Kommentar
09:50 Uhr, 11.07.2014

Wie stark ist das portugiesische Finanzbeben?

Die Meldungen haben sich in den letzten Tagen überschlagen. Angedeutet hat sich die Krise schon länger. Der portugiesische Leitindex hat innerhalb eines Monats fast 20% verloren.

Erwähnte Instrumente

  • Banco Espirito Santo S.A.
    Kursstand: 0,51 € (Euronext Lissabon) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
    VerkaufenKaufen
  • Banco Espirito Santo S.A. - Kurs: 0,51 € (Euronext Lissabon)

Bei den betroffenen Unternehmen Banco Espirito Santo, Portugal Telekom und Espirito Financial Group sind die Verluste noch viel massiver. BES Aktien sind vom Handel ausgesetzt, verloren zuvor allerdings 40 %. Die ES Gruppe verlor fast ¾ an Wert und Portugal Telekom ca. ein Drittel.

Die Hintergründe zu diesen Bewegungen sind etwas kompliziert. Angefangen hat es mit Zahlungsschwierigkeiten von Espirito Santo International. Dieses Unternehmen ist nicht an der Börse notiert und ist das Mutterunternehmen der ganzen Espirito Santo Unternehmensfamilie. ESI hat mehrere 100 % Tochtergesellschaften. Dazu gehört auch Rioforte. Rioforte hat ESI Geld geliehen. ESI kann dieses Geld wegen Solvenzproblemen derzeit nicht zurückzahlen. Dadurch gerät Rioforte in Zahlungsschwierigkeiten. Das ist ein großes Problem, weil viele Anleger und Unternehmen Rioforte wiederum Geld geliehen haben. Allein Portugal Telekom soll sich mit knapp einer Milliarde Euro an Anleihen beteiligt haben. Fällt die Anleihe komplett aus, dann schmelzen die liquiden Mittel von Portugal Telekom um fast 50 %. Dazu ist PT noch hoch verschuldet. Der Ausfall könnte einen Verkauf von PT notwendig machen.

Privatanleger haben Rioforte und anderen Unternehmen der ES Gruppe noch einmal ca. 1 Mrd. EUR geliehen. Diese könnten ebenfalls einen hohen Verlust erleiden. Für institutionelle Anleger stehen ebenfalls ca. eine Milliarde im Feuer. Es steht also sehr viel mehr auf dem Spiel als die Bank Espirito Santo, von der am häufigsten in den Medien zu lesen ist. Wie stark die Bank wirklich exponiert ist, weiß noch niemand so ganz genau. Es sieht aber momentan so aus, als sei sie nur indirekt betroffen. Die Bank hält Beteiligungen an den Espirito Santo Gruppenunternehmen von 1,2 Mrd. Im schlimmsten Fall könnten diese 1,2 Mrd. komplett abzuschreiben sein. Die Bank hat allerdings erst vor wenigen Tagen eine Kapitalerhöhung durchgeführt und über 1 Mrd. frisches Geld eingesammelt. Das wäre dann zwar weg, aber die Bank hätte immer noch Überschusskapital von 2 Mrd. über den Mindestanforderungen. Wenn hier nicht noch ganz unbekannte Verbindlichkeiten oder Verflechtungen auftauchen, dann sollte die Bank das Desaster ganz gut überstehen.

Die ganze Sache kam mehr oder minder aus dem Nichts und ist nicht zu unterschätzen. ESI scheint de facto insolvent zu sein. Falls das Unternehmen nicht gerettet werden kann, dann müssen Gläubiger sehen, wie viel sie von den 7 Mrd. Schulden wiedersehen. Der Ausfall kann also beträchtlich sein. ESI hat sich vor allem über Wasser gehalten, weil sie Tochterunternehmen gedrängt haben, ihnen Geld zu leihen. Nachdem ESI an vielen Unternehmen 100 % hält, konnten diese anscheinend schlecht Nein sagen.

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Trotz der beträchtlichen Größenordnung des Skandals muss man eine Sache klarstellen: es handelt sich nicht um ein Bankenproblem generell, sondern um ein Problem von Espirito Santo International. Teilweise wurde der Fall so dargestellt als würde eine neue Bankenkrise entstehen. Keine Frage, Banco Espirito Santo könnte hohe Verluste erleiden. Die Ursache des Problems liegt aber nicht im Bankensektor, sondern ganz woanders. Sofern jetzt nicht noch unzählige neue Details bekannt werden und ganz neue Finanzlöcher auftauchen, dann ist die Angelegenheit auch schnell wieder vergessen. Der Fall zeigt allerdings sehr schön ,wie gefährlich Konglomerate sein können. Wenn die Muttergesellschaft Probleme bekommt und ihre 100 % Beteiligungen nutzt, um sich Geld zu leihen, dann kann schnell eine ganze Gruppe mit in den Abgrund gerissen werden. Hoffen wir, dass es nicht soweit kommt und es sich um einen Einzelfall handelt.

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  • Protheus
    Protheus

    Klasse Arbeit, Herr Schmale!

    13:40 Uhr, 11.07. 2014

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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