Wirtschaftliche Freiheit: Deutschland nur Mittelmaß!
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Als wirtschaftliche Freiheit bezeichnet man die Möglichkeit von Menschen und Unternehmen, selbst darüber entscheiden zu können, wie sie produzieren, konsumieren und investieren wollen. Ein unabdingbarer Bestandteil der wirtschaftlichen Freiheit ist, dass Bürger und Unternehmen über die Früchte ihrer Arbeit größtenteils selbst verfügen können und nicht durch eine hohe Steuer- oder Abgabenlast von Vater Staat "beraubt" werden.
Während die wirtschaftliche Freiheit rund um den Erdball in den vergangenen Jahren insgesamt leicht zugenommen hat, war sie 2019 zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder rückläufig. Das zeigt der 2019 Index of Economic Freedom der in den USA ansässigen Heritage Foundation. Der Index bewertet den Grad der wirtschaftlichen Freiheit, nicht nur global, sondern auch für (fast alle) Länder auf der Welt individuell.
Zu den weltweit wirtschaftlich freiesten Ländern gehören dabei weder die USA noch Deutschland. Beide Länder landen im Index der wirtschaftlichen Freiheit nur im oberen Mittelfeld und werden als "größtenteils frei" eingestuft.
Insgesamt sechs Länder werden mit Bezug auf die wirtschaftliche Freiheit als "frei" eingestuft. Spitzenreiter ist ausgerechnet die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong, die jüngst durch Berichte über die Proteste gegen ein geplantes Gesetz, das Auslieferungen auf das chinesische Festland ermöglichen sollte, in den Medien sehr präsent war. Nach den Protesten wurde das Gesetz offenbar ad acta gelegt. Unter dem Motto "Ein Land, zwei Systeme" genießt Hongkong (noch) einen sehr hohen Grad der Autonomie, was sich auch auf die wirtschaftliche Freiheit der ehemaligen britischen Kronkolobie auswirkt. Hongkong punktet unter anderem durch eine vergleichsweise geringe Steuerlast und einen sehr nachhaltigen (da kleinen) Staatshaushalt. Inwieweit diese Freiheiten auch in den kommenden Jahren unter dem wachsenden Einfluss Pekings erhalten bleiben, muss abgewartet werden.
Weltweit auf Platz zwei im Index der wirtschaftlichen Freiheit landet der südostasiatische Stadtstaat Singapur. Auch Singapur hat als ehemalige britische Kolonie die Tradition der Wirtschaftsliberalität gewissermaßen aus dem Mutterland des Kapitalismus geerbt und beibehalten. Sehr gut schneidet Singapur unter anderem beim Schutz von Eigentumsrechten ab, landet aber, wie Hongkong, auch bei allen anderen Subindikatoren im oberen Bereich.
Auf Rang drei der Liste der wirtschaftlich freiesten Länder landet Neuseeland. Eine sehr geringe Korruption und ein sehr guter Schutz von Eigentumsrechten sowie große Freiheiten der Unternehmen machen auch den kleinen Staat am anderen Ende der Welt zu einem der wirtschaftlich freiesten auf der Welt.
Ebenfalls als wirtschaftlich "frei" werden von der Heritage Foundation die Schweiz (Rang vier), Australien (Rang fünf) und Irland (Rang sechs) eingestuft. Im Vergleich mit Deutschland können die Schweiz und Irland auch durch eine vergleichsweise geringe Steuerlast punkten, obwohl sie hier im weltweiten Vergleich nicht einmal zu den stärksten Ländern zählen. Vielmehr punkten beide Länder insbesondere durch ihre hohe Rechtssicherheit und den guten Schutz von Eigentumsrechten.
Großbritannien landet im Index der wirtschaftlichen Freiheit auf Rang sieben und ist damit das erste Land in der Liste, das von der Heritage Foundation nicht mehr als wirtschaftlich "frei", sondern nur als "größtenteils frei" eingestuft wird. Die USA landen auf Rang 12, Deutschland auf Rang 24. Deutschland punktet in allen Subindikatoren mit guten bis sehr guten Werten, erreicht allerdings im Bereich der Staatsausgaben, der Steuerlast und der Arbeitsfreiheit nur mittelmäßige Werte. In den USA belastet vor allem der unsolide Staatshaushalt die ansonsten positive Bewertung. Die hohe Schuldenlast wird nämlich früher oder später auch zu einer hohen Steuerlast führen.
Überraschend schlecht schneiden andere große Volkswirtschaften in Europa ab: Spanien landet nur auf Rang 57 (und damit mehrere Ränge hinter dem Kosovo und Albanien), Frankreich nur auf Rang 71 (hinter Serbien und den Philippinen) und Italien nur auf Rang 80 (hinter der Elfenbeinküste und Kirgistan). Frankreich, Italien und Spanien werden damit als "moderat frei" eingestuft. Noch schlechter bestellt ist es um Griechenland, das sogar als "größtenteils unfrei" eingestuft wird und nur auf Rang 106 (und damit mehrere Ränge hinter Uganda und Papua-Neuguinea) landet. Führt man sich vor Augen, dass Deutschland mit Ländern wie Frankreich, Italien, Spanien und Griechenland einen gemeinsamen Binnenmarkt und eine Währungsunion bildet, muss man den hohen Grad an wirtschaftlicher Unfreiheit in diesen Ländern sicher als besorgniserregend betrachten.
Absolutes Schlusslicht im Bereich der wirtschaftlichen Freiheit (wie wohl auch im Bereich sonstiger Freiheiten) ist Nordkorea, das nur 5,9 von 100 möglichen Punkten erreicht und damit auch hinter Kuba und Venezuela landet.
Die folgende Tabelle zeigt die Spitzenreiter und Schlusslichter im Index der wirtschaftlichen Freiheit sowie weitere ausgewählte Länder.
Rang | Land (Region) | Einstufung | Punktezahl |
1 | Hongkong | frei | 90,2 |
2 | Singapur | frei | 89,4 |
3 | Neuseeland | frei | 84,4 |
4 | Schweiz | frei | 81,9 |
5 | Australien | frei | 80,9 |
6 | Irland | frei | 80,5 |
7 | Großbritannien | größtenteils frei | 78,9 |
8 | Kanada | größtenteils frei | 77,7 |
9 | Vereinigte Arabische Emirate | größtenteils frei | 77,6 |
10 | Taiwan | größtenteils frei | 77,3 |
12 | USA | größtenteils frei | 76,8 |
13 | Niederlande | größtenteils frei | 76,8 |
14 | Dänemark | größtenteils frei | 76,7 |
24 | Deutschland | größtenteils frei | 73,5 |
29 | Südkorea | größtenteils frei | 72,3 |
30 | Japan | größtenteils frei | 72,1 |
31 | Österreich | größtenteils frei | 72,0 |
57 | Spanien | moderat frei | 65,7 |
62 | Portugal | moderat frei | 65,3 |
68 | Türkei | moderat frei | 64,6 |
71 | Frankreich | moderat frei | 63,8 |
80 | Italien | moderat frei | 62,2 |
91 | Saudi-Arabien | moderat frei | 60,7 |
98 | Russland | größtenteils unfrei | 58,9 |
100 | China | größtenteils unfrei | 58,4 |
102 | Südafrika | größtenteils unfrei | 58,3 |
106 | Griechenland | größtenteils unfrei | 57,7 |
129 | Indien | größtenteils unfrei | 55,2 |
150 | Brasilien | größtenteils unfrei | 51,9 |
155 | Iran | größtenteils unfrei | 51,1 |
178 | Kuba | unterdrückt | 27,8 |
179 | Venezuela | unterdrückt | 25,9 |
180 | Nordkorea | unterdrückt | 5,9 |
Die komplette Rangliste kann, zusammen mit verschiedenen interaktiven Tools, auf der Website der Heritage Foundation betrachtet werden.
“Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion. Wie der Wilde mit der Natur ringen muss, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muss es der Zivilisierte, und er muss es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen. Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnotwendigkeit, weil die Bedürfnisse sich erweitern; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehen, dass der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehen. Aber es bleibt dies immer in Reich der Notwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühen kann. Die Verkürzung des Arbeitstages ist die Grundbedingung.”
Karl Marx, Das Kapital Bd. III, Berlin 1986, S. 828, Hervorhebung von mir
Wirtschaftliche Freiheit für wen? Wo ist der Maßstab? Eröffnung einer Imbißbude oder Lobbyistenfreundlichkeit oder irgendwo etwas dazwischen. Mein Bauch rebelliert jedenfalls bei dieser Liste.
Fazit: Wenn Politik und Medien hier zu Lande nicht allmählich zur Vernunft kommen, bieten sich freiheitlich-westlich gesinnten Zeitgenossen die Auswanderungsziele Neuseeland, Schweiz, Australien und Irland an. Hinzu könnte noch das nicht in der Liste aufgeführte Norwegen kommen.
WiIl man in Europa bleiben und berücksichtigt die Tatsache, dass die Schweiz wegen des enormen Gewichts des dortigen Finanzsektors als Auswanderungsziel in Zeiten einer globalen Papiergeldkrise ausscheidet, bleiben nur Norwegen und Irland...
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