Kommentar
19:30 Uhr, 31.05.2017

Wie die EU-Bürokratie den Euro umkrempeln will

Die heute vorgestellten Vorschläge der EU-Kommission sind nicht neu, aber haben es in sich: Eine gemeinsame Einlagensicherung für die Banken, gemeinsame „sichere Anlagen“ für alle Euro-Mitglieder und zentrale "Stabilisierungsfonds" für die Eurozone. Kann die totale Schuldenvergemeinschaftung noch vermieden werden?

Die Europäische Kommission hat heute ihre Vorschläge zur Reform der Wirtschafts- und Währungsunion vorgestellt. Das Ziel: Die Eurozone soll krisenfester gemacht werden. Außerdem sollen sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der einzelnen Mitgliedsstaaten stärker annähern und Institutionen wie die Eurogruppe einer stärkeren demokratischen Kontrolle unterworfen werden.

Die Vorschläge bergen viel Konfliktpotenzial. So waren bisherige Vorschläge zur Schuldenvergemeinschaftung in der Wirtschafts- und Währungsunion meist am Widerstand der Bundesregierung und einiger anderer "Nordländer" gescheitert. So etwa die Ausgabe gemeinsamer Staatsanleihen der Euroländer (sogenannte Eurobonds) mit gemeinsamer Haftung oder ein gemeinsames Einlagensicherungssystem aller Banken in Europa. Schließlich ist es den deutschen Wählern kaum vermittelbar, dass sie nun auch für die Banken- und Staatsschulden Griechenlands oder Italiens haften sollen.

Mit ihren heute veröffentlichten Vorschlägen versucht die EU-Kommission einen schwierigen Mittelweg. So soll es etwa gemeinsame Anleihen in der Eurozone geben, ohne dass die individuelle Haftung der einzelnen Mitgliedsstaaten aufgehoben wird.

Die wichtigsten Vorschläge der EU-Kommission zur Reform des Euros im Überblick:

  • Statt eines "großen Sprungs" nach vorne soll es zunächst mehrere kleine Schritte geben, um die Eurozone widerstandsfähiger zu machen. So könnte etwa der gemeinsame Investitionsfonds der Eurozone vergrößert werden, außerdem sollen die Regeln zum Umgang mit faulen Krediten vereinheitlicht werden.
  • Die Bankenunion soll bis 2019 vervollständigt werden und bis 2025 voll funktionsfähig sein, schlägt die EU-Kommission vor. Nachdem inzwischen eine gemeinsame Aufsicht für die größten Banken bei der EZB eingerichtet wurde und ein gemeinsamer Abwicklungsfonds die Arbeit aufgenommen hat und stufenweise mit Kapital ausgestattet wird, schlägt die EU-Kommission zusätzlich die Einrichtung eines gemeinsamen Einlagensicherungsfonds für die gesamte Eurozone vor. Banken in Deutschland sollen also auch Kontoeinlagen in Griechenland oder Italien garantieren, und umgekehrt. Dieser Vorschlag bietet großes Konfliktpotenzial und ist bisher am Widerstand der Bundesregierung gescheitert. Außerdem schlägt die EU-Kommission eine "glaubwürdige fiskalische Letztsicherung" für den gemeinsamen Bankenabwicklungsfonds vor. Gemeint ist damit, dass im Zweifel wohl doch alle Euro-Länder gemeinsam für die europäischen Banken haften sollen, für den Fall, dass zu viele Banken gleichzeitig zahlungsunfähig werden und der Abwicklungsfonds dann nicht ausreicht.
  • Statt Eurobonds schlägt die EU-Kommission die Einführung einer "gemeinsamen sicheren Anlage" ohne gemeinsame Haftung der einzelnen Euro-Mitglieder vor. Viele Banken haben bisher nämlich vor allem Staatsanleihen ihres Heimatlandes in der Bilanz. Daraus entsteht eine gegenseitige Abhängigkeit zum Beispiel zwischen italienischen Banken und dem italienischen Staat. Als Lösung könnten Anleihen dienen, die auf europäischer Ebene emittiert werden. So könnte eine europäische Institution Staatsanleihen der Euro-Länder aufkaufen, bündeln, und in Form neuer Finanzinstrumente ausgeben. Die individuelle Haftung der Euro-Länder für ihre eigenen Schulden bliebe damit (zumindest auf dem Papier) erhalten, gleichzeitig gäber es aber sichere Anleihen, die überall in der Eurozone von den jeweiligen Banken gehalten werden könnten. Wie diese sogenannten "European Safe Bonds" genau funktionieren könnten, und ob damit das Problem einer Schuldenvergemeinschaftung tatsächlich vermieden wird, habe ich in diesem Artikel erklärt. Die EU-Kommission weiß aber selbst noch nicht so genau, wie das Instrument genau funktionieren soll und will zunächst "weitere Überlegungen" anstellen.
  • Statt fiskalischer Transferzahlungen von den reicheren zu den ärmeren Euro-Ländern schlägt die EU-Kommission die Einführung von gemeinsamen Stabilisierungsfonds vor. Dauerhafte Transferzahlungen sind bisher ebenfalls am Widerstand der Bundesregierung gescheitert. Die Stabilisierungsfonds sollen hingegen nur vorübergehende Schwächephasen in einzelnen Mitgliedsstaaten ausgleichen. Dies könnte zum Beispiel über die Einführung einer europaweiten Arbeitslosen-Rückversicherung erfolgen. Steigen die Ausgaben für Arbeitslosenhilfen in einem einzelnen Mitgliedsland stark an, so würde die Rückversicherung einen Teil der Kosten übernehmen. Dadurch soll verhindert werden, dass die Staaten ausgerechnet in wirtschaftlichen Schwächephasen weniger Geld für Investitionen zur Verfügung haben, weil die Sozialausgaben krisenbedingt stark steigen.
  • Kapitalmarktunion: Die Kapitalmärkte der einzelnen Euro-Mitglieder sollen stärker integriert werden. Die Idee dahinter: Unternehmen sollen sich überall in Europa frische Kredite oder auch frisches Eigenkapital besorgen können, ohne dabei auf große rechtliche oder andere Hürden zu stoßen. Dafür sollen nicht nur die gesetzlichen Regeln für die Kapitalmärkte vereinheitlich werden, sondern auch in Bereichen wie Steuern oder technischer Infrastruktur eine Angleichung erfolgen.
  • Die EU-Kommission beharrt darauf, dass alle EU-Mitglieder den Euro als Währung einführen, benennt aber keinen Zeitpunkt, bis zu dem das erreicht sein soll. Es gibt nur zwei Ausnahmen: Großbritannien, das die EU ohnehin verlassen wird, und Dänemark. Beide Länder hatten schon beim Eintritt in die EU vereinbart, dass sie den Euro nicht einführen müssen und müssen das auch jetzt nicht tun. Bisher haben 19 der insgesamt 28 EU-Staaten ihre nationale Währung durch den Euro ersetzt.

Die Vorschläge der EU-Kommission sind in vielen Bereichen durchaus sinnvoll. Es bleibt aber fraglich, inwiefern eine Schuldenvergemeinschaftung oder zusätzliche Transferzahlungen von den reicheren zu den ärmeren Euro-Ländern tatsächlich dadurch vermieden Vor der Bundestagswahl im September dürften aber ohnehin keine Reformen der Wirtschafts- und Währungsunion beschlossen werden.

Die detaillierten Vorschläge der EU-Kommission können hier nachgelesen werden.

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15 Kommentare

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  • trunki
    trunki

    Tja wer am Titel Exportweltmeister festhalten will und damit am bedingungslosen weiterso und auch noch glaubt nachhaltig und dauerhaft davon zu profitieren der wird an einer gemeinsamen Haftung nicht vorbikommen und kann sich dann noch einige wenige Jahre in den Dienst des Kapitals stellen.

    @sascha Huber

    es geht weniger um das deutsche Geld als um das einspannen der deutschen Obrigkeitshörigkeit für eigene Zwecke. "Die 'Deutschen" haben eben nicht das große Geld aber Sie bereiten in ihrer politischen Naivität und ihrer ökonomischen Unkenntnis den Boden für das große Geld.

    08:41 Uhr, 01.06. 2017
  • Spielwiese
    Spielwiese

    Lustig, wie sich hier alle erwartbar aufregen. In Deutschland haben wir den Länderfinanzausgleich...Eine gemeinsame Währung ist nur so möglich. Einfach mal ein Lehrbuch zu den Voraussetzungen optimaler Währungsräume schnappen, statt wie wild mit den Füßen zu stampfen.

    00:26 Uhr, 01.06. 2017
    2 Antworten anzeigen
  • Zukunft21
    Zukunft21

    Hoffen wir mal das die Wähler einen gewissen Weitblick behalten.

    22:14 Uhr, 31.05. 2017
  • Zukunft21
    Zukunft21

    die fahren den Karren damit entgültig an die Wand.

    Haftung für alle das nennt man Solidarität oder auch Raub und wird noch ganz anderstw erden und denen werden noch die Augen auf gehen mit ihrer schei........ EU

    22:12 Uhr, 31.05. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • Sascha Huber
    Sascha Huber Experte für Kryptowährungen

    Alter Wein in neuen Schläuchen. Man will das deutsche Geld, sonst nichts. Geht das durch, was unter #Murksel möglich und Schulz sicher ist, sind wir in 20 Jahren am A...llerwertesten!!

    21:55 Uhr, 31.05. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • Selten
    Selten

    OK. Eurobonds durch die Hintertür.

    Wir zahlen die Schulden ALLER

    20:05 Uhr, 31.05. 2017

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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