss auf die Einschätzungen der Finanzmarktanalysten gehabt haben dürfte. Selbst wenn das vergangenheitsbezogene Daten sind, wird dieses stärkste Wachstum seit zwölf Jahren (+1,5 % im Vergleich zum Vorquartal) auf die Lageeinschätzung der meisten Analysten positiv abgefärbt haben. Wenn man sich nun aber in einer exzellenten konjunkturellen Situation befindet, so ist bei allen Belastungsfaktoren – Öl- und Rohstoffpreise, Euro, verschärfte Finanzierungsbedingungen – wohl eher davon auszugehen, dass die nahe Zukunft etwas schlechter aussehen wird. Also: Lagebeurteilung hoch, Erwartungen runter! Ganz rational ist das nicht, denn schon jetzt, also im Mai, dürften wir uns in einer schlechteren Situation befinden als in den letzten Monaten, wenn man die letzten Frühindikatoren (wie Einkaufsmanagerindizes oder das ifo Geschäftsklima) betrachtet.
6. Alles in allem halten wir die ZEW-Erwartungen zurzeit allerdings für keine große Hilfe, wenn es darum geht, die deutsche Konjunktur einzuschätzen oder zu prognostizieren. Deshalb schauen wir mit umso mehr Interesse auf den morgigen Tag, wenn das ifo Geschäftsklima veröffentlicht werden wird. Hier erwarten wir einen abermaligen deutlichen Rückgang – dieses Mal um einen Punkt –, der ein klares Signal dafür geben wird, dass wir im laufenden Quartal mit deutlich schwächerem Wachstum rechnen müssen als zuletzt und vermutlich in den nächsten Quartal kaum mehr unsere Potenzialwachstumsrate erreichen werden.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.
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