Kommentar
15:43 Uhr, 28.07.2022

Wirtschaft in technischer Rezession, Notenbank strafft Geldpolitik: Kann das wirklich gut gehen?

Die USA befinden sich bereits in einer technischen Rezession, während die US-Notenbank Federal Reserve die geldpolitischen Zügel weiter drastisch anzieht. Ist die Katastrophe vorprogrammiert?

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Noch gestern Abend sagte Fed-Chef Jerome Powell auf der Pressekonferenz zum Zinsentscheid, dass er nicht glaube, dass sich die US-Wirtschaft in einer Rezession befindet. Da Beginn und Ende von Rezessionen in den USA vom National Bureau of Economic Research (NBER) erst mit erheblicher Verzögerung definiert werden, dürfte Powell so schnell nicht widerlegt werden.

Doch zumindest eine "technische Rezession" in der noch größten Volkswirtschaft der Welt ist nun gegeben. Das (reale, also inflationsbereinigte) US-Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im zweiten Quartal mit einer annualisierten Rate von 0,9 %, wie am Freitag mitgeteilt wurde. Im ersten Quartal war die Wirtschaftsleistung bereits um annualisiert 1,6 % gesunken. Schrumpft die Wirtschaft zwei Quartale in Folge, sprechen Volkswirte von einer technischen Rezession. In den USA ist dieses Kriterium damit erfüllt.

Jetzt passiert das, was Kritiker seit langer Zeit befürchtet hatten: Weil die US-Notenbank Fed spät auf die hohe Inflation reagiert hat, muss sie ihre Geldpolitik ausgerechnet in eine wirtschaftliche Schwächephase hinein straffen. Neben rasanten Zinserhöhungen besteht die geldpolitische Straffung auch aus einem Abbau der Bilanzsumme, der ebenfalls viel schneller erfolgt als in der Vergangenheit. Ob angesichts des Zusammentreffens von geldpolitischer Straffung und schwächelnder Wirtschaft wirklich eine ökonomische Katastrophe droht, wird sich zeigen.

Für die Finanzmärkte könnte die schwache Wirtschaftsentwicklung aber sogar eher positiv sein: Die schwächelnde Konjunktur macht es wahrscheinlicher, dass die Notenbank es bei ihrem Anziehen der geldpolitischen Zügel nicht übertreiben wird. Der Grundsatz "Good news is bad news" bzw. "Bad news is good news" dürfte jetzt wieder gelten.

Die Aussagen von Fed-Chef Jerome Powell vom gestrigen Abend legen nahe, dass die Notenbank beim nächsten Zinsentscheid im September zwar den Leitzins noch einmal um 75 Basispunkte oder sogar stärker anheben könnte, falls die Inflation bis dahin keine klare Abwärtstendenz zeigt. Anschließend aber könnte die Fed das Tempo ihrer Zinserhöhungen reduzieren und erst einmal begutachten, wie sich diese auf die Wirtschaft auswirken.

Sollte die Wirtschaft jetzt wirklich in eine anhaltende Schwächephase eingetreten sein, wird die US-Notenbank früher oder später umsteuern müssen. Angesichts der hohen Inflation dürfte die Notenbank zwar weiter grundsätzlich am Ziel einer strafferen Geldpolitik festhalten, könnte das Tempo (sowohl der Zinserhöhungen als auch möglicherweise des Bilanzabbaus) aber deutlich reduzieren.

Die Finanzmärkte preisen derzeit ein, dass die Notenbank den Leitzins im September nur um einen halben Prozentpunkt und bis Jahresende noch einmal um einen halben Prozentpunkt nach oben schrauben wird, sodass sich der Leitzins dann Ende des Jahres in einer Spanne von 3,25 bis 3,50 % befinden dürfte. Ab März 2023 könnten die Zinsen dann schon wieder sinken. Dies jedenfalls preisen die Zinsfutures derzeit ein, wie das CME FedWatch Tool zeigt.

Für die Aktienmärkte wäre es wohl eine sehr gute Nachricht, wenn die Fed ihre geldpolitische Straffung verlangsamt oder es gar zu einer Umkehr kommt. Schon die gestrigen kräftigen Kursgewinne dürften auf diese Hoffnung zurückzuführen sein.

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Oliver Baron
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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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