Kommentar
09:00 Uhr, 27.01.2007

Wie man ein Tradingtagebuch führt, das funktioniert

Brett N. Steenbarger, Ph.D.

In meinem letzten Artikel habe ich bereits einige der Tücken von Tradingtagebüchern vorgestellt. Diesmal will ich mich aber auf jene Aspekte der Tradingtagebücher konzentrieren, die ich in meiner Arbeit mit erfahrenen und professionellen Tradern als äußerst hilfreich empfunden habe. Mein Ziel als Tradingpsychologe liegt darin, alles in meiner Macht stehende zu tun, um die Lernkurven von Tradern zu beschleunigen. Das bedeutet manchmal, Tradern bei der Bewältigung emotionaler Probleme zu helfen. Doch sehr oft sind diese Probleme eine Folge des Tradings, und nicht ihr Grund. Ein Tagebuch, entsprechend konstruiert, ist ein sehr mächtiges Werkzeug beim ErLernen – und UmLernen – der Märkte und dem Kultivieren exemplarischer Verhaltensmuster. Hier sehen Sie nun einige der Prinzipien, die meine Tagebuchbasierte Arbeit mit Tradern begleitet haben:

1) Lassen Sie das Führen eines Tagebuchs einen Teil Ihrer täglichen Routine werden – Auch wenn Sie an einem bestimmten Tag keinen Trade durchführen, ist es nützlich die Setups des Tages, sowie das Verhalten bei Schlüsselpreislevels nochmals durchzusehen. Das wiederholte Durchsehen von Mustern auf verschiedenen Zeitebenen kann Tradern auch dabei helfen, den Kontext der Märkte zu verinnerlichen, sowie Wechselbeziehungen, die zwischen diesen Märkten herrschen, zu verstehen. Der Französische Wissenschafter Louis Pasteur hat beobachtet, dass bei der Observation, „Glück nur vorbereitete Geister bevorzugt“. Markttage zu wiederholen, die eigene Performance noch einmal zu betrachten, sowie das Identifizieren versäumter Möglichkeiten, bereiten Sie auf Ihre zukünftigen Leistungen vor. Denn Ihre steigende Vertrautheit mit Tradingmustern sensibilisiert Sie auf diese Muster auch in Echtzeit.
2) Binden Sie Spezifikationen in Ihre Tagebücher ein – Wenn ich mich auf die größte Unzulänglichkeit beim Führen von Tradingtagebüchern festlegen müsste, dann wäre das die mangelnde Detailliertheit. Einträge wie, „Ich war undiszipliniert; Ich muss besser aufpassen“, sind vielleicht als Post-It Erinnerungen zu gebrauchen, für einen Eintrag in ein Tagebuch ist das jedoch viel zu vage. Tagebücher müssen ganz klar zeigen, was passiert ist, Ihre Einschätzung, warum dies passiert ist, und die genauen Schritte angeben, die Sie in Zukunft bei der Aufarbeitung dieser Probleme setzen wollen. Eine gute Regel in dieser Hinsicht liegt darin, dass jeder Leser Ihres Tagebuches, die von Ihnen gesetzten Schritte identifizieren und befolgen können sollte. Ihr Tagebuch sollte ein Planungsdokument sein, und kein Statement der guten Vorsätze.
3) Versuchen Sie bei jeder Gelegenheit Ihre Tagebucheinträge mit geschätzten Kollegen oder Ihrem Mentor nach zu betrachten – Als ich in der Vergangenheit einmal ein Trainingsprogramm für neue Trader eingerichtet habe, lag einer meiner ersten Schritte darin, auf die tägliche Nachbetrachtung von Tradingtagebüchern zu bestehen. Dies erforderte von mir das Schaffen einer vertrauten und konstruktiven Umgebung, damit die Trader bei ihren Einträgen auch ehrlich bleiben würden. Als sich diese Offenheit entwickelt hatte, wurden die Nachbetrachtungen zu pro-aktiven Planungssitzungen (für gewöhnlich kurz vor dem Beginn eines Tradingtages), die Probleme behandelten, noch bevor Sie sich negativ auf die Gewinn- und Verluststatistik auswirken konnten. Noch wichtiger war jedoch, dass der tägliche Rückblick Erwartungen bezüglich Verantwortung generierte, da die Trader wussten, dass meine unausweichliche Frage, „Wie haben Sie sich bei der Erreichung Ihrer heutigen Ziele geschlagen?“, gestellt werden würde.
4) Verwenden Sie Ihr Tagebuch sowohl für positive Tradingleistungen als auch für Probleme – Der zweitgrößte Fehler beim Führen von Tagebüchern besteht darin, dass sie sich auf Probleme konzentrieren und nicht auf deren Lösung. Wenn Tagebücher zu einer Aufzählung von Fehlern und Unzulänglichkeiten verkommen, dann werden Trader unweigerlich ihr Interesse an ihnen verlieren. Trader können genauso viel von den Dingen lernen, die sie falsch gemacht haben, wie von jenen Phasen, in denen sie sich richtig verhalten haben. Meine Lieblingsanweisung an neue Trader liegt darin, sie jeweils eine Sache hervorheben zu lassen, die sie am Vortag gut gemacht haben und die Sie an diesem Tag wiederholen wollen, sowie eine Sache hervorzuheben, die sie an diesem Tag besser machen wollen. Dies führt dazu, dass der Trader sich sowohl seiner Stärken als auch seiner Schwächen bewusst wird, und sie nicht aus den Augen verliert.
5) Jeder Eintrag sollte markt- bzw. traderbezogene Bestandteile beinhalten – Es ist für Trader nicht ungewöhnlich, dass sie sich nur auf einen dieser Bestandteile konzentrieren, der andere aber zu kurz kommt. Das Hauptkonzept, das ich bei der Arbeit mit Tradern hervorhebe, liegt bei der Erkennung von Mustern. Trader geben diese Muster in Ihren Verhaltensmustern wieder: einige davon sind positiv, andere beeinträchtigen die Profitabilität. Märkte weisen ebenfalls Muster auf; und es sind Trader, die diese Muster bei ihrem Auftreten erkennen können, und schnell darauf reagieren. Dies hat die höchste Chance für langfristigen Erfolg. Das Einbinden von Materialien über Tradingmuster und über Tradermuster macht das Tagebuch zu einem Lernwerkzeug über einen selbst und über die Märkte.

Die besten Tradingtagebücher, die ich im Laufe meiner Beobachtungen gesehen habe, waren jene, die sowohl kreativ als auch rigoros geführt wurden. Ich zeige Ihnen nun die 2 wichtigsten Schritte, die Sie am Weg zu einem stark verbesserten Tagebuch setzen sollten:

1) Machen Sie es zu einem Multimediaprojekt – Ein Tradingtagebuch im Stile eines herkömmlichen Tagebuchs zu führen ist gut, kommentierte Charts einzubinden ist besser, aber die Einbindung von Videomaterial ist am besten. Programme wie E-Signal erlauben es Ihnen, zu jeder Zeit des Tradingtages Screenshots des Marktes zu machen, sowie den erneuten „Ablauf“ eines Tradingtages und dessen Entfaltung zu beobachten. Besser sind jedoch Desktop Video Programme wie Camtasia (www.techsmith.com), die hochkomprimierte Videodateien Ihrer Desktopaktivitäten erzeugen. Dies erlaubt Ihnen Ihre täglichen Trades in einer Gesamtheit zu erfassen, der sie wiederum eine Tonspur mit Kommentaren hinzufügen können. 90 % der Widererkennung von Mustern liegt in der Wiederholung: und zwar eine ausreichende Anzahl an Varianten zu sehen, auf die Sie sich sensibilisieren können, um festzustellen, was wichtig und was vernachlässigbar ist. Obwohl statische Charts besser als nichts sind, zeigen Sie nicht die Entwicklung von Mustern: das Wichtigste, wozu Trader in der Lage sein sollten, ist das Erkennen von Mustern und die entsprechende Reaktion darauf. Videos bieten einem die Möglichkeit, Muster immer wieder zu beobachten, und damit den Wiedererkennungsprozess zu beschleunigen. Multimediale Tagebücher führen weiters dazu, dass Trader aktiv beschäftigt sind und Märkte auf verschiedene Arten (Bilder, Geräusche, Texte) bearbeiten können. Bildungsrecherchen zeigen uns, dass ein Lernprozess vor allem dann auftritt, wenn die Lernenden aktiv in den Erwerb von Wissen und Fähigkeiten eingebunden sind. Ein beschäftigendes, multimodales Tagebuch offeriert einem ein besseres Lerninstruments, als ein herkömmliches Tagebuch.
2) Binden Sie Maße ein – Ich könnte ein ganzes Buch über dieses Thema schreiben. Es ist absolut beeindruckend, wie viel Trader aus ihren Tagebüchern zusätzlich rausholen können, wenn Sie ganz einfache Statistiken über ihre Performance führen. Tradingtendenzen, die man eventuell übersehen hätte, fallen nun in Ihrer Summe plötzlich statistisch auf. Vor allem auf dem Gebiet der Arbeit und der Verbesserung können sie hilfreich sein. Mit Statistiken können wir nicht nur belegen, dass ein Trader sich verbessert hat, sondern die Verbesserung auch messen und zurückverfolgen. Solche Statistiken erfassen Steigerungen, die sich schlussendlich auch am Gewinn/ Verlust Statement niederschlagen werden, jedoch nicht unmittelbar augenscheinlich sind. Hier sehen Sie meine Lieblingstradingmaße für aktive Trader:

• Die Anzahl von Gewinn-, Verlust, und Breakeventrades;
• Die durchschnittliche Größe von Gewinn- und Verlusttrades;
• Die durchschnittliche Haltedauer pro Trade, sowie die durchschnittliche Haltedauer bei Gewinn-, Verlust, und Breakeventrades;
• Die Anzahl von Gewinn-, Verlust-, und Breakeventrades aufgegliedert nach Long- und Shortpositionen;
• Die Anzahl von Gewinn-, Verlust-, und Breakeventrades aufgegliedert nach der Uhrzeit;
• Die durchschnittliche Haltedauer pro Trader für Long- und Shortpositionen, aufgegliedert nach der Uhrzeit;
• Die Anzahl von Gewinn-, Verlust-, und Breakeventrades kategorisiert nach Aufwärtstrend, Abwärtstrend und Neutral;
• Täglicher Gewinn/ Verlust ebenfalls kategorisiert nach Aufwärtstrend, Abwärtstrend und Neutral;
• Die Reihenfolge von Gewinn- und Verlusttrades während eines Tages bzw. von einem Tag auf den anderen;
• Die größten Gewinn- und Verlusttrades während eines Tages und einer Woche;
• Die größten Gewinn- und Verlusttrades während einer Woche und eines Monats.

Trader, deren Handelsfrequenz nicht zu hoch ist, können diese Statistiken manuell führen. Sehr aktive Trader können sich jedoch Programme zu Nutze machen, die automatisch Tradingdaten erfassen und die Performances zusammenfassen, wie dies etwa DNA (www.traderdna.com) tut. Die Daten bieten sehr hilfreiche Anhaltspunkte, die es Tradern erlauben, Probleme zu diagnostizieren und Verbesserungen nachzuvollziehen. Hier sehen Sie nun einige der Verbesserungsbereiche, die für gewöhnlich nach statistischer Analyse der Performance auftreten:

• Die Haltedauer bei Verlustpositionen ist gleichlang oder länger als jene von Gewinnpositionen;
• Trading mit einer beharrlichen Long- oder Shorttendenz, die nicht von Markttrends unterstützt wird;
• Signifikante Profitabilitätsunterschiede zwischen dem Trading am Vormittag im Vergleich zum Nachmittag;
• Die Tendenz Serien von Gewinn- oder Verlusttrades zu haben;
• Signifikante Profitabilitätsunterschiede unter verschiedenen Marktbedingungen, wie hochvolatilen Märkten bzw. Trendmärkten;
• Die Tendenz Profite einer großen Anzahl von profitablen Trades, mit wenigen großen Verlustpositionen wieder abzugeben.

Wenn Sie rigorose Maße mit einem multimedialen Tagebuch kombinieren, wird daraus ein fortschreitender Qualitätsverbesserungsprozess resultieren, der ganz typisch für die Spitzenunternehmen ist. Die besten Tradingtagebücher stellen Technologie für das Lernen sowie die Selbstverbesserung dar. Dies erfordert jedoch Zeit, Einsatz und Kreativität. Doch die Resultate werden dieses Investment rechtfertigen.

TJ-Fazit:
Tradingtagebücher sind nicht nur in schlechten, sondern auch in guten Phasen von großem Nutzen.

Multimediale Aufarbeitung hilft bei der Beschleunigung des Lernprozesses.

Statistische Auswertungen können signifikante Performancesprünge bewirken.

Quelle: www.traders-journal.de

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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