Kommentar
09:00 Uhr, 18.11.2005

Wie verlässlich ist das japanische Comeback?

Während 13 Jahren Bärenmarkt haben Investoren bereits mehrere erfolglose Erholungsansätze der japanischen Wirtschaft erlebt. Doch nachdem sich bereits der überwältigende Sieg der Liberaldemokratischen Partei (LDP) positiv auf die Marktstimmung ausgewirkt hat, zeigt nun auch die japanische Wirtschaft endlich ernstzunehmende Anzeichen einer echten Belebung. Nach einer schmerzhaften Phase der Umstrukturierungen und staatlichen Reformen erwirtschaften die Unternehmen nun wieder solide Gewinne und die Wirtschaft scheint auf einen nachhaltigen Wachstumspfad eingeschwenkt zu sein. Die folgende Analyse erläutert, warum wir an ein nachhaltiges japanisches Comeback glauben.

Das japanische Comeback

Die Erholung der japanischen Wirtschaft dürfte nachhaltiger und robuster sein, als die meisten Marktteilnehmer glauben. Nach den jüngsten Bestandskorrekturen scheint der kurzfristige Konjunkturzyklus in Japan seinen Tiefpunkt zu überwinden. Der mittelfristige „Juglar“-Konjunkturzyklus, der auf der Zyklizität der Anlageinvestitionen basiert, erreichte seinen Tiefpunkt im Jahr 2002 (Abb. 1, inländische Werkzeugmaschinenaufträge), ebenso der langfristige „Kuznets- Zyklus“, der von der Zyklizität der Bauaktivitäten bestimmt ist (Abb. 1, begonnene kommerzielle Bauprojekte in Japan). Nachdem dieser Index seinen letzten Tiefpunkt zwanzig Jahre zuvor im Jahr 1982 erreicht hatte, setzte eine langfristige Erholung ein, die 1990 ihren Höhepunkt erreichte.

Die gleichläufige Erholung der mittel- und langfristigen Konjunkturzyklen erinnert an die goldenen Jahre Japans in den frühen neunziger Jahren. Während der achtziger Jahre stützte dieser parallel laufende mittel- und langfristige Konjunkturzyklus die japanische Wirtschaft bis zum Platzen der Blase an den Aktien- und Immobilienmärkten Anfang der neunziger Jahre.

Das Comeback der japanischen Unternehmen

Neben der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung verbessert sich auch die Situation der japanischen Unternehmen. Sie ernten nun die Früchte mehrjähriger Restrukturierungen in Form steigender Gewinne. Der konsequente Abbau von Fixkosten und schlankere Managementstrukturen haben die Gewinnschwelle in den vergangenen Jahren erheblich gesenkt. Japanische Unternehmen werden das vierte oder fünfte Jahr in Folge steigende Gewinne vermelden. Den höheren Cash-flow nutzen sie zum Schuldenabbau. Daher ist auch ihre Fremdkapitalabhängigkeit auf das Niveau der frühen achtziger Jahre vor der Blasenbildung zurückgegangen.

Die nächsten Schritte

Jetzt, da die Unternehmen ihre Bilanzgesundung beendet haben, richten sie ihr Augenmerk stärker auf die profitable Nutzung ihrer massiven Liquiditätsüberschüsse. Der zunehmende Druck von Seiten der ausländischen Aktionäre zwingt die Unternehmen, ihre Wachstumsinvestitionen zu verstärken und sich mehr auf die Steigerung des Shareholder Value zu konzentrieren. Nach Angaben des japanischen Wirtschaftsministeriums waren im Jahr 1992 noch 46% aller gelisteten Aktien in Überkreuzbeteiligungen gebunden; nur 6% wurden von ausländischen Investoren gehalten. Im Jahr 2004 lag der Anteil der in Überkreuzbeteiligungen gebundenen Aktien nur noch bei 24%, während der ausländische Anteilsbesitz auf 22% gestiegen war. Zu den Prioritäten der Unternehmen zählt nun auch die Erhöhung der Anlageeffizienz.

Wohin mit der überschüssigen Liquidität?

Angesichts der massiven Liquiditätsüberschüsse, die japanische Unternehmen angehäuft haben, stellt sich die Frage des Einsatzes dieser Barreserven.

Die Unternehmen verfolgen einen offensiven Ansatz mit dem Ziel

1) einer aktiven Erhöhung der Anlageinvestitionen
2) einer aktiven Beteiligung an Mergers & Acquisitions (M&A)
3) einer Erhöhung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben

1) Aufgrund der überalterten Produktionsmittel und des Rückzugs der Dankai-Generation (Baby-Boomer) aus dem Berufsleben in den nächsten Jahren werden die Unternehmen ihre Anlageinvestitionen erhöhen müssen. Nur durch die Erneuerung und Aufrüstung ihrer Anlagen werden sie in der Lage sein, mit den technologischen Entwicklungen Schritt zu halten, und die im Rahmen des Generationenwechsels vorgenommene Verringerung der Beschäftigtenzahlen zu kompensieren. In Japan florieren die „Scrap-and-Build“ (Abriss und Neubau)-Aktivitäten.

2) Bei grundsätzlicher Wahrung von Vorsicht verfolgen immer mehr Unternehmen aggressive M&A-Strategien, um ihr Wachstumspotenzial und ihre Kapitaleffizienz zu erhöhen. In der ersten Jahreshälfte 2005 belief sich die Anzahl der M&A-Transaktionen mit einem Volumen von mehr als 10 Milliarden ¥ auf annualisierter Basis auf über 130 – laut Nomura Research ein historischer Rekord.

3) In den vergangenen Jahren konnten es sich die japanischen Unternehmen aufgrund ihrer Fokussierung auf die Bilanzgesundung nicht leisten, umfangreich in Forschung und Entwicklung zu investieren. Während dieser Phase verloren die japanischen Unternehmen im Vergleich zu ihren internationalen Wettbewerbern, insbesondere den asiatischen Konkurrenten, die mittlerweile zum technologischen Fortschritt aufgeschlossen haben, an Wettbewerbsfähigkeit. Angesichts der aktuellen Erholungstendenzen haben die japanischen Unternehmen nun jedoch ausreichend Zuversicht gewonnen, um neue Forschungsprojekte zur Förderung ihrer langfristigen Geschäftsstrategien zu starten. Vor allem investieren die früheren Anführer der Produktionsverlagerungen ins Ausland nun in Forschung und Entwicklung und Produktion im eigenen Land. Die japanischen Unternehmen konzentrieren sich auf wichtige Technologien, mit deren Hilfe sie ihr Wachstum steigern können. Ihre Antwort auf die internationale Arbeitsteilung ist die Fokussierung auf höherwertige, weltweite Produktion.

Fazit

Das Investment-Team von INVESCO Japan ist überzeugt, dass Japan seine Wachstumsschwäche überwunden hat und der Ausblick für japanische Aktien nun sehr positiv ist. Der Aktienmarkt wird vom soliden, nachhaltigen Wachstum der japanischen Wirtschaft profitieren. Unterstützend wirken dabei die durch mehrjährige Restrukturierungsbemühungen gewonnene neue Leistungsstärke der Unternehmen sowie die Tatsache, dass die Unternehmen ihre hohen Liquiditätsüberschüsse nun in M&A-Geschäfte und Forschung und Entwicklung investieren, die ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihr langfristiges Wachstumspotenzial steigern werden. Damit bieten japanische Aktien Investoren eine attraktive mittel- bis langfristige Investmentperspektive.

Quelle: Invesco

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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