Kommentar
10:34 Uhr, 19.08.2016

Zentralbanken können das Wachstum nicht beleben

Zentralbanken versuchen mit allen Mitteln die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, bisher vergeblich. Daran wird sich auch nichts ändern.

In der Theorie ist Geldpolitik sehr einfach. Es gibt nur zwei Optionen: Die Zinsen werden entweder erhöht oder sie werden gesenkt. Letzteres soll die Wirtschaft anschieben, ersteres soll sie bremsen. So einfach ist das, theoretisch jedenfalls.

Ganz praktisch funktioniert Geldpolitik nicht so einfach. Selbst die immer niedrigeren Zinsen und Erhöhung der Geldmenge haben nicht dazu geführt, dass die Wirtschaft Fahrt aufnimmt. Das widerspricht dem Fundament, auf dem die Geldpolitik aufgebaut ist. Aber wieso ist das so?

Am besten kann man sich die Sache vorstellen, wenn man von hohem Wachstum ausgeht und die Notenbank eine Überhitzung der Wirtschaft verhindern will. Sie tut dies, indem sie die Zinsen anhebt. Sie könnte auch die Reserveanforderungen anheben. Für Kredite, die vergeben werden, muss ein kleiner Prozentsatz als Reserve gehalten werden. Wird dieser Prozentsatz angehoben, müssen Banken für Kredite mehr Reserven halten. Das bremst die Kreditvergabe ebenso wie höhere Zinsen, weil Kreditnehmer nicht bereit sind, zu höheren Zinsen noch Kredit aufzunehmen.

Will eine Notenbank das Wachstum begrenzen, dann funktioniert das für gewöhnlich sehr gut. Im umgekehrten Fall funktioniert es weniger gut. Eigentlich sollte es einfach sein, die Wirtschaft anzuschieben. Man muss nur die Zinsen und die Reservesätze senken. Das sollte die Kreditnachfrage beleben und für mehr Wachstum sorgen.

In der Vergangenheit hat das selten funktioniert. Es funktioniert umso weniger, je schlechter es der Wirtschaft geht. Als die US-Notenbank nach einer zunächst restriktiven Geldpolitik zu Beginn der Großen Depression die Gelschleusen öffnete, war praktisch kein positiver Effekt zu erkennen. Das gleiche sehen wir heute wieder.

Die Erklärung dafür ist relativ einfach. Notenbanken können durch Zinserhöhungen eine aktive Politik betreiben, mit Zinssenkungen nur eine passive. Durch eine straffere Geldpolitik können Notenbanken dem System Geld entziehen. Durch niedrige Zinsen können sie allerdings niemanden zwingen mehr Kredit nachzufragen. Genau das ist aktuell das Problem.

Die Zinsen können noch so tief sinken – wenn niemand Kredit aufnehmen will, nützt das alles nicht. Eine Notenbank kann schließlich niemanden zwingen Kredit aufzunehmen. Sie kann jedoch ziemlich aktiv Unternehmen und Konsumenten daran hindern, mehr Kredit aufzunehmen. Das ist ein großes Dilemma der Geldpolitik.

Dieses Dilemma kann man mit den derzeitigen geldpolitischen Instrumenten nicht beheben. Es scheint sich sogar noch zu verschärfen. Goldman Sachs hat dazu eine interessante Studie veröffentlicht. Untersucht wurden überraschende Zinssenkungen der EZB. Es stellt sich heraus, dass eine Zinssenkung von 0,1 Prozentpunkten zu einer Senkung des erwarteten Wirtschaftswachstums führte. Analysten senkten ihre Wachstumsprognosen nach überraschenden Zinssenkungen. Die mögliche Erklärung: wenn die Zinsen gesenkt werden, dann muss sich die Lage eintrüben.

Im Durchschnitt führte das dazu, dass eine Zinssenkung von 0,1 Prozentpunkten zu einer Reduktion von 0,34 Prozentpunkten des erwarteten Wirtschaftswachstums führte. Wurden die Zinsen hingegen überraschend um 0,1 % angehoben, wurden die Wachstumsprognosen um 0,13 % nach oben revidiert.

Die Revisionen der Wachstumsprognosen nach Zinsanhebungen oder Zinssenkungen zeigt eine deutliche Asymmetrie. Sie bringt das Dilemma der Notenbanken auf den Punkt. Daran wird sich wohl so schnell auch nichts ändern, solange die gelpolitischen Instrumente nicht erweitert werden. Niedrige Zinsen können niemanden zur Kreditaufnahme zwingen. Wollen Notenbanken die Wirtschaft durch aktive Politik anschieben und nicht passiv darauf warten, dass niedrige Zinsen angenommen werden, dann muss sie praktisch Geld verschenken (Helikoptergeld). Man wird sehen, ob Notenbanken eine so große Verzweiflung aufbauen, dass sie zu diesem letzten Mittel greifen werden.

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7 Kommentare

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  • 1 Antwort anzeigen
  • bembes
    bembes

    Hoffenlich kapieren das die Blödmänner der EZB !!!!!

    13:56 Uhr, 19.08. 2016
  • MMeier2
    MMeier2

    Ich bin gespannt, wann mal einer auf die einfachste Lösung kommt.

    Geld verschenken die NB ja jetzt schon. Nur eben an die, die ohnehin schon zu viel haben. Eine ganze Menge Menschen würden sofort einkaufen gehen, wenn sie auch nur geringste Beträge bekämen, und sei es in manchen Teilen der Welt auch nur, um Lebensmittel zu kaufen. Der Nachfrageschub ist gar nicht auszumalen.

    Allerdings: Wenn ich nicht die Aussicht auf ne profitable Investition habe, weil ich nicht damit rechne, dass sich mein Produkt verkaufen läßt, dann nutzt mir der billigste Kredit nix.

    11:45 Uhr, 19.08. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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