Kommentar
16:00 Uhr, 22.07.2016

Werden die Zentralbanken jetzt ruhiger?

Der gestrige EZB-Zinsentscheid war unspektakulär. Bei der Pressekonferenz schien sich Draghi insbesondere zu Beginn selbst zu langweilen. Dann gab es aber doch noch eine Überraschung.

Alles bleibt so, wie es ist

Das ist die Zusammenfassung des EZB Entscheids inklusive der Pressekonferenz. Die Notenbank sieht derzeit keine Notwendigkeit dafür, ihre bereits beschlossenen Maßnahmen anzupassen. Insbesondere die Brexit-Folgen können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gut genug beurteilt werden, um zu eindeutigen Schlussfolgerungen zu kommen.

Dass man den Brexit aus wirtschaftlicher Sicht nun noch nicht von allen Seiten beleuchtet hat und Bestätigung für eine Verlangsamung findet, ist klar. Kurz nach dem Votum hatte die EZB jedoch eine Schätzung parat, in der sie das Wachstum der Eurozone bis 2018 um 0,5 Prozentpunkte niedriger sieht. Für mich klingt das widersprüchlich. Einerseits weiß man schon, dass das Wachstum niedriger ausfällt, andererseits braucht man noch Zeit für eine Beurteilung der Lage...


Die EZB wartet ab - und die BoJ?

Das ist auch gut so. Zentralbanken, die nun mit wild mit neuen Maßnahmen um sich zu schießen beginnen, brauchen wir eigentlich nicht. Das scheint sich auch die japanische Notenbank zu denken. Helikoptergeld erteilte Notenbankchef Kuroda heute eine Absage. Personal der BoJ legte noch mit einer ungünstigen Einschätzung nach. Demnach sei selbst eine niedriger ausfallende Inflation kein Garant für neue Lockerung!

Das Timing der moderaten Töne der BoJ ist interessant. Gerade erste kündigte die Regierung unter Premierminister Abe ein 187 Mrd. Dollar schweres Konjunkturprogramm an und schon kommt von der BoJ die Absage an neue aggressive Maßnahmen. Eigentlich hieß es noch vor einer Woche, Regierung und Notenbank wollen an einem Strang ziehen. Das Verständnis davon war im Markt ein anderes.

Vielleicht ziehen BoJ und Regierung an einem Strang, nur ganz anders als erwartet. Die Regierung legt ein wirklich sehr großes Konjunkturprogramm auf (4,5 % der Wirtschaftsleistung). Das wird sich zwangsläufig positiv auf die Inflation auswirken. So wird Druck von der Notenbank genommen noch mehr Geld zu drucken.

Wiederaufnahme des Aufwertungstrends im Yen

Ewig kann die Notenbank dabei nicht zusehen, doch durch die Maßnahmen der Regierung hat sie vermutlich ein halbes Jahr Zeit gewonnen. Denkbar ist auch eine eher symbolische Lockerung der Geldpolitik, indem die Zinsen um ein paar Basispunkte gesenkt werden.

Es deutet nun immer mehr darauf hin, dass EZB, BoJ und auch die Fed erst einmal abwarten. Die Bank of England tat dies bereits vor einer Woche, als sie beschloss, erst einmal nicht durch Zinssenkung oder QE auf den Brexit zu regieren. Ein Schritt wird zwar im August erwartet, doch auch das nicht 100 % sicher. Einzelne Notenbanker haben ihre Zweifel, dass sie wirklich über Zinssenkungen und QE etwas bewirken können. Die BoE hat somit die Chance nicht die gleichen Fehler wie andere Notenbanken zu begehen. Bleibt abzuwarten, ob sie wirklich so weise ist.

Der generelle Tenor ist derzeit "Ruhe bewahren"

Das ist nach der Hyperaktivität der letzten Monate zwar fast schon komatös, doch genau das richtige. Wichtiger ist, dass Notenbanken dort eingreifen, wo es wirklich Sinn macht, etwa bei der Bewältigung der faulen Kredite in der Eurozone, insbesondere in Italien. Hier überraschte Draghi, indem er sich indirekt für eine von öffentlicher Hand gestützte Lösung aussprach. Vielleicht kommt demnächst Bewegung in die Sache. Das würde der Wirtschaft sehr viel mehr helfen als noch einmal 10 Mrd. mehr and Bondkäufen.

Clemens Schmale

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2 Kommentare

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  • Mitdenker
    Mitdenker

    Na ja, ein stummer Affe mit einer Pistole ist immer noch gefährlich. Nur weil die Notenbanken z.Z. nicht ohne Sinn und Verstand um sich schießen, würde ich nicht sagen, dass sie ruhiger oder gar klüger werden......

    14:47 Uhr, 25.07. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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