Wettbewerb ja, solange wir die Starken sind
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Jetzt haben es fast alle mitbekommen: Die Verteilung des Reichtums auf der Welt hat sich gründlich geändert. Die wirtschaftliche Dominanz der Alten Welt ist gehörig ins Wanken geraten.
Das liegt an einer Reihe von Entwicklungen. Zuerst einmal haben sich einige vormals so genannte Entwicklungsländer prächtig entwickelt. Sie profitieren nun davon, dass sie gute und liberale Wirtschaftsordnungen eingeführt haben und die Herausforderung angenommen haben, sich in die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung einzufügen. Durch eigene Anstrengung und Mut zum Risiko wurden sie erfolgreich. Viele dieser Länder liegen in Asien.
Andere haben fest entschlossen die Fesseln des Kommunismus abgestreift, wurden Teil der Europäischen Union und modernisierten sich mit Sieben-Meilen-Stiefeln. Länder wie Polen, Ungarn und Tschechien zum Beispiel.
Wieder anderen kommt zugute, dass sie Anbieter von Rohstoffen, Erdöl und Gas sind. Dies sind vor allem Russland und andere energiereiche post-sowjetische Staaten sowie der größte Teil des Nahen Ostens, besonders die Golfstaaten.
Die rohstoffhungrigen Schwellenländern China und Indien sind auf Energielieferungen dringend angewiesen. China ist rohstoffarm. Es besitzt keine Reserven für landwirtschaftlich nutzbares Land. Es hat Kohle, aber kaum Öl und Gas. Es benötigt Futtermittel und Fleisch. Für diesen Importhunger sind die Südamerikaner ideale Partner. Und so wird es bald auch zu einem Reichtumsschub in vielen Ländern Lateinamerikas kommen, wegen der doppelten Nutzung von agrarischen Rohstoffen als Energiebasis und Futter- und Nahrungsmittel, die diese Länder unter anderem nach China exportieren.
Doch die neue Wirtschaftsordnung der Welt kennt auch Verlierer. Früher reiche Länder haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht: Viele verharren risikoscheu, protektionistisch und kollektivistisch und rufen nach Umverteilung und mehr staatlicher Fürsorge. Diese Staatsgläubigkeit hat den Leistungswillen untergraben, die Empfängermentalität begünstigt und Risikokapital verknappt. Jetzt erhalten diese Länder die Quittung.
Viele Schwellenländer dagegen haben ihre Verbindlichkeiten gegenüber internationalen Organisationen getilgt und Auslandsschulden generell abgebaut. Viele haben darüber hinaus Devisenreserven gebildet, die weit über den Bedarf hinausgehen, um für Währungskrisen gewappnet zu sein. In vielen Ländern Asiens betragen die Währungsreserven mehr als 40 Prozent des Sozialprodukts. Lange Zeit waren sie bereit, diese Mittel nahezu ausschließlich liquide und in US-Dollar zu halten. Diese Zeiten sind vorüber. Die Renditevorstellungen für die Anlagen sind jetzt höher. Und eine Reihe derer, die jetzt erstmals sehr reich sind, haben strategische Ideen, was sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln anfangen wollen.
Staatliche Institutionen, die in vielen Ländern zum Teil nach dem Muster der ADIA in Abu Dhabi oder der GIC in Singapur gebildet werden, so jetzt auch in China, spielen hier eine wichtige Rolle. Gleichzeitig steigt die Bedeutung privater Organisationen wie Pensions- und Hedgefonds.
Solche Veränderungen können nicht spurlos an den etablierten Volkswirtschaften vorübergehen. Die so genannte Deutschland AG, die Verflechtung der großen Konzerne untereinander also – schon seit 20 Jahren in (Selbst-)Auflösung begriffen – ist ebenso gefordert wie die staatlich gelenkte Industriepolitik in Frankreich oder der Protektionismus in den großen europäischen Mittelmeerländern wie Spanien und Italien.
Die Reaktionen der alten Welt auf die neuen Herausforderungen überzeugen nicht: Statt die Realität anzuerkennen und den Leistungswettbewerb anzunehmen, wird der Ruf lauter nach neuen Gesetzen, Protektionismus und Schutzwällen. Dies könnte zu einer Eskalation von Vergeltungsmaßnahmen führen. Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen sollte als warnendes Beispiel genügen. So gewinnt man nichts und schon gar nicht Wohlstand und Frieden.
Dass eine andere, eine liberale Politik politisch schwer zu vermitteln sein mag, sei eingeräumt. Populistischen Reflexen nachzugeben ist indes keine gute Politik. Statt über Hedge-Fonds zu meckern und sie in ihrem Handeln zu behindern, sollten klare Regeln etabliert werden, die ihre möglichen Gefährdungswirkungen einhegen. So sollte den Finanzinvestoren eine Pflicht zu mehr Transparenz und Dokumentation auferlegt werden. Statt staatliche Fonds, die die angesammelten Mittel rentabler anlegen wollen, mit Sonderregelungen zu behindern, sollten wir – unserer eigenen Wirtschaftsordnung gemäß – auch diese Investoren gleichbehandeln. Alles, was einer effektiven Wettbewerbswirkung entspricht, ist erlaubt, alles was Wettbewerb behindert, ist nicht zulässig. Auf diese Weise sind keine neuen Regelungen oder neue Institutionen erforderlich, um den Herausforderungen zu begegnen. Die Institutionen des Wettbewerbsrechts und der Kapitalmärkte sind dafür ausreichend.
Ein wichtiges Argument gilt es noch zu beachten: Muss man nicht auf Reziprozität achten? Muss man jenen, die ihre Länder, ihre strategischen Sektoren wie Energie und Telekommunikation nicht öffnen, nicht mit eben denselben Einschränkungen begegnen? Ist eine solche Haltung denn erfahrungsgemäß nicht die einzige Handhabe, solches Verhalten zu korrigieren? Diese Frage ist berechtigt. Die Wirkung indes ist nicht eindeutig. Nur wer gleichzeitig seine eigenen Positionen im Wettbewerb ständig verbessert, wird bei solchen Maßnahmen letztlich erfolgreich sein.
Wenn die Alte Welt in diesem Rennen nicht auf die Verliererseite geraten will, dann darf sie den Herausforderungen der Demographie, der notwendigen Umgestaltung der Energiewirtschaft – hin zu einem Energiemix mit mehr erneuerbaren Energien – und dem Bau der Wissensgesellschaft nicht apathisch gegenüberstehen. Wir haben eine Wettbewerbschance. Aber nicht, wenn wir weiter so untätig sind.
Quelle: Deutsche Bank Research
Autor: Norbert Walter
Dieser Kommentar wurde auf http://www.boerse-go.de/research/ veröffentlicht.
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