Fundamentale Nachricht
16:59 Uhr, 19.09.2018

Zehn Jahre nach Lehman: Haben wir aus der Krise gelernt?

Die wirtschaftlichen Auswirkungen politischer Entscheidungen werden nach Meinung von Carsten Roemheld, Kapitalmarktexperte bei Fidelity International, noch zu häufig unterschätzt.

Kronberg im Taunus (GodmodeTrader.de) – Normalerweise sind runde Geburtstage ein Grund zu feiern. Die Insolvenz der US-amerikanischen Lehman-Bank jedenfalls, die sich aktuell zum zehnten Male jährt und die Kapitalmärkte bis ins tiefste Mark erschütterte, ist sicherlich kein Grund zum Feiern, wie Carsten Roemheld, Kapitalmarktexperte bei Fidelity International, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Und „Normalität“ habe sich an den Finanzmärkten seitdem auch nicht wieder eingestellt. Die von Lehman ausgelöste Vertrauenskrise stelle noch immer eine Zäsur für die Kapitalmärkte dar. Die globalen Zentralbanken hätten eine beispiellose Nullzinspolitik begonnen, deren Rückführung sich noch immer als sehr schwierig erweise. Auch die in der Folge deutlich verschärften Regularien hätten die Akteure auf den Finanzmärkten zum Umdenken gezwungen, heißt es weiter.

„Ernüchtert muss man dennoch feststellen, dass sich die Lerneffekte aus der Krise in Grenzen halten. Zwar ist das Finanzsystem durch deutlich verbesserte Eigenkapitalausstattungen des Bankensektors heute wesentlich robuster aufgestellt, die globalen Schuldenstände und die zum Teil zu beobachtenden nationalistischen und protektionistischen Bestrebungen einiger Länder geben jedoch Anlass zur Sorge“, so Roemheld.

Stellte man sich heute die Frage, ob sich ein Lehman-Szenario wiederholen könnte, wären Roemheld zufolge zwei zentrale Fragen zu beleuchten: Würden die globalen Institutionen mit den heutigen Kenntnissen in gleicher Weise wieder handeln? Welche Szenarien würden heute eine solche globale Vertrauenskrise herbeiführen?

„Zum ersten Punkt dürfte aktuell kaum ein Zweifel daran bestehen, dass man sich bei einer Lehman-2.0.-Krise heute anders entscheiden würde. Die Folgen der Lehman-Insolvenz und die nicht vorherzusehenden Dominoeffekte auf zahlreiche andere wichtige Institute im Nachgang würden vermieden“, so Roemheld.

Bei Punkt zwei käme als möglicher Auslöser unmittelbar ein erneutes Aufflammen der Euro-Krise in den Sinn, da sich einzelne Nationen in vielen politischen und wirtschaftlichen Fragen selbst näher seien als der Gemeinschaft. Der schwerfällige Umgang mit der Flüchtlingskrise in Europa und die Diskussionen um die Zukunft des Euro ließen darüber hinaus Zweifel an der Bereitschaft aufkommen, gemeinsame Lösungen zu finden. Es gebe jedoch auch Gegenbeispiele: Die Rettung Griechenlands sei ohne Frage für Investoren schmerzhaft und teuer, aber zumindest in dem Punkt effektiv, dass eine deutlich größere Krise vermieden worden sei, heißt es weiter.

„Die Rettung einzelner Unternehmen sowie die Bereitstellung von Hilfspaketen für in Schieflage gekommene Euro-Länder birgt immer Gefahren des sogenannten „moral hazard“. Das heißt, es fehlt der Wille der Betroffenen, festgelegte Regeln einzuhalten, da die Gemeinschaft keine Eskalation der Situation riskiert und ohnehin für eine Lösung einsteht. Gerade dieser Aspekt ist vielen Steuerzahlern nicht zu vermitteln, obwohl die Kosten einer Pleite viel teurer wären als die Rettung eines Einzelnen“, so Roemheld.

Anlegern bleibe zehn Jahre nach Lehman nur die Erkenntnis, dass sie sich noch intensiver mit ihrer Geldanlage auseinandersetzen müssten. Die Märkte würden wieder Krisen erleben – einzig der Zeitpunkt sei unklar. Um gewappnet zu sein, helfe es, sich stärker mit den Finanzmärkten und ihren Risiken auseinanderzusetzen und sein Portfolio entsprechend darauf auszurichten, heißt es weiter.

„Dabei hilft eine langfristig ausgerichtete Anlagestrategie, die insbesondere auf die fundamentalen Perspektiven der Unternehmen abstellt. Der bloße Herdentrieb hinein in die aktuell erfolgreichsten Produkte in den Rennlisten, bei denen Anleger oftmals gar nicht wissen, in welchen Märkten oder Branchen sie investiert sind, kann ein böses Erwachen nach sich ziehen“, so Roemheld.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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