Kommentar
10:04 Uhr, 16.11.2012

„Wir bekommen einen Loser nach dem anderen“

Celente lässt kein gutes Haar an der Politik der US-Regierung. Zugleich prangert er Barroso und Draghi an, die als Regierungspolitiker ihre Länder heruntergewirtschaftet haben und jetzt die EU retten wollen. Nach Meinung Celentes hat zudem der Kampf um Rohstoffe weltweit bereits begonnen – ein Spiel mit dem Feuer.

Mr Celente, wird nach der US-Wahl das Haushaltsdefizit gekappt?

Nein, nach aller Wahrscheinlichkeit nicht. Nehmen wir das Verteidigungsbudget, es beläuft sich auf drei Billionen US-Dollar im Jahr, ein horrender Wert. Obama hält das Verteidigungsbudget für unantastbar. Erinnern wir uns jedoch an den wohl bedeutendsten Präsidenten der USA, Dwight D. Eisenhower, Fünf-Sterne-General, Kriegsheld. Er warnte das amerikanische Volk, dass das Militär die Macht in den USA übernehmen könnte. Das waren nicht Worte eines linken Spinners, sondern die Warnungen eines Generals... Heute werden die USA in den Ruin getrieben durch die gigantischen Aufwendungen für das Militär. Und diese Ausgaben werden nicht gekürzt. Stattdessen werden Sozialprogramme – wie üblich – zusammengestrichen. Das Volk wird beschuldigt, die Probleme zu verursachen. Und das, obwohl die ganze Vielfalt der Steuerschlupflöcher weiterhin gedeiht. Das ist der Fall in den USA, aber auch in Europa. Nirgendwo wird der Haushalt dort gekürzt, wo er eigentlich gekürzt werden sollte.

Studien zufolge werden die USA zukünftig mehr Geld für die Bezahlung der Zinsen ihrer Schulden ausgeben als für den Militärhaushalt.

Das ist ausgeschlossen, vorher wird die Währung abgewertet. Die Leitzinsen sind so niedrig wie nie zuvor, es wird billiges Geld zuhauf gedruckt. Das ist inzwischen schon wie in Simbabwe und anderen notleidenden Volkswirtschaften. Die USA sind auf dem absteigenden Ast, in jeder Hinsicht. Nehmen wir den Hurrikan Sandy, ein eigentlich kleiner Hurrikan der Kategorie 1. Er hat New York verwüstet hinterlassen. Warum gibt es hier keine Flutdämme wie in anderen entwickelten Ländern? Wir haben es im Fernsehen gesehen: Wie ist es möglich, dass ein Elektrizitätskraftwerk explodieren kann? Ich habe drei Tage gebraucht, um nach Europa zu kommen. Immer wieder wurden meine Flüge gecancelt. Dabei leben wir im 21. Jahrhundert. Aber die USA halten nicht Schritt. Es wird geschätzt, dass der Wiederaufbau der Infrastruktur 13 Billionen US-Dollar kosten dürfte. Dabei haben die Vereinigten Staaten Schulden in Höhe von 16 Billionen US-Dollar.

Die USA erleben einen Schiefergas-Boom: Wird der Export von Schiefergas der US-Wirtschaft helfen?

Schiefergas wird bereits exportiert, aber der Abbau zerstört die Umwelt. Wir hatten gerade den heißesten Sommer in der Geschichte der USA – obwohl niemand in den USA von der globalen Erwärmung Notiz nehmen will – und trotz des Wassermangels wurden Abermillionen Tonnen von mit Chemikalien angereichertem Wasser in die Erde gepumpt, um das Schiefergas herauszubekommen. Alles läuft nach dem Motto: Wir werden unabhängig von Energieimporten. Und wir schaffen Arbeitsplätze. Wir werden alle umbringen mit diesen Methoden! Inzwischen gibt es Erdbeben in Ohio, wo es nie zuvor welche gegeben hat. Aber die USA werden weiterhin das Fracking praktizieren, koste es was es wolle. Die Amerikaner werden solange weitermachen, bis es sie umbringt. Obama will noch mehr Fracking-Lizenzen vergeben: Obama hat 700 Mio. Acres Land in öffentlichem Besitz für Fracking freigegeben – es soll noch viel mehr werden. Niemand spricht über die Gefahren. Wer über die Gefahren spricht, wird untergebuttert.

Sprechen wir über die Geldpolitik der Fed: Wenn Sie Präsident der USA wären, würden Sie Ben Bernanke eine zweite, bzw. um genau zu sein, eine dritte Amtszeit gewähren?

Warum hätte jemand Ben Bernanke die erste Amtszeit geben sollen? Alles, was er sagt, hat sich als falsch herausgestellt. In der Rezession behauptet er, es gebe gar keine Rezession. Im Angesicht der heraufziehenden Immobilienkrise sagte er, es hätte noch nie einen Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes gegeben. Er vertrat die Ansicht, die Subprime-Krise würde nicht in den gesamten Kreditmarkt hineinschwappen. Alles was er gesagt und getan hat, ist falsch. Diese Feststellung bezieht sich nicht nur auf Ben Bernanke, sondern auf alle und jeden. Sehen wir uns Barroso an: Er hört nicht auf allen zu sagen was sie tun sollen. Etwa: Den Zentralbanken in Europa müsste mehr Macht zugestanden werden. Warum sollte irgendjemand auf Barroso hören, den ehemaligen Ministerpräsidenten Portugals? Schauen Sie sich an, was er aus dem Land gemacht, wie er es heruntergewirtschaftet hat! Wir bekommen einen Loser nach dem anderen: Nachdem sie verhauen haben, melden sie sich und rufen: Ich habe den besseren Plan! Ich habe den größeren Plan! Und die Leute schenken ihnen Glauben. Warum sollte also irgendjemand noch Bernanke oder Draghi Vertrauen schenken? Sehen wir uns Draghi an: Wo kam er her? Wir erinnern uns: Er war der Präsident der Notenbank Italiens. Einen „brillanten“ Job hat er dort gemacht… Er ist wunderbar, seine Referenzen sind makellos. Ein ehemaliger Wirtschaftswissenschaftler aus den USA, hier wurde er ausgebildet, im Windschatten der Goldman Sachs Gangs, das gibt ihm etwas „Höhe“…. Es ist sein Verdienst, die Griechen in den Euro gebracht zu haben, obwohl sie dafür überhaupt nicht die Voraussetzungen hatten. Jeder dieser Leute war oder ist für die Politik der jeweiligen Zentralbanken und für Planungen der Regierungen verantwortlich – und sie haben sich immer wieder als Nieten herausgestellt. Doch sie werden an ihrem Tun nicht gehindert.

Merkel und Schäuble wollen eine zentrale Banküberwachung, um die Banken in den Griff zu bekommen. Glauben Sie, dass dieser Plan funktionieren wird?

Banken werden schon in den USA zentral überwacht. Was hat es gebracht? Doch nur, dass die großen Banken noch größer werden und noch mehr Macht ausüben. Cover unseres Trends Journal zeigten Jesus Christus, wie er die Spieler aus dem Tempel jagt. In unserem Fall bekamen die Geldwechsler Namen: Sie waren von Dexia, Deutsche Bank, Societé Generale, J.P. Morgan und Goldman Sachs. Stellen Sie sich vor: Das einzige Mal, dass der Friedensfürst Jesus Christus gewalttätig wird und zu einer Peitsche greift, ist die Szene im Neuen Testamtent als er die Geldwechsler aus dem Temple jagt – weil sie die Menschen kaputt machen. Die Geldwechsler von damals haben heute einfach ihren Namen gewechselt: Sie heißen jetzt Banker und Vermögensverwalter. Sie zerstören unseren gesamten Planeten durch fehlgeschlagene Bankgeschäfte, die die Wirtschaft zerstört haben. Und sie beschuldigen die Bürger, dass diese das Unheil angerichtet hätten. Wem würde es nützen, die Banken noch größer zu machen?

Eines ist klar: Die Eurozone ist ein Fehler. Sie ist zehn Jahre alt. Ich war 2002 in Italien kurz nachdem die Währung ausgegeben worden war. Der Kurs belief sich auf 88 Cents zum US-Dollar. Die Eurozone ist zehn Jahre alt und ist in der Krise. Jetzt kommen die Besserwisser mit ihren hehren Plänen und wollen alles wieder ins Lot bringen – indem sie alles noch größer machen wollen als es bislang schon ist. Warum sollte ihnen irgendjemand noch glauben? Wenn alles, was sie zuvor gemacht haben, fehlgeschlagen ist? Jetzt kommen sie mit neuen Namen heraus. In den USA heißt es QE Quantitativ Easing. Wir hatten Quantitativ Easing 1, Quantitativ Easing 2 und sind jetzt bei Quantitativ Easing 3.Und hier in Europa: Unter Trichet gab es ein Programm zur Sicherung der Märkte als die US-Finanzkrise herüber schwappte. Unter Draghi kamen dann Langzeitfinanzierungen, die noch mehr Geld in die Banken stopften. Diese Pläne trugen nur über die nächsten Monate. Und was läuft jetzt? Wieder ein Plan. Irgendwas mit drei Buchstaben: „QT irgendwas“. Immer wieder werden irgendwelche Pläne aus der Taufe gehoben. Sie laufen alle auf das Eine hinaus: Es soll immer mehr digitales Geld in die Märkte gepumpt werden. Die Pläne dafür sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt werden. Die Pläne entwerten die Währungen und treiben die Bürger in Schulden über Schulden, die diese abzahlen müssen. Das größte Verbrechen, das derzeit abläuft, ist der Umstand, dass die Staaten ihre Souveränität und damit ihre Identität verlieren. Eigentlich ist Europa durch diese einzelnen Identitäten ein wunderbarer unverwechselbarer Kontinent. Doch durch den Einfluss der Banken-Konglomerate erleben die Nationalstaaten einen Kulturverlust, wie man ihn in den USA beobachten kann. Hier herrscht eine Todeszone der Kultur. Das passiert, wenn die Macht auf eine Person oder eine Institution an der Spitze konzentriert wird. In den Vereinigten Staaten herrscht ein Bankenkartell. Es gibt den Einzelhandel, der von einem, oder zwei oder drei Big Playern kontrolliert wird. Deutschland ist zu klein, um Walmart erlaubt zu haben, das Land zu überrollen. Die Bürger sind auf die Kette nicht hereingefallen. Nehmen wir die Landwirtschaft, die pharmazeutischen Unternehmen, TV und Radio: Als ich Kind war, gab es Apotheken und Drogerien an jeder Ecke. Jetzt haben wir in den USA quasi noch drei große Konzerne. Das passiert bei der Zentralisierung von Macht. Nur die Großen profitieren.

Wenn nun alle Geld drucken: Die Fed, die EZB und alle anderen Institutionen auch, könnte dieses Vorgehen auf einen Währungskrieg hinauslaufen?

Der Währungskrieg ist bereits ausgebrochen! Viel Geld ist bereits in die Schweiz geflossen, bevor die SNB begonnen hat zu intervenieren. Geld fließt in die Philippinen, wegen höherer Zinsen. Alle Länder werten ab, um ihre Exporte zu steigern, auch Deutschland geht diesen Weg. Der Euro war vor einigen Jahren deutlich stärker. Wir erleben eine Wiederholung von Geschichte: 1929 begann die Weltwirtschaftskrise mit allen schrecklichen Konsequenzen bis in den Kalten Krieg hinein. Heute haben wir überall Wirtschaftskrise, überall. Mit krassen Konsequenzen: Wenn Sie die ungarische Staatsbürgerschaft kaufen wollen, können Sie das tun: Indem Sie ungarische Staatsanleihen erwerben. Oder die USA: Die inoffizielle Arbeitslosenquote liegt bei 16 bis 22%. Auch in der Eurozone liegt die Arbeitslosenquote viel höher als der offizielle Wert von 11,8% glauben machen will. Unter den Jugendlichen ist jeder Zweite arbeitslos. Zwischen China und Japan zeichnet sich ein Handelskrieg ab.

Die USA haben bereits einen Flugzeugträger in die Region entsandt. Wird der Konflikt dort eskalieren? Die Straße von Malakka ist ja für den Gütertransport äußerst wichtig.

Die USA sind Kriegstreiber. Sie haben im Irak einen Krieg vom Zaun gebrochen – wegen angeblicher Massenvernichtungswaffen. Und keiner der Verursacher, ob Bush, Cheney oder Blair, wurde je vor ein Gericht gestellt. Warum fragen wir sie nicht, warum sie den Krieg losgetreten haben? Oder nehmen wir Libyen: Den Aufständischen wurde geholfen, damit die Ölflüsse aus diesem Land nach Europa nicht austrocknen. Das Gleiche gilt für die Bodenschätze Afghanistans. Jetzt nehmen die USA Afrika in den Blick, den nächsten großen Markt. Hier sind schon die Chinesen, die USA wollen nicht zu spät kommen und die Chinesen im Zaum halten. Sie können davon ausgehen, dass ein neuer Weltkrieg bevorsteht. An vielen Stellen brennt es schon. Etwa zwischen der Türkei und Syrien. Und zwischen Syrien und dem Libanon. Israels Ministerpräsident würde am liebsten den Iran erobern, um das Gefahrenpotenzial zu bannen. In den Ländern Europas liegt die Arbeiterklasse im Krieg mit den Poltikern. Alles wegen korrupten Regierungen, überall.

Wird der Ölpreis wegen der vielen Konflikte steigen?

Sollte es Krieg mit dem Iran geben, wäre das eine Katastrophe. Es wäre der letzte Krieg, ein Krieg mit Massenvernichtungswaffen, die Zivilisation würde in die Urzeit zurückgebombt. Würde danach noch ein Krieg ausbrechen, könnte dieser nur noch mit Steinen und Stöcken ausgefochten werden.

Die Fragen stellte Jochen Stanzl.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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