Kommentar
07:00 Uhr, 04.03.2020

Wieso verpufft die Zinssenkung der Fed?

Die US-Notenbank senkt überraschend die Zinsen und es hilft nicht. Wieso springt der Funke nicht über?

Anleger erwarteten von der Notenbank irgendeine Form der Reaktion. Dass sie gleich am Dienstag kommen würde, war eine Überraschung. Es war eine positive Überraschung, allerdings hielt der Rückenwind für den Aktienmarkt nur wenige Minuten. Das war weniger überraschend.

Am Montag beendeten die US-Indizes den Handel mit einem sehr großen Pluszeichen. Es wurde gemeldet, dass die G7 Staaten miteinander sprechen würden. Das weckte Hoffnung auf eine koordinierte Aktion, egal welcher Art. Koordiniert war sie nicht. Die Fed senkte zwar die Zinsen, dafür gibt es keine global koordinierte Aktion.

Anleger feierten bereits Montagabend vor. Sie wussten nicht genau, was sie eigentlich feierten, aber gekauft wurde trotzdem. Jetzt wurden Fakten geschaffen und diese sind ernüchternd. In der Pressekonferenz von Fed-Präsident Powell wurde deutlich, dass sich die Notenbank absolut im Klaren über ihre Machtlosigkeit ist.

Das ist nicht das, was Anleger hören wollen. Gewiss, die Zinssenkung kann die Stimmung etwas aufhellen und Unternehmen helfen, wenn diese leichter an Kredit kommen. Kredit ist nun dringend notwendig. Die realwirtschaftlichen Folgen beginnen gerade erst, sich zu manifestieren.

Konkret werden die Menschen immer nervöser. Sie meiden Veranstaltungen, gehen nicht mehr ins Kino oder Restaurant, verschieben Urlaube und Geschäftsreisen. In den USA dürften bis zu 30 % der Wirtschaftsleistung betroffen sein. Betroffen sind vor allem der Transport, das Gastgewerbe, die Unterhaltungsbranche und der stationäre Handel für Konsumgüter. Apotheken und Lebensmittelhändler haben (noch) Hochkonjunktur.

Wenn Händler über Wochen kaum noch Kunden haben, die Kosten aber bestehen bleiben, kann die Insolvenz näher sein als man denkt. Vor allem kleinere Unternehmen sind auf den regelmäßigen Cashflow angewiesen. Viele sind bereits nach wenigen Wochen am Rande des Bankrotts.

Eine Zinssenkung hilft nur bedingt. Was benötigt wird, sind Notkredite. Das zu koordinieren ist nicht einfach, sollte aber dringend und schnell organisiert werden. Die Krise wird uns noch viele Wochen beschäftigen. Bis vor kurzem konnte man noch hoffen, dass sich das Virus nicht ausbreitet. Jetzt ist klar, dass man es nicht mehr aufhalten, sondern die Ausbreitung nur verlangsamen kann.

Das geschieht, indem Veranstaltungen abgesagt bzw. verboten werden. Wie in Italien kann es auch in anderen Ländern zur Quarantäne von Städten und Regionen kommen. Nur so lässt sich die Ausbreitung deutlich verlangsamen und im besten Fall innerhalb eines Landes aufhalten.

Das Problem verdeutlicht der Verlauf in China und in Italien. In China sinkt die Zahl neuer Fälle deutlich. Die Gesamtzahl der Betroffenen (aktive Fälle und bereits wieder gesunde Menschen) steigt nur noch leicht und stagniert fast. In Italien hingegen geht es gerade erst los (Grafik 1).

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Ist Italien so erfolgreich wie China, dürfte der Höhepunkt bis Mitte März erreicht sein und sich die Zahl der Betroffenen Ende März nur noch leicht erhöhen (Grafik 2). Verlaufen diese Infektionswellen in den meisten Ländern ähnlich, wird es wohl erst im April zu einem Plateau kommen. In den meisten europäischen Ländern ist die Situation noch nicht so dramatisch wie in Italien. Das dürfte sich ändern und dann mehrere Wochen lang eskalieren.

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Wirtschaftlich führt das zu einem erheblichen Dämpfer, nicht nur im ersten Quartal, sondern auch im zweiten. In China und dem Rest der Welt bleibt zudem abzuwarten, ob der ersten Welle eine zweite folgt. Dann würde sich die Krise bis in den Sommer hineinziehen. Eine globale Rezession ist dann kaum abzuwenden.

In den USA und vielen westlichen Ländern sind 25-30 % der Wirtschaftsleistung stark beeinträchtigt. Schrumpft die Wirtschaftsleistung in den betroffenen Branchen (Unterhaltung, Gastgewerbe, Tourismus usw.) um 20 %, was absolut realistisch ist und hält die Kontraktion ein Quartal an, würde das in den USA das Gesamtwachstum um 2 % drücken. Da für dieses Jahr ursprünglich 1,5-1,7 % Wachstum angenommen wurden, würden die USA 2020 schrumpfen.

In Europa wachsen viele Länder ohnehin nicht mehr. Das Wachstum liegt dann schnell bei -1 % bis -2 %. Da hilft auch keine Zinssenkung. Das heißt ausdrücklich nicht, dass der Aktienmarkt nicht auch wieder steigen kann, obwohl die Ausbreitung nicht unter Kontrolle ist. Sobald sich eine Plateaubildung wie in China auch in Europa und den USA abzeichnet (das könnte bereits in ein bis zwei Wochen der Fall sein), könnte sich der Markt nachhaltig erholen.

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52 Kommentare

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  • While E. Coyote
    While E. Coyote

    aber versuchen kann mans ja. Das ist wohl mehr Reflex als gedachte Handlung

    19:20 Uhr, 05.03. 2020
    1 Antwort anzeigen
  • While E. Coyote
    While E. Coyote

    hahaha

    18:43 Uhr, 05.03. 2020
  • JürgneDax
    JürgneDax

    Hallo?

    21:58 Uhr, 04.03. 2020
  • amateur
    amateur

    Wieso verpufft die Zinssenkung der Fed?

    In welchen Zeitkategorien werden solche Artikel geschrieben?...Ich sehe da nichts verpuffen - im Gegenteil...

    19:49 Uhr, 04.03. 2020
    2 Antworten anzeigen
  • wolp
    wolp

    Heute wirkt es doch. Indizes im Plus. Merci

    14:50 Uhr, 04.03. 2020
  • Unentschieden
    Unentschieden

    Man muss nicht alles "glauben", was in diversen Artikeln/Studien zu lesen ist. Man kann aber durchaus auf den gesunden Menschenverstand zurückgreifen (sofern noch vorhanden).

    https://sciencefiles.org/2020/...

    http://www.pi-news.net/2020/03...

    Btw - wieso ist eigentlich die Sterblichkeitsrate in Wuhan, dem mutmaßlichen Ausbruchsort, 2-4 mal so hoch wie im übrigen China...? ;-)

    10:57 Uhr, 04.03. 2020
    1 Antwort anzeigen
  • Chamäleon
    Chamäleon

    andere werden folgen.....😎

    Chinas Dienstleistungsbranche verbuchte im Februar den schlechtesten Monat seit Beginn der Aufzeichnungen vor fast 15 Jahren. Der am Mittwoch veröffentlichte Caixin/Markit-Einkaufsmanagerindex für den Sektor halbierte sich fast von 51,8 Punkten im Januar auf nur noch 26,5 Zähler.

    10:52 Uhr, 04.03. 2020
  • Glattsteller
    Glattsteller

    "Wieso verpufft die Zinssenkung der FED?" Weil man mit gedrucktem Geld keine Viren bekämpfen kann und die Zinsen in den letzten 12 Jahren gefühlt hundert mal gesenkt wurden. Man gewöhnt sich halt an alles.

    10:00 Uhr, 04.03. 2020
  • Jaroos
    Jaroos

    Nur mal so grob, ohne Anspruch auf Richtigkeit:
    Wenn jeder einmal erkrankt oder einmal in Quarantäne geschickt wird,fehlen uns grob 3-4% Leistung in diesem Jahr.
    Dann gibts Leute, die in Quarantäne waren und danach trotzdem erkrankt sind. Die würden doppelt ausfallen. Dagegen rechnen kann man Leute, die trotz Krankheit arbeiten waren. Die fallen gar nicht aus.
    Dazu kommt noch eine Todesquote von 0,5-2%, je nachdem wie man die Zahlen sieht.

    Wären wir grob bei 4-5%, die uns fehlen werden. Falls ich einen Denkfehler habe, freue ich mich über Korrektur. Und damit mein ich nicht die Phantasie, dass das Virus "plötzlich verschwindet". Das wird es nicht. Dazu gibt es zu viele Herde.

    09:20 Uhr, 04.03. 2020
    2 Antworten anzeigen
  • JürgenSK
    JürgenSK

    wir sind ja erstmal da wo China Anfang Januar stand....und der Dax ist schon so schwach. Die Deutsche Bank erwartet einen Einbruch am Markt von 20-30%..ich eher mehr...

    08:57 Uhr, 04.03. 2020

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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