Kommentar
07:35 Uhr, 29.10.2018

Wie teuer sind Aktien derzeit und lohnt sich der Kauf?

Es ist noch gar nicht lange her, da gab es zu Aktien keine Alternative. Zu hohe Bewertung gab es per Definition nicht. So schnell kann sich die Welt ändern.

Plötzlich nämlich scheint sich die Welt nicht mehr so sicher zu sein. Dass es zu Aktien keine Alternative gibt, ist nicht mehr so klar. Auf sichere US-Anleihen kann man immerhin 3 % Rendite erwirtschaften. Das Zinsargument (niedrige Zinsen=hohe Aktienkurse) ist aber bestenfalls irreführend. Die Korrelation zwischen Zinsen und Aktienkursen ist nicht besonders aussagekräftig. Wenn man überhaupt eine Aussage machen kann, dann eher die, dass Aktien und Zinsen gleichzeitig steigen. Wenn Zinsen als Argument nicht taugen, worauf soll man als Anleger dann achten?

Am Ende geht es immer um die Bewertung, also wie viel man zahlt, um ein Anrecht auf Unternehmensgewinne zu erhalten. Zahle ich für eine Aktie 100 und erhalte dafür bis in alle Ewigkeit jedes Jahr 10, ist das attraktiv. Erhalte ich hingegen nur 1, ist das nicht attraktiv. Mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit verdiene ich mein Investment in einer Lebenszeit nicht zurück.

Wie viel man für den Gewinn zahlt, wird vom KGV ausgedrückt. Es gibt viel Kritik an diesem Maßstab, der teils durchaus begründet ist. Der Indikator hat viele Schwachstellen – und trotzdem funktioniert er immer noch ziemlich gut, zumindest langfristig.

Seit Monaten wird von vielen Investmentbanken darauf hingewiesen, dass US-Aktien gar nicht so hoch bewertet sind. Dieser Eindruck stimmt, wenn man das zukünftige KGV (Forward KGV) betrachtet. Wächst der Gewinn der Unternehmen wie prognostiziert und bleibt der Kurs konstant, dann handeln US-Aktien (S&P 500) derzeit zu einem Forward KGV von 17 (Grafik 1).


Soviel mussten Anleger schon 2014 für Aktien bezahlen. Damals schien das kein schlechter Deal zu sein. Das gilt insbesondere dann, wenn man das prognostizierte KGV mit dem dann tatsächlich realisierten vergleicht. Das realisierte KGV ist systematisch zu hoch. Analysten überschätzen also das Gewinnwachstum.

Anfang 2018 gab es dazu das erste Mal seit 20 Jahren eine Ausnahme. Wegen der Steuersenkung, die zum Zeitpunkt der Prognosen noch nicht bekannt war, war das realisierte KGV niedriger. Inzwischen nähern sich die beiden Werte wieder an und werden bald übereinstimmen.

Trotz dieser positiven Überraschung sind Aktien immer noch nicht billig. Anleger stört das wenig, solange sie an den Aufschwung glauben. Überbewertung kann sich beharrlich lange halten. Ein Grund, der zu einer längeren Phase der Überbewertung führen kann, ist in den Ausgaben der Unternehmen zu finden (Grafik 2).

2018 werden S&P 500 Unternehmen Aktien im Volumen von 800 Mrd. Dollar zurückkaufen. Einige Investmentbanken gehen sogar von noch mehr aus. Im kommenden Jahr wird dann wohl die magische Grenze von 1 Billion endgültig überschritten.

Unternehmen sorgen für Nachfrage nach Aktien in der Höhe von 1 Billion Dollar. Das ist gigantisch und wirkt auf die Kurse zweifelsohne stützend. Diese Summe ist deutlich höher als jedes QE Programm der Welt. Das muss man sich auch vor Augen führen, falls man Angst vor einem Liquiditätsengpasse haben sollte.

Auch Dividenden in der Höhe von mehr als 500 Mrd. lassen sich sehen. Persönlich halte ich diese Ausschüttungswut für bedenklich, wenn nicht gar wahnsinnig. Wer hingegen kurzfristig denkt, freut sich darüber, dass Unternehmen so viel an Aktionäre ausschütten.

Fundamental ist der Markt nicht wirklich attraktiv. Wer will aber schon auf diese Rekordausschüttungen verzichten? Ist die Lage wirklich so schlecht, dass man die Füße in die Hand nehmen muss?

Clemens Schmale

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