Weltmärkte im Fokus: Droht eine Immobilienblase in Deutschland?
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Seit der Finanzkrise ist viel Geld in scheinbar sichere Wohnimmobilien in Deutschland geflossen. Niedrige Finanzierungskosten und eine hohe Nachfrage haben in Städten wie München, Hamburg oder Berlin zu rasant steigenden Preise geführt. Aber ist diese Entwicklung nachhaltig oder droht auch bei uns eine Immobilienblase?
Es waren drastische Worte, mit denen Otmar Issing, früherer Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), vor einer neuen Immobilienblase in Europa gewarnt hat. Da die Notenbankbilanzen durch die Euro-Krise aufgebläht seien, werde bei Aktien oder Immobilien „eine neue Blase entstehen", sagte Issing in einem Presseinterview. Issing ist nicht der einzige prominente Ökonom, dem der Immobilienboom, wie er zum Beispiel in Deutschland zu beobachten ist, Kopfzerbrechen bereitet. Tatsächlich sind die Immobilienpreise in Deutschland in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Seit dem Jahr 2010 legten die Immobilienpreise und Mieten in Deutschland je nach Index jährlich um 2,5 bis 6,3 Prozent zu, wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ermittelt hat. Doch die Zahlen für das gesamte Bundesgebiet können leicht täuschen. Denn während in wirtschaftlich schwachen Regionen abseits der Ballungsräume die Preise sogar gesunken sind, waren in den Ballungsgebieten in und um München, Hamburg oder Berlin je nach Lage auch prozentual zweistellige Anstiege pro Jahr zu verzeichnen.
Ausgerechnet die neue Risikoscheu vieler Anleger hat den Boom begünstigt: Statt in den offensichtlich unsicheren südeuropäischen Ländern zu investieren, floss seit Ausbruch der Euro-Krise wieder viel Kapital nach Deutschland zurück. Es begann geradezu ein Run auf Grundstücke in deutschen Ballungsräumen. Wie bei jedem Boom mangelt es nicht an guten Argumenten für diese Entwicklung. Besonders in den deutschen Großstädten gibt es nicht genügend Wohnraum, weil jahrelang nicht genügend in neue Wohnungen investiert wurde. Trotzdem ist die jüngste Entwicklung besorgniserregend, schon wegen der Exzesse, die in einigen Gebieten zu beobachten sind. So stiegen die Preise für Grundstücke in München, auf denen große Eigentumswohnanlagen errichtet werden, zeitweise um 31 Prozent pro Jahr. Ein solches Plus lässt sich kaum noch mit rationalen Erwägungen der Käufer erklären.
Was passieren kann, wenn sich ein rasanter Anstieg der Immobilienpreise plötzlich umkehrt, lässt sich in den Niederlanden beobachten. Lange Zeit waren die Niederlande ein Inbegriff der Stabilität in der Eurozone, doch jetzt platzt dort eine Immobilienblase, die erschreckende Ausmaße erreicht hat. Durch den Preisrückgang haben inzwischen 1,3 Millionen Haushalte höhere Hypothekenschulden, als ihre Immobilien überhaupt noch wert sind. Bezogen auf alle Haushalte haben die Hypothekenschulden inzwischen 60 Prozent des Gesamtwerts der niederländischen Immobilien erreicht. Da die Immobilienpreise wohl weiter sinken, dürfte die Quote weiter ansteigen.
Eine ähnliche Entwicklung ist in Deutschland bisher nicht absehbar, vor allem weil die Deutschen ihre Immobilien weniger auf Pump kaufen als es seinerzeit in den Niederlanden, Spanien oder den USA üblich war. Dies zeigt sich auch daran, dass die Kreditaufnahme in Deutschland trotz Immobilienboom nur leicht gestiegen ist. Trotzdem begünstigen die niedrigen Zinsen den Boom. Denn schon das Wissen um die extrem lockere Geldpolitik führt zur Flucht in Sachwerte und treibt damit die Vermögenspreise nach oben – ganz unabhängig davon, ob sich die Immobilienkäufer tatsächlich mehr verschulden oder ihr vorhandenes Kapital nur anders einsetzen. Die Tatsache, dass die Immobilienpreise in Deutschland vor der Krise lange Zeit kaum gestiegen sind, lockt auch immer mehr internationale Investoren auf den deutschen Markt. Solange ein Ende der Politik des billigen Geldes nicht absehbar ist, könnte die Party auf dem deutschen Immobilienmarkt also durchaus weitergehen, auch wenn bereits jetzt ein Rückgang der Wachstumsraten zu beobachten ist.
Aber Immobilienkäufer müssen auch die längerfristigen Perspektiven im Blick behalten. Denn anders als Aktien eignen sich Immobilien nicht als kurzfristiges Spekulationsobjekt. Kündigt sich die nächste Krise an, lassen sich Immobilien nicht so schnell und schmerzlos abstoßen wie Wertpapiere. Schon deshalb sollten sich Immobilienkäufer genau überlegen, ob sie jetzt noch in den boomenden Markt einsteigen wollen, auch wenn die Zinsen noch außerordentlich niedrig sind.
Ein ernstes Warnsignal gibt es bereits auf dem deutschen Immobilienmarkt. Die Kaufpreise sind zuletzt deutlich schneller gestiegen als die Mieten. Zentrumsnahe Wohnlagen sind für Normalverdiener in vielen Städten kaum noch bezahlbar. Schon deshalb dürfte der in den vergangenen Jahren beobachtete Anstieg der Immobilienpreise nicht nachhaltig sein.
Fazit: Wenn die Krisen der vergangenen Jahre eines gezeigt haben, dann war es dies: Anders als viele Anleger glauben, sind auch Immobilien kein Hort der Sicherheit. Wie Aktienkurse können auch Immobilienpreise nach einem Boom wieder deutlich einbrechen. Diese Lektion sollten auch deutsche Anleger aus den Krisen der vergangenen Jahre gelernt haben.
Oliver Baron
P.S.: An dieser Stelle lesen Sie in der kommenden Woche wieder eine Point&Figure-Analyse meines Kollegen Reinhard Scholl. In dieser Woche befindet sich Reinhard Scholl noch in San Francisco, wo er am Kongress der Internationalen Föderation der Technischen Analysten (IFTA) teilnimmt. Seine Berichte von dieser sehr spannenden Veranstaltung können Sie hier finden.
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.