Kommentar
14:49 Uhr, 21.10.2022

Wird aus der Rezession eine Depression?

Manche sprechen davon, dass die kommende Rezession die schlimmste der jüngeren Geschichte werden könnte. Ist da etwas dran?

Energiepreise sind hoch, die Zinsen steigen und nicht jede Regierung kann die Wirtschaft stützen. Das ist für die Wirtschaft ein gefährliches Gemisch und lässt einige Ökonomen eine der schwersten Rezessionen überhaupt prognostizieren. Wie wahrscheinlich eine Rezession oder wirtschaftliche Depression ist, lässt sich nur erahnen.

Die Ausgangslage ist heute in einigen Aspekten ähnlich zu der Ausgangslage der letzten Hochinflationsphase der 70er Jahre. In einigen Aspekten ist die Situation jedoch vollkommen anders. Genau diese Unterschiede lassen an einen langen, tiefen und beharrlichen Abschwung glauben.

Zu allem Überfluss sind vielen Regierungen die Hände in ihrer Politik gebunden. Kaum ein Land bringt dies so gut auf den Punkt wie Großbritannien. Geplante Steuersenkungen wurden gestrichen. Nicht nur die Bevölkerung war entrüstet, auch der Finanzmarkt hielt den ursprünglichen Plan für falsch. Der Druck von Finanzmarkt und Bevölkerung hat die Pläne zunichtegemacht und am Ende zum Rücktritt der Regierungschefin geführt. Dies dürfte auch anderen Regierungen so gehen, wenn sie sich für große Konjunkturprogramme entscheiden.

Regierungen sind vom Finanzmarkt die Hände gebunden. Keiner will, dass ein Staat in der jetzigen Situation die Verschuldung in die Höhe treibt. In der kommenden Rezession ist daher mit keinen oder kleinen Konjunkturprogrammen zu rechnen. Staatlicher Konsum steigt im Normalfall während einer Rezession, um die Folgen abzumildern. Selbst in den 70er Jahren war das der Fall, wie das Beispiel Großbritannien zeigt (Grafik 1).


Ein Gegengewicht zu negativem Wachstum ist nicht zu erwarten. Dass der Finanzmarkt überhaupt so entrüstet reagierte, liegt an der Verschuldung. Diese ist nicht nur in Großbritannien sehr hoch. Nach der pandemiebedingten Neuverschuldung haben nur wenige Staaten Spielraum. In Großbritannien ist die Verschuldung heute mehr als doppelt so hoch wie in den 70er Jahren (Grafik 2).

Die Arbeitslosenrate ist im Vergleich noch niedrig. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass diese während einer Rezession nicht ansteigt, insbesondere, wenn Konjunkturprogramme fehlen. Zu guter Letzt haben Länder wie Großbritannien oder Währungsräume wie die Eurozone ein zusätzliches Problem.

Bei hoher Inflation tendierten Länder in der Vergangenheit zu schnelleren Zinswenden als die USA. Mit steigender Inflation wertete die Währung gegenüber dem Dollar auf. Heute ist es umgekehrt (Grafik 3). Abwertung lässt die Inflation weiter steigen. Inmitten einer Energiekrise sind Energieimporte teuer. Die meisten Handelsbilanzen sind inzwischen tiefrot, was weiteren Druck auf die Währung ausübt.


Der große Unterschied zu der letzten Hochinflationsphase ist der eingeschränkte fiskalische Spielraum von Regierungen. Hohe Zinsen bei sehr viel höherer Verschuldung sind schwerer zu verkraften. Der Finanzmarkt verlangt Ausgabendisziplin. Zugleich steigt die Wahrscheinlichkeit von Unfällen, wie es britische Pensionskassen erleben mussten.

Die Lage ist schwierig und das Gemisch für eine sehr schwere Rezession ist vorhanden. Deswegen muss es nicht zwangsweise zu einer Depression kommen. Es ist jedoch eine schwierige Gratwanderung.

Clemens Schmale

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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