Xstrata, Anglo American & der lachende Dritte
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München (BoerseGo.de) - Nachdem die Übernahme von Rio Tinto durch den weltweit größten Bergbaukonzern BHP Billiton abgeblasen wurde, sehen nun andere die Zeit zum Handeln gekommen. Der Chef des Schweizer Minenriesen Xstrata, Mick Davis, greift nach Anglo American. Ein „Zusammenschluss unter Gleichen“ sei angestrebt, lässt die PR-Abteilung von Xstrata verlauten. Auf Basis der Zahlen des vergangenen Jahres hätte ein solches Unternehmen eine Umsatz von 54 Milliarden Dollar. Damit läge der neue Riese nur noch knapp hinter BHP, die im Vergleichszeitraum 63,7 Milliarden Dollar umsetzten.
Obwohl offiziell Kostenersparnisse durch Synergien als Argument für einen Zusammenschluss angeführt werden, geht es in Wahrheit wohl vor allem um Macht und Zugriff auf Lagerstätten. Die unter Kontrolle von Anglo American stehenden Vorkommen werden als hochwertig eingeschätzt, was jedoch nur bedingt im Kurs eingepreist ist. Auch wenn die Assets von Xstrata wohl nicht diese Qualität erreichen, ist die Aktie im vergangenen Jahr relativ betrachtet besser gelaufen. Dadurch haben sich die Bewertungen der beiden Unternehmen deutlich angenähert. Der Börsenwert von Xstrata beläuft sich auf etwa 31,3Milliarden Dollar, Anglo American wird mit 35,3 Milliarden Dollar bewertet. Diese Entwicklung betrachtet Davis offenbar als günstige Gelegenheit, um die eigene Produktionsbasis zu stärken. Bereits seit dem Börsengang im Jahr 2002 fährt das Unternehmen einen aggressiven Expansionskurs. Insgesamt wurden Lagerstätten, Minen und Beteiligungen für mehr als 27 Milliarden Dollar erworben. Verlieren kann er bei dem Spiel kaum: Selbst wenn Anglo American das Angebot hinreichend entrüstet zurückgewiesen hat, ist der Fusionsreigen nun wieder eröffnet. Das wird sich in den Bewertungen der Minenunternehmen niederschlagen.
Im vergangenen Jahr war Xstrata selbst Ziel eines Übernahmeversuchs. Der weltweit größte Eisenerzexporteuer Vale de Rio Doce aus Brasilien hatte großes Interesse an einem Erwerb bekundet. Allerdings scheiterten die Gespräche im April 2008 an den unterschiedlichen Vorstellungen von Vale und dem größtem Xstrata-Aktionär Glencore. Das integrierte Rohstoffhandelsunternehmen mit Sitz im Steuerparadies Zug ist mit geschätzten 152 Milliarden Dollar das umsatzstärkste Unternehmen der Schweiz. Der weltweit größte Konzern in Privatbesitz hält knapp 35 Prozent der Anteile an Xstrata. Die Verwaltungsräte beider Konzerne werden von dem deutschen Willi Strothotte kontrolliert. Über Antrieb und Motive von Glencore kann häufig nur spekuliert werden. Die Vorgehensweise des Unternehmens ist äußerst diskret, Presseanfragen werden scheinbar grundsätzlich nicht beantwortet. Nicht nur Bürgerrechtsorganisationen ist diese Intransparenz ein Dorn im Auge, auch den Ratingagenturen scheint das Unternehmen unheimlich zu werden. Nachdem die Rohstoffpreise im vergangenen Jahr auf breiter Front abstürzten, reagierte Standard&Poors (S&P) drastisch: Das Rating für Glencore wurde auf die niedrigst mögliche Stufe herabgesetzt. In der Folge explodierten die Kosten, um sich gegen einen Ausfall von Verbindlichkeiten des Unternehmens abzusichern. Allerdings kehrte die Zuversicht im laufenden Jahr schnell wieder, die Risikoprämien schrumpften innerhalb kurzer Zeit wieder beinahe vollständig ab.
Ein Zusammenschluss von AngloAmerican und Xstrata würde die Position von Glencore als führendes Rohstoffhandelsunternehmen der Erde klar verstärken. Dem Vernehmen nach scheiterte Vale bei Xstrata nicht wegen des angebotenen Preises von etwa 77 Milliarden Dollar, sondern weil die Brasilianer Verträge nicht verlängern wollten, die Glencore das Verkaufsrecht eines Teils der von Xstrata geförderten Rohstoff zusicherten. Glencore hat ein handfestes Interesse an einer möglichst weitgehenden Kontrolle des Rohstoffangebots. Die damit verbundene Marktmacht kann es dem Konzern ermöglichen, die Preise wenn nicht zu steuern, so doch erheblich zu beeinflussen. Dabei wird es zunehmend wichtiger, tatsächlich Zugriff auf das physische Angebot zu haben. Durch die gegenwärtige Regulierungsdebatte auf dem Finanzmarkt und die Neuordnung der US-Börsenaufsicht werden Geschäfte nur auf dem Papier zukünftig erschwert werden. Das ist schlecht für die Konkurrenz, aber zweitrangig für Glencore. Schließlich handelt man kein Papier, sondern kontrolliert tatsächlich die Warenflüsse.
An und für sich betrachtet erscheint die Gelegenheit für Xstrata ohnehin günstig. An der Börse werden beide Fusionskandidaten zusammen derzeit niedriger bewertet, als Vale vor nur einem Jahr alleine für Xstrata zu zahlen bereit gewesen war. Unklar bleibt derzeit noch, wie ein solches Geschäft eigentlich finanziert werden könnte. Freiwillig will Anglo American sich schließlich nicht zusammenschließen, man müsste den Aktionären ein konkretes Angebot vorlegen. Ohne die tiefen Taschen von Glencore wäre eine Finanzierung wohl ohnehin nicht zu stemmen. Obwohl die Bedingungen auf den Kreditmärkten sich deutlich verbessert haben, üben die Banken weiterhin Zurückhaltung. Bereits im vergangenen Jahr hatte Xstrata größere Probleme mit der angelaufenen Schuldenlast, die unter einigen Mühen über eine Kapitalerhöhung reduziert werden konnte.
Um seinen Anteil nicht zu verwässern, musste auch Glencore dabei notgedrungen mitziehen. Dazu wurden neue Anleihen ausgegeben, die der Markt glücklicherweise gnädig zu akzeptablen Konditionen aufnahm. Etwas 14,4 Milliarden Dollar Schulden sollen derzeit bei Glencore ausstehen. Das diese Möglichkeit der Kapitalaufnahme nicht auf ewig eine Selbstverständlichkeit darstellt, ist spätestens seit den Turbulenzen Ende des vergangenen Jahres klar geworden. Seitdem scheint man fieberhaft darüber nachzudenken, wie das Vertrauen des Kapitalmarktes wieder hergestellt werden könne. Eine schwierige Aufgabe, vor allem wenn man wie Glencore keine Zahlen veröffentlicht. Bisher hat es scheinbar genügt, untestierte Zahlen „durchsickern“ zu lassen. Auch die Beziehungen zu den Banken scheinen im allgemeinen recht positiv zu sein. Das sich alleine mit solchen kosmetischen Maßnahmen jedoch kein wirklich großer Wurf finanzieren lässt ist klar. Da verwundert es wenig, dass derzeit nach Medienberichten wieder einmal die Möglichkeiten eines Börsengangs ausgelotet werden.
In drei bis fünf Jahren könne es soweit sein, werden Banker in der „Financial Times“ zitiert. Andere halten dagegen auch einen früheren Termin für möglich. Typisch sei eine Bewertung in Höhe des 8 bis 10fachen EBITDA, lassen Analysten wissen. Gegenwärtig wären das etwa 65 Milliarden Dollar, ungefähr so viel wie Rio Tinto aktuell wert ist. Und immer noch mehr, als Xstrata und AngloAmerican zusammen wert sind. Auch wenn sich gegenwärtig keine guten Preise für ein IPO erzielen lassen, ist also klar warum Glencore dringend nach Geld sucht: So günstig wie jetzt lassen sich Bergbaukonzerne wohl auf absehbare Zeit nicht mehr übernehmen. Neben Bargeld sind auch Aktien eine eine gut Akquisewährung. Passend dazu kommen Spekulationen auf, wonach auch Vale sich wieder in den Konzentrationsprozess der Branche einschalten könnte. Teile einer möglichen Dreieinigkeit aus Xstrata, Anglo American und Glencore würden sich sicher an die Brasilianer veräußern lassen. Oder aber Vale übernimmt letztendlich doch Xstrata, selbstverständlich zu einem angemessenen Preis. Sollte Glencore tatsächlich größere Liquiditätsschwierigkeiten haben als angenommen, wäre das eine gute Lösung. Da den letzten bekanntermaßen die Hunde beißen, wären in einem solchen Fall weiterreichende Zugeständnisse von Vale bei der Vermarktung der Rohstoffe durch Glencore zu erwarten.
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