Woher kommt der Optimismus des ifo Geschäftsklimaindex?
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Überraschend verbessert sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft erneut: Trotz der Bankenturbulenzen steigt der ifo Geschäftsklimaindex im März den fünften Monat in Folge. Doch wie ungetrübt sind die Erholungsaussichten wirklich?
Relativ ist nicht absolut
Die Stabilisierung der ifo Geschäftsklimazahlen zeigt, dass sich die deutsche Wirtschaft regeneriert. Ohne Zweifel erfreulich ist die mittlerweile sechste Verbesserung der ifo Geschäftserwartungen in Folge. Jedoch erfolgt sie von äußerst geringem Niveau aus. Historisch betrachtet liegen die Erwartungen nur auf einem Stand, der z.B. zur Hochzeit der Eurokrise oder dem Handelskrieg zu beobachten war. Ungetrübte Zuversicht versprühen die ifo Zahlen nicht. Immerhin ist eine deutliche Wirtschaftsschrumpfung nicht zu erwarten.
Grafik der Woche
Die Erwartungen auf Branchenebene zeigen ein geteiltes Bild.
Im Dienstleistungssektor - vor allem bei Hotels und Gaststätten - verbessern drastisch gesunkene Energiepreise auch bei Öl die Stimmung über die Verbraucherseite. Mit höherem Grad an Materialverfügbarkeit nach Wiederöffnung Chinas kann die Industrie die liegen gebliebenen Aufträge abarbeiten. Die Neuaufträge lassen allerdings noch zu wünschen übrig.
Dazu passt, dass der Auslandsnachfrage gemäß ifo Exporterwartungen noch der Schwung fehlt. Immerhin ist der chinesische Tiger erwacht und wird importseitig zunehmend munter.
Trotz weiter im Trend aufgehellter Konjunkturerwartungen zeigt sich die deutsche Binnenwirtschaft weiter in Moll. Die Baubranche kommt wegen hoher Kosten und gestiegener Kreditzinsen auch nicht weiter auf die Beine.
Und der Handel spürt den Kaufkraftverlust der Verbraucher nach wie vor. Das GfK Konsumklima und der Subindex der Anschaffungsneigung konnten noch nicht einmal ihre Tiefpunkte aus der Corona-Zeit zurückerobern.
Gesamtwirtschaftlich fällt der Abschwung laut ifo Konjunkturmatrix - Lage und Erwartungen in Beziehung gesetzt - eher mild aus. Für Frühlingserwachen ist es aber noch zu früh.
Wie stark bremst die EZB die Konjunktur aus?
Gegen eine Wirtschaftserholung 2023 mit „Schmackes“ spricht ebenso die vergleichsweise aggressiv restriktive Geldpolitik der EZB seit Juli 2022, die sich mit einer Zeitverzögerung von rund 12 Monaten bremsend durch die Konjunktur frisst. Die insofern schmerzhaften Anstiege der Kreditzinsen für Unternehmen und Private sind Stimmungskiller.
Tatsächlich verzeichnen Banken in der Eurozone bereits ein rückläufiges Kreditwachstum. Ohnehin droht, dass sich die Turbulenzen auf dem Bankensektor in einer Verschärfung der Kreditvergabestandards niederschlagen, so wie es EZB-Vizechef de Guindos erwartet. Ein auch nur leichter „Credit Crunch“ würde vor allem den Mittelstand treffen.
Diese Einschätzung kommt offenbar auch in der aktuellen Wiederaufnahme der Underperformance von MDAX und SDAX gegenüber dem deutschen Leitindex DAX zum Ausdruck.
Ist zukünftig eine weniger scharfe Zinspolitik der EZB zu erwarten? Zwar gibt die allgemeine Inflation durchaus nennenswert nach wie die letzten Daten aus Deutschland zeigen. Doch hält sich die Kernrate im Euroraum, die um Energie- und Rohstoffpreise bereinigt ist, hartnäckig auf Rekordniveau. Und betrachtet man die aktuellen Tarifauseinandersetzungen, ist eine markante Abschwächung nicht in Sicht. Denn nicht zuletzt wird Vater Staat höhere Gehälter an seine Bürger in Form von z.B. steigenden Gebühren und Abgaben natürlich und ohne Hemmungen weitergeben.
Und dennoch wird die EZB mit Blick auf konjunkturelle und Strukturkrisen nur noch zwei Zinserhöhungen zu 25 Basispunkten vornehmen. Im Vergleich zur Euro-Stabilität ist Preisstabilität ein Stiefkind.
Marktlage - Trotz Krisen mehr als eine stabile Seitenlage
Grundsätzlich sorgen die abnehmenden US-Zinsängste für Stabilität an den Aktienbörsen. Nach massivem Einbruch der Wertpapierkredite an der New York Stock Exchange zeichnet sich momentan eine Bodenbildung ab.
Fundamental sind strahlende Wachstumsdaten zwar nur deflationär vorhanden. Doch gewinnen die positiven Konjunkturüberraschungen gegenüber -„unterraschungen“ mittlerweile aktien-freundlich die Oberhand.
Insgesamt haben die Aktienmärkte ihre Zwischentiefs hinter sich gelassen. Angesicht der Vielzahl an schwelenden Krisen hält die Nervosität jedoch an, so dass vor der Osterzeit mit handelsfreien Tagen große Engagement wohl vermieden werden.
Ohnehin erwartet Zacks Investment Research für die anstehende Berichtssaison für das I. Quartal 2023 eine Gewinnschrumpfung im hohen einstelligen Bereich. Damit ist jedoch der Tiefpunkt erreicht. Bei den Ausblicken arbeiten sich die Gewinne in der zweiten Jahreshälfte 2023 zunehmend in den Wachstumsbereich vor. Und Börse bezahlt Zukunft.
Die Schwellenländer Asiens mit ihrem Zentralgestirn China bleiben zunächst Underperformer. Für Aufheller sorgt jedoch der Aufspaltungsplan von Alibaba in sechs einzelne Geschäftsbereiche. Mit diesem Schritt kommt übrigens auch ein wieder etwas marktfreundlicherer Umgang der KP mit Tech-Konzernen zum Ausdruck. In dieses Bild passt auch die öffentlichkeitswirksame Rückkehr von Tech-Guru Jack Ma nach China.
Die Schwellenländer Lateinamerikas können zunehmend von ihrer Rolle als Rohstoff-Versorger profitieren. Insgesamt bleiben Aktien der Industrieländer aber erste Wahl.
Auf Branchenseite zeigen sich vor allem konjunktursensitive Titel mit nach wie vor attraktiven Bewertungen aus den Bereichen Automobil und Industrie stabil. Auch kapseln sie sich von den Bankenturbulenzen und den damit einhergehenden massiven Kurseintrübungen weitestgehend ab. Doch auch deren günstigere Bewertungen nutzen risikofreudige Anleger für vorsichtige Zukäufe. Man vertraut darauf, dass ernste Schieflagen im Bankensektor verhindert werden: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Die Geschäftsmodelle im High-Tech-Sektor - Digitalisierung, Industrieautomatisierung, künstliche Intelligenz, Quantenkommunikation und -informatik bleiben ohnehin nachhaltige Gewinnquellen. Auch die chinesische „Versöhnung“ mit IT kommt der Branche zugute. Tatsächlich haben Growth- ihre Outperformance gegenüber Value-Titeln wiederaufgenommen. Die weniger scharfe Zinsdebatte hilft.
Im aktuellen Hochinflations-Umfeld kommt aber ebenso Dividendentiteln ihre Werterhaltungsfunktion zugute. Tatsächlich erhöhen 27 DAX-Unternehmen ihre Dividende teilweise so kräftig, dass einzelne DAX-Titel Dividendenrenditen von gut acht Prozent aufweisen.
Losgelöst von den Problemen einzelner Kryptounternehmen und dem zunehmenden Regulierungsdruck wie zuletzt bei der Kryptobörse Coinbase präsentieren sich Kryptoanlagen aktuell in stabiler Verfassung. Sie scheinen die Vertrauenskrise gut wegzustecken, was die Kurs-Rallye z.B. beim Bitcoin seit Jahresbeginn zeigt. Jedoch ist damit noch nicht einmal die Hälfte der Kursverluste des vergangenen Jahres wettgemacht. Auch aufgrund ihrer schwierigen Einschätzbarkeit bleiben Kryptos insgesamt Spekulationsobjekte. Im Gegensatz dazu präsentiert sich Gold seit Jahresbeginn als braver, sicherer und stabiler Hafen.
Sentiment und Charttechnik DAX - Nach unten gut abgesichert
Aus Sentimentsicht unterstreicht die anhaltend niedrige Aktienquote unter US-Fondsmanagern den hartnäckigen Pessimismus. Beim Blick auf die Aktienindices ist von Panik jedoch nicht mehr viel zu spüren. Die, die verkaufen wollten, haben bereits verkauft. Und der Fear & Greed Index von CNN Money, der sich im Bereich der Angst aufhält, leistet als Kontraindikator weitere Unterstützung.
Dafür spricht auch die hohe Put-Absicherung der institutionellen Anleger in der Eurozone.
Charttechnisch liegen beim DAX auf dem Weg nach oben die nächsten Widerstände bei 15.660 und 16.255 Punkten. Darüber folgen Barrieren bei 16.290 und 16.530. Im Falle einer Gegenbewegung nach unten liegen erste Haltelinien bei 15.361, 15.342, 15.329 und schließlich 15.275 Punkten.
Disclaimer beachten!
Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG
Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:
http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/
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