Kommentar
07:58 Uhr, 23.01.2021

Wirtschaftsausblick: Zwischen Überhitzung und historisch zäher Erholung ist alles möglich

Zuletzt überraschten viele Wirtschaftsdaten positiv. Immer mehr Analysten gehen insgeheim von einer sehr schnellen Erholung, sogar Überhitzung der Wirtschaft aus.

Ich habe mich noch nicht endgültig entschieden, auf welche Seite ich mich schlage. Derzeit gibt es vor allem zwei Lager, wenn es um den Wirtschaftsausblick geht. Die einen befürchten, dass die Wirtschaft noch sehr lange staatliche Unterstützung brauchen wird. Die anderen sehen ab Sommer einen enormen Wachstumsschub, der sogar zur Überhitzung führen kann.

Beide Varianten sind für Anleger problematisch. Wieso eine schleppende Erholung schwierig ist, ist klar. Unternehmensgewinne wachsen nur langsam und können die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Eine Korrektur wäre angebracht.

Auch bei einer Überhitzung kann man sich nicht freuen. Es kommt zur Inflation. Preissteigerungen können nicht von allen Unternehmen erfolgreich weitergegeben werden. Die Margen sinken. Zudem ruft eine Überhitzung die Notenbank auf den Plan. Ein Ende von QE und Zinserhöhungen drohen früher zu kommen als erwartet.

Im Idealfall gelingt der Mittelweg. Danach sieht es momentan nicht aus. Eines der beiden Extreme ist wahrscheinlicher. Für eine Überhitzung sprechen die zuletzt veröffentlichten Daten. In den USA (Grafik 1), aber auch in Deutschland war zum Jahresende eine interessante Tendenz zu erkennen. Der Arbeitsmarkt war relativ stabil.


In den USA wurden Stellen abgebaut. Das lag allerdings vor allem am Gastgewerbe, das von der neuen Infektionswelle besonders betroffen ist. In anderen Wirtschaftszweigen war weiterhin Wachstum zu verzeichnen und Jobs wurden geschaffen. Damit scheint die Pandemie nun nur noch einen kleinen Teil der Wirtschaft zu beeinträchtigen.

Im Gastgewerbe arbeiten viele Menschen. Der Beitrag zur Wirtschaftsleistung ist allerdings im Vergleich überschaubar. Besser ist es natürlich, wenn alle Sektoren wachsen, doch wenn die Pandemie nun an den meisten Sektoren vorbeigeht, ist das das zweitbeste Ergebnis. Vom Spezialfall des Gastgewerbes und des Tourismus inkl. Airlines abgesehen, scheint die Wirtschaft weiterhin zu wachsen, Lockdown hin oder her. Ist die Bevölkerung erst geimpft, kann die Wirtschaftsleistung raketenhaft zulegen.

Es gibt freilich auch andere Perspektiven. Berücksichtigt man die vielen Fehlerquellen in den Daten, kommt man zu einer anderen Schlussfolgerung. Die Anzahl an Arbeitslosen wird aufgrund von Erhebungsmängeln vermutlich unterschätzt und viele Menschen haben sich vorerst aus dem Arbeitsleben verabschiedet. Sie sind nicht nur arbeitslos, sie suchen auch nicht nach Arbeit. Sie haben die Hoffnung bereits aufgegeben.

In diesem Fall sieht die Erholung der Beschäftigung (Grafik 2) ganz anders aus. Aus der V-förmigen Erholung wird ein zaghafter Aufschwung, der schon wieder zu versiegen droht. Da braucht die Wirtschaft noch deutlichen Anschub, um einer langen Stagnation zu entgehen.


Es ist zu früh, um aufgrund der Datenlage einen klaren Favoriten zu benennen. Die Politik versucht mit aller Macht dieses zweite Szenario (Aufschwung kommt nicht) zu verhindern. Genau dadurch provoziert sie eine Überhitzung, wenn alles gut läuft. Derzeit sind beide Szenarien absolut vorstellbar.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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