Kommentar
15:04 Uhr, 17.06.2008

ZEW-Konjunkturerwartungen - nahe am Gefrierpunkt

1. Die ZEW-Konjunkturerwartungen haben sich unerwartet stark um 11 auf -52,4 Punkte verschlechtert (Bloomberg-Median: -42,5 Punkte, DekaBank: -42,0 Punkte). Die Stimmung der Finanzmarktanalysten ist schockierend schlecht – es gab in der Historie dieses Indikators nur vier Monate, in denen die Erwartungen geringer waren.

2. Die ZEW-Konjunkturerwartungen haben sich schon seit geraumer Zeit von der tatsächlichen konjunkturellen Entwicklung entkoppelt. Sie spiegeln derzeit lediglich die Stimmung der Finanzmarktanalysten wider und die ist offensichtlich nahe dem Gefrierpunkt. Verantwortlich dafür dürften folgende Faktoren gewesen sein:

• Die Exportaussichten deutscher Unternehmen haben sich aus Sicht der Finanzmarktanalysten eingetrübt. Das ZEW fragt nach den Aussichten für die wichtigsten Handelspartner Deutschlands, in die immerhin knapp 60% der deutschen Exporte gehen. Für alle Handelspartnerländer haben sich die Erwartungen merklich eingetrübt. Mit den Exportanteilen gewichtet und zusammengefasst haben wir ein Allzeittief bei den Geschäftserwartungen für die Handelspartner. Da sich auch die Lagebeurteilung eingetrübt hat, sank das von uns ermittelte ZEW-Klima der deutschen Handelspartner deutlich.

• Ein zweiter Grund ist bei der Inflation zu suchen, denn die Inflationserwartungen der Finanzmarktanalysten haben sich merklich erhöht. Die hohe und persistente Inflation macht die nominalen Einkommenszuwächse zunichte und verhindert die Erholung des Konsums in Deutschland und Euroland. Das mindert die Absatzperspektiven für die Unternehmen. Außerdem ist die Inflation das wesentliche Argument für die EZB, die Zinsen im Juli zu erhöhen.

• Diese Gefahr einer Zinserhöhung dürfte der dritte Grund für den Stimmungseinbruch gewesen sein. Die Marktteilnehmer wurden von der Andeutung der EZB auf dem falschen Fuß erwischt und reagieren verschnupft.

3. Während die ersten beiden Gründe mit Blick auf das in der kommenden Woche zur Veröffentlichung anstehende ifo Geschäftsklima die Munition für einen spürbaren Rückgang sein werden, dürften die deutschen Unternehmen die angekündigte Leitzinserhöhung um 25 Basispunkte noch gelassen hinnehmen. Sie machen sich eher Sorgen um den heimischen und die ausländischen Absatzmärkte. Eines scheint klar zu sein: Vom ifo Geschäftsklima werden in der kommenden Woche keine guten Nachrichten kommen.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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