Kommentar
08:30 Uhr, 06.02.2021

Wie stark gefährden Notenbanken die Finanzstabilität?

Am Aktienmarkt ist immer mehr Überschwang erkennbar. Für einige sind die Schuldigen klar: die Notenbanken. Diese wiederum weisen die Schuld weit von sich.

Die Geldpolitik nimmt Einfluss auf die Preise von Aktien und anderen Assets. Sind die Zinsen niedrig bzw. wird Geld verschenkt, fließt es irgendwo auch hin. Zum Teil fließt es in Aktien oder Immobilien, zum Teil in den Konsum. Die Preise steigen. Im Normalfall führt das nicht gleich zur Blasenbildung auf dem Finanzmarkt. Die Zeiten sind derzeit jedoch alles andere als normal. Viele vermuten daher hinter dem Überschwang am Aktienmarkt die Geldpolitik der Notenbanken. Notenbanker wiederum erklären, dass viele Faktoren zur Preisbildung beitragen. Sie schließen nicht kategorisch aus, dass die Geldpolitik einen Anteil hat, sehen die Ursache jedoch an anderer Stelle. Das Ignorieren von Übertreibungen in einem Bereich des Finanzmarktes führt langfristig zu Problemen.

Das war schon so als sich die Dotcom-Blase aufbaute oder der Subprime Hypothekenmarkt vor 2008 boomte. Nun ist es wieder soweit und die Notenbank schaut zu. Paradoxerweise kann sie das auch guten Gewissens tun. Rein formal ist Finanzmarktstabilität nicht Teil des Mandates. Das Mandat spricht von Preisstabilität und in den USA zusätzlich noch von Vollbeschäftigung.

Der Faktor, der vermutlich am meisten zu Ungleichgewichten beiträgt (die Geldpolitik) ist gleichzeitig nicht für Stabilität verantwortlich. Das ist auf den ersten Blick schon etwas absurd, macht aber sogar Sinn. Würde die Notenbank Finanzmarktstabilität als Teil ihres Mandats haben, würde sie intervenieren, wenn bestimmte Preise übertrieben wirken. Wer aber kann schon zweifelsfrei sagen, dass etwas übertrieben ist?

Es ist etwas Subjektives. Einige halten den S&P 500 seit Überschreiten der Marke von 3.000 Punkten für maßlos überbewertet, andere halten auch 4.400 Punkte für gerechtfertigt. Wenn die Notenbank Richter darüber wird, was der korrekte Preis ist und die Geldpolitik entsprechend gestaltet, ist der freie Markt abgeschafft.

Übertreibungen sollen daher durch Regulation verhindert werden. Regulation gibt ein Rahmenwerk vor. Innerhalb dieses Rahmens ist der Markt frei. Will man diese Freiheit nicht abschaffen und Rahmenwerke durch Preissteuerung ablösen, kann und darf die Notenbank z.B. die Preise von Aktien nicht als Leitlinie für ihre Geldpolitik nutzen.

Jerome Powell – ohne explizit von einer Übertreibung am Aktienmarkt zu sprechen – bezeichnete solche Instabilität als Kollateralschaden oder als Kosten der Rettung der Wirtschaft. Geringere Finanzmarktstabilität verursacht irgendwann Kosten, wenn Blasen platzen. Diese Kosten werden derzeit in Kauf genommen.

Die Notenbank muss sich dabei eigentlich gar nicht verteidigen. Sie kauft aktuell für 80 Mrd. Dollar pro Monat Staatsanleihen. Das hat dazu geführt, dass andere Investoren nur noch 79 % der US-Staatsschulden halten (Grafik 1). Das ist der geringste Wert seit 1976. Es sind aber immer noch 79 % der Schulden, die von Privaten gehalten werden.


Die Verschuldung des Staates steigt zudem deutlich schneller an als die Notenbank Anleihen kauft. Zwischen März und Dezember des laufenden Jahres werden die Staatsschulden gegenüber dem Vorjahr um 3,5 bis 4 Billionen ansteigen. Die Notenbank kauft davon 960 Mrd. Über 2,5 Billionen müssen also von Privaten abgenommen werden. Da kann man eigentlich nicht von einer Überschwemmung des Marktes mit Geld sprechen.

Wie bei QE so üblich, ist es weniger die Geldmenge an sich als die Psychologie der Anleger, die für Übertreibung sorgt. Anleger fühlen sich sicher. Die Risikofreude steigt. Die Geldpolitik leistet einen Beitrag zur Übertreibung. Die Alternative wäre jedoch schlimmer. Mit der Geldpolitik geht die Notenbank das Risiko ein, dass es zu einer Instabilität kommt. Diese kann hohe Kosten verursachen, muss es aber nicht. Täte sie hingegen in der aktuellen Situation nichts, sind die wirtschaftlichen Kosten garantiert sehr hoch.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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