Fundamentale Nachricht
15:08 Uhr, 10.06.2014

Wie funktionieren die neuen EZB-Geldspritzen (TLTRO)?

Die EZB plant neue zweckgebundene Refinanzierungsgeschäfte, um die Kreditvergabe in der Eurozone anzukurbeln. Landen die Gelder aber womöglich doch wieder an den Kapitalmärkten?

Die EZB hat am vergangenen Donnerstag zielgerichtete langfristige Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO) angekündigt. Die Geldspritze soll an Bedingungen geknüpft werden, um sicherzustellen, dass die Mittel tatsächlich in Kredite und damit in die Realwirtschaft fließen und nicht wie bisher größtenteils in Aktien, Anleihen oder Immobilien. Das Geld aus den TLTRO darf auch nicht für Baufinanzierungen genutzt werden. Im September 2014 und Dezember 2014 sollen Banken insgesamt 7 Prozent des bestehenden Kreditvolumens (per 30. April 2014) von der EZB ausleihen können. Das sind insgesamt 400 Milliarden Euro. Der Zins wird im Nachhinein verrechnet und liegt 10 Basispunkte über dem Hauptrefinanzierungssatz - er beträgt also 0,25 Prozent.

Wie soll die Mittelverwendung sichergestellt werden?

Zunächst wird die Nettokreditvergabe jeder Geschäftsbank zwischen 30. April 2013 und 30. April 2014 ermittelt, welche die Referenzgröße darstellt. Die ausgeborgten Mittel sollen für ein gegenüber dieser Referenzgröße gesteigertes Nettokreditvolumen verwendet werden. Wie das sichergestellt werden soll, ist bisher unklar. In einer Pressemitteilung der EZB heißt es lediglich: Geschäftspartner, die Kredite […] aufgenommen haben und deren Nettokreditvergabe an den nicht-finanziellen privaten Sektor des Euroraums (ohne Wohnungsbaukredite an private Haushalte) im Zeitraum vom 1. Mai 2014 bis zum 30. April 2016 (3) unterhalb der Referenzgröße (2) geblieben ist, werden dazu verpflichtet, die aufgenommenen Mittel im September 2016 zurückzuzahlen (1).“

Das heißt nach meinem Verständnis: Die Banken SOLLEN mit dem Geld die Nettokreditvergabe ausweiten, sie MÜSSEN aber NICHT:

(1) Wenn das Kreditvolumen nicht wächst, müssen die EZB-Kredite lediglich schon nach zwei Jahren (im September 2016) zurückgezahlt werden. Man kann das Programm also genauso gut als herkömmliche 2-jährige Refinanzierungsgeschäfte ohne Zweckbindung betrachten.

(2) Zudem heißt es wörtlich, dass die Mittel vorzeitig zurückgezahlt werden müssen, wenn die Nettokreditvergabe „unterhalb der Referenzgröße“ geblieben ist. Die Nettokreditvergabe muss also lediglich stabil gehalten werden, um in den Genuss von vierjährigen EZB-Krediten zu kommen.

(3) Die Nettokreditvergabe darf innerhalb von zwei Jahren (1. Mai 2014 bis 30. April 2016) nicht unterhalb der Referenzgröße, die aus der Nettokreditvergabe von nur einem Jahr gebildet wurde, liegen. Darf sich die Nettokreditvergabe auf Jahressicht also sogar halbieren, um in den Genuss von 4-jährigen LTRO zu kommen? Zudem dürfte die Nettokreditvergabe im letzten Jahr bei vielen Kreditinstituten negativ gewesen sein. Zumindest das Kreditvolumen in der gesamten Eurozone ist seit einiger Zeit rückläufig. Es dürfte also gar nicht so schwer sein, die Referenzgröße zu übertreffen.

Die EZB hat bereits angekündigt, dass weitere technische Einzelheiten zu gegebener Zeit bekannt gegeben werden. Dies ist auch dringend nötig. Nach den mir bisher vorliegenden Informationen ist mir jedenfalls unklar, warum in diesem Zusammenhang von „strengen Bedingungen“ die Rede ist.

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1 Kommentar

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  • Simon Hauser
    Simon Hauser Redakteur

    Sehr informativer Artikel. Man kann also ausgehen, dass das Geld über die nächsten zwei Jahre zumindest teilweise (hauptsächlich?) in Staatsanleihen geht.

    15:29 Uhr, 10.06.2014

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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