Kommentar
07:40 Uhr, 11.12.2021

Wie mit Hilfe von Smart Contracts ein neues, dezentrales Finanzsystem (DeFi) erschaffen wurde...

Ein neues, dezentrales Finanzsystem ist gerade dabei, zu entstehen. Die Basis bilden die Kryptowährungen Bitcoin und Ether sowie Smart Contracts.

Mir ist bewusst, dass viele Anleger – leider besonders in Deutschland – immer noch an Kryptowährungen (ver)zweifeln. Gerne werden sie daher mal mit den Tulpenzwiebeln der niederländischen „Tulpenmanie“ im 16. Jahrhundert verglichen. Doch das ist Quatsch! Zum einen, weil die Kryptowährungen – anders als die Tulpen damals – nach jedem „Crash“ zurückgekommen und auf neue Allzeithochs geklettert sind.

Zum anderen aber auch, weil die Kryptowährungen – wie Sie gleich sehen werden – unser aktuell (noch) existierendes Finanzsystem bereits am zerstören sind. Es handelt sich um eine Disruption – und solche disruptiven Entwicklungen bieten Anlegern naturgemäß die größten Chancen. Chancen und Risiken sind jedoch immer zwei Seiten der gleichen Medaille und so sind eben auch die Risiken dementsprechend sehr hoch.

Doch damit genug der Vorrede, gehen wir in medias res. Normalerweis müsste ich an dieser Stelle mit der Definition, was ein Smart Contract eigentlich ist, beginnen. Aber um Smart Contracts zu verstehen, möchte ich etwas weiter ausholen. Denn wie eingangs erwähnt, wurden Smart Contracts im Prinzip mit der Geburt von Ethereum eingeführt. Daher halte ich es für essenziell zunächst einmal die Geschichte von Ethereum kurz zu beleuchten.

Ethereum – historisch

Ethereum wurde nach einer Idee von Vitalik Buterin entwickelt. Dieser war als Kind ein begeisterter „World of Warcraft“-Spieler und hatte sich bei diesem Spiel ein spezielles Schwert erarbeitet. Eines Tages aber verlor er dieses Schwert, weil es der Anbieter (Activision Blizzard) aus dem Verkehr nahm. Dies gefiel dem kleinen Vitalik natürlich gar nicht, weshalb er zunächst sehr enttäuscht war und weinte.

Nachdem er sich von dem Schock erholt hatte, begann er sich zu überlegen, wie das eigentlich passieren konnte. Schnell kam er zu dem Schluss, dass das Problem die zentrale Steuerung des Spiels war. Zwar konnte man das Spiel über das Internet spielen, die komplette Kontrolle lag jedoch zentral beim Anbieter. Somit war jeder Spieler letztlich der Willkür des Anbieters ausgesetzt, der solche Gadgets nach Belieben verteilen oder eben wieder einkassieren konnte.

Würde man ein solches Spiel dezentral aufsetzen, wäre das Problem gelöst. Vitalik begann also sich für Dezentralisierung zu interessieren und stieß so auf die dezentral organisierte Kryptowährung Bitcoin (BTC). Er war sofort Feuer und Flamme und heckte Ideen aus, wie man den Bitcoin noch besser machen könne. So kam er auf die Idee der Smart Contracts – und schlug den Bitcoin-Entwicklern vor diesen entsprechend zu erweitern.

Anders als erwartet, zeigten sich diese jedoch nicht so begeistert von der Umsetzung dieser Idee. Zwar hielten sie die Idee grundsätzlich für sehr gut. Sie befürchteten aber, dass das Bitcoin-Netzwerk dadurch angreifbar werden, was in letzter Konsequenz dann sogar in dessen vollständiger Zerstörung enden könnte. Folglich wurden die Vorschläge von Vitalik Buterin nicht umgesetzt, so dass dieser sein eigenes Krypto-Projekt ins Leben rief, eben Ethereum.

Zunächst glaubten, wie schon zuvor beim Bitcoin, nur wenige Enthusiasten an einen Erfolg. Doch letztlich kam Ethereum auf den Markt. Wieder dauerte es etwas, aber dann entdeckten ausgerechnet deutsche Entwickler die Möglichkeiten, die die Smart Contracts ihnen boten. So wurde von der deutschen Firma Slock.it auf Basis eines Smart Contracts das erste rein virtuelle Unternehmen ins Leben gerufen, The DAO (DAO: Decentralized Autonomous Organization, zu Deutsch: Dezentralisierte Autonome Organisation).

Aufspaltung nach Hackerangriff wegen Fehler im Smart Contract von The DAO

Jeder, der wollte, konnte sich Anteile an The DAO (mit Ether) kaufen. Zunächst noch kaum beachtet, taten das immer mehr Menschen, so dass der Kurs des The DAO-Tokens stieg und stieg. Der Erfolg war auch deshalb erstaunlich, weil das virtuelle Unternehmen noch gar keinen Geschäftszweck hatte. Vielmehr sollte dieser erst durch die Anteilseigner bestimmt werden, wobei jeder Anteil (Token) eine Stimme haben sollte. Wer mehr Token gekauft hatte, hatte somit also auch mehr zu bestimmen („Wer die Musik bezahlt, bestimmt sie auch!“).

Doch leider gab es gleich in diesem ersten Smart Contract dann tatsächlich einen Fehler („Exploit“), den ein „Hacker“ schließlich ausnutzen konnte. Dadurch wurden schließlich rund 3,6 Millionen Ether unbrauchbar gemacht. In der Folge gab es eine große Diskussion in der Ethereum-Community, ob und wie man diesen Angriff abwehren solle. Viele meinten, dass der Grundsatz „Code is Law“ (frei übersetzt: Programmiercode ist Gesetz) gelten müsse und da hier ja ein Programmierfehler vorlag, man sich eben damit abfinden müsse.

Letztlich setzte sich dann jedoch die Fraktion um Vitalik Buterin durch, die den Fehler durch eine harte Abspaltung („Hard Fork“) beheben wollte. Dies wurde umgesetzt und die Attacke abgewehrt. Aus diesem Grund gibt es heute jedoch zwei Ethereums, nämlich das ursprüngliche Ethereum Classic (ETC) sowie das neue Ethereum (ETH). Während beim Bitcoin die Hard Forks à la Bitcoin Cash (BCH) oder Bitcoin Gold (BTG) weniger Vertrauen genießen, ist das bei Ethereum genau umgekehrt.

Was sind Smart Contracts, was können sie und warum sind sie so wichtig?

Damit kann ich nun endlich zu den Smart Contracts selbst kommen. Beginnen möchte ich hier natürlich mit einer Definition. Was sind Smart Contracts?

Nun, Smart Contracts (zu Deutsch: „intelligente Verträge“) sind Computerprotokolle, die die Verhandlung von Verträgen technisch unterstützen, die Logik vertraglicher Regelungen technisch abbilden und somit die Einhaltung von Vertragsklauseln automatisch überprüfen können. Dadurch wird unter Umständen sogar die schriftliche Fixierung eines Vertrags (auf Papier oder in einer Datei) überflüssig. Um diese Aufgaben vollumfänglich erfüllen zu können, verfügen Smart Contracts in der Regel über (Benutzer)Schnittstellen.

Mit Hilfe des Einsatzes von Smart Contracts versucht man eine höhere Vertragssicherheit bei gleichzeitiger Reduktion der Transaktionskosten zu erreichen. Dies geschieht durch die Verbesserung von Vertragsprozessen und ermöglicht letzten Endes – siehe The DAO – ganz neue Geschäftsmodelle. Ethereum war die erste und ist daher bis heute die führende Smart Contract-Plattform, der Marktanteil wird auf rund 85 % geschätzt. Aber die Konkurrenz schläft nicht, wie wir noch sehen werden.

Smart Contracts waren schon die Basis für den ICO/ITO-Boom im Jahr 2017...

Dank Ethereum – das ursprüngliche Ethereum, das heute unter Ethereum Classic firmiert, wurde 2015 gestartet; das neue heutige Ethereum dagegen erst mit dem gelungenen Hard Fork am 20. Juli 2016 – und seiner Smart Contracts wurden, wie The DAO gezeigt hat, ganz neue Möglichkeiten geschaffen. Diese wurden insbesondere im Laufe des Jahres 2017 immer intensiver genutzt, was einerseits zum damaligen ICO/ITO-Boom und in der Folge andererseits zu der starken Kursrally an den Krypto-Märkten allgemein führte.

Dazu noch eine kurze Erläuterung: ICO steht für Initial Coin Offering, ITO für Initial Token Offering. Beide Begriffe sind angelehnt an den Begriff IPO für Initial Public Offering, der im angelsächsischen Raum einen Börsengang bezeichnet (weil es im Rahmen eines Börsengangs zu einem initialen öffentlichen Angebot zum Kauf („Zeichnung“) von Aktien kommt). Bei einem ICO handelt es sich also um die erstmalige Möglichkeit einen Coin zu kaufen, bei einem ITO, um die erstmalige Möglichkeit einen Token zu kaufen.

Der kleine, aber wichtige, Unterschied zwischen einem Coin und einem Token

Was unweigerlich zur nächsten Frage führen dürfte, nämlich was denn der Unterschied zwischen einem Coin und einem Token ist. Nun, auch diese Frage lässt sich sehr leicht beantworten: Ein Coin basiert immer auf einer zu diesem Coin gehörenden (eigenen) Blockchain, ein Token dagegen basiert auf einer fremden Blockchain. Wenn man so will, sind Tokens nur eine Art Gutschein, die man dann beim Start, der zu einem Krypto-Projekt gehörenden eigenen Blockchain in Coins eintauschen kann, beziehungsweise muss.

Nachdem wir nun wissen, was Smart Contracts überhaupt sind sowie was der Unterschied zwischen einem Coin und einem Token ist, kommen wir nun dazu was Smart Contracts können und was nicht. Dabei werden wir sehr schnell feststellen, dass diese allein für sich noch gar nicht so „smart“ sind.

Was Smart Contracts können und was nicht – darum sind sie noch gar nicht so „smart“, aber werden es (mit Hilfe von Oracles)!

Grundsätzlich ist es so, dass Smart Contracts reale Verträge abbilden und Vertragsklauseln selbst automatisch (über)prüfen können. Das Problem ist jedoch, dass man zur Überprüfung von Vertragsklauseln oftmals zusätzliche Daten benötigt. Daten, die dem Smart Contract über eine entsprechende (Daten)Schnittstelle geliefert werden müssen. Dazu ein Beispiel: Ein Smart Contract soll eine Sportwette auf den Ausgang des Fußball-WM-Finals 2022 abbilden.

In diesem spielt Team A gegen Team B (in Katar). Gesetzt hat jemand auf einen Sieg von Team A. Gewinnt Team A tatsächlich, soll es den Einsatz sowie +95 % Gewinn geben. Gewinnt Team A nicht (und damit automatisch Team B), soll nichts zurückgezahlt werden. Eigentlich simpel, nur... damit der Smart Contract überprüfen kann ob eine Auszahlung erfolgen soll oder nicht, muss er – nach Spielende – das Spielergebnis kennen.

Genau um solche Daten an einen Smart Contract zu liefern, gibt es nun spezielle (Krypto-)Projekte. Denn solche Daten heißen in der Fachsprache Oracles. Das wohl älteste, größte und bekannteste Oracles-Projekt ist: Chainlink (LINK). Der aktuell härteste Wettbewerber von Chainlink ist dagegen das, von keinem geringeren als Sequoia Capital unterstützte, Band Protocol (BAND). Sie kennen Sequoia Capital nicht?

Nun, Sequoia Capital ist einer der bekanntesten Startup-Investoren im Silicon Valley und war seinerzeit sowohl an der Gründung von Apple als auch viele Jahre später Google (heute Teil von Alphabet) beteiligt. Band Protocol (BAND) ist eines der ersten Krypto-Projekte, in das Sequoia Capital investiert hat, so dass man hier sehr großes Interesse an einem Erfolg dieses Projekts haben dürfte. Chainlink weist dabei den Weg.

Generell ist es allerdings so, dass Chainlink mindestens zwei bis drei Jahre Vorsprung vor Band Protocol hat. Aber dieser Rückstand lässt sich unter Umständen trotzdem schneller aufholen als man vermuten würde. Denn bisher konzentrierten sich solche Oracles-Projekte, allen voran Chainlink, auf sogenannte statische Oracles. Das Ergebnis des WM-Finales wäre ein solches, denn dies steht nach Spielende endgültig fest.

Anders sähe dies während des Spiels aus. Hier kann sich das Ergebnis ständig verändern, so dass ständig neue Daten geliefert werden müssten, diese wären also dynamisch. Chainlink hat bereits angekündigt sich zukünftig verstärkt auf solche dynamischen Oracles zu fokussieren. Aber hier beginnt die Entwicklung erst und auch Band Protocol arbeitet bereits an diesem Thema.

Da ich dynamische Oracles am Ende für wichtiger halte, finde ich beide Projekte spannend. Mit dem Unterschied, dass die Marktkapitalisierung von Chainlink schon im zweistelligen Milliarden US-Dollar Bereich liegt, wohingegen Band Protocol noch weit unter einer Milliarde US-Dollar wert ist!

Weitere interessante Smart Contract-Plattformen...

Bevor ich gleich zum Schluss meines heutigen Artikels komme, möchte ich jedoch noch ein Thema aufgreifen, dass ich eben schon mal kurz angedeutet habe, nämlich die Alternativen zu Ethereum. Wie geschrieben liegt der Marktanteil von Ethereum immer noch bei rund 85 %. Dies bedeutet jedoch auch, dass sich noch weitere 15 % Marktanteil auf die Wettbewerber von Ethereum verteilen.

Diese sind: Cardano (ADA), das derzeit wieder als „Ethereum Killer“ Nummer 1 gehandelt wird sowie logischerweise Ethereum Classic (ETC). Doch darüber hinaus gibt es auch noch Tron (TRX), EOS oder Tezos (XTZ) sowie einige mehr. Nicht vergessen darf man in diesem Zusammenhang dann natürlich das „Ethereum Chinas“, nämlich NEO. Allerdings verfügt NEO über eine Sonderstellung.

Denn NEO hat einen Deal mit der kommunistischen Führung Chinas abgeschlossen. Im Rahmen dessen hat man sich den Kommunisten dahingehend unterworfen, dass diese bei Bedarf Zugriff auf die NEO-Blockchain und somit alle Daten haben. Im Gegenzug ist NEO in China – anders als beispielsweise Ethereum – erlaubt. In Sachen Kryptowährungen geht die Volksrepublik also einen ähnlichen Weg wie bei den großen Technologiekonzernen. Man schottet den Markt ab und fördert einheimische Projekte, wenn diese sich unterwerfen.

DeFi – oder warum Smart Contracts so wichtig sind

Womit ich nun langsam zum Ende meines Artikels kommen kann. Allerdings, das kann ich schon mal verraten, handelt es sich um ein offenes Ende. Denn zum Thema Decentralized Finance, kurz: DeFi, könnte man ein ganzes Buch schreiben. Mal sehen, vielleicht mache ich das ja sogar. Ein Buch über Kryptowährungen und das „Krypto Trading“ habe ich ja schließlich schon geschrieben. ;)

Aber zurück zum Thema DeFi. Die Smart Contracts nämlich kann man nicht nur für ICOs/ITOs nutzen, sondern mit ihrer Hilfe kann man auch ein ganz neues (dezentrales) Finanzsystem aufbauen. Genau das wurde bereits getan, auch wenn die breite Öffentlichkeit davon noch wenig mitbekommen haben mag. Dieses neue dezentrale Finanzsystem basiert natürlich auf Kryptowährungen, in erster Linie Bitcoin und Ether.

Im Rahmen dieses neuen dezentralen Finanzsystems gibt es Dezentrale (Krypto-)Börsen (DEX, kurz für Decentralized Exchanges). die Möglichkeit Krypto-Kredite aufzunehmen oder zu vergeben (Lending, nach dem Vorbild von P2P-Kreditplattformen) oder auch sein (Krypto-)Geld – wie früher auf dem Sparbuch – gegen Zinsen anzulegen (Staking beziehungsweise Yield Farming). Wenn Sie zur jüngeren Generation gehören und nicht wissen was Zinsen sind, einfach mal googeln.

In diesem Finanzsystem gibt es also alles, was es – zumindest früher – auch in unserem traditionellen Finanzsystem gab, mit einer einzigen Ausnahme: Banken und andere Finanzintermediäre. Aber schon Bill Gates soll mal gesagt haben: „We need banking, but we don’t need banks!”. Oder wie man in der Krypto-Szene sagt: “Be your own bank!“. Ich denke, dass ist ein schönes Schlusswort für meinen Artikel.

Nun würde ich mich freuen, wenn Sie – vielleicht auch durch Nutzung meines Trading-Services „Technologie-Aktien und Krypto-Trading Service“, kurz: TAK – mit mir zusammen tiefer in die faszinierende Welt der Kryptowährungen eintauchen würden!

2 Kommentare

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  • Data75
    Data75

    Aber ETH (und Co.) ist doch nicht dezentral. Die meisten Nodes laufen auf zentralen Cloud-Diensten.

    19:34 Uhr, 12.12.2021
  • tight-man
    tight-man

    danke, sehr gute Erklärung, da komme ich als absoluter Laie sogar mit.

    15:12 Uhr, 12.12.2021

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Über den Experten

Sascha Huber
Sascha Huber
Experte für Kryptowährungen

Sascha Huber, Jahrgang 1978 und wohnhaft in Trier, gilt als profunder Kenner der Hightechbranche. Als solcher erkannte er als einer der Ersten das große Potenzial von Aktien wie Amazon.com, Apple sowie zuletzt Facebook oder Tesla Motors. Zwischen 2010 und 2014 arbeitete er als Chefredakteur eines Börsenbriefs, der im Oktober 2014 übernommen wurde. Huber gilt als profunder Kenner von Kryptowährungen wie dem Bitcoin, Ether und Ripple. Auf stock3 betreut er sehr erfolgreich den "Technologie-Aktien & Krypto Trading-Service".

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