Kommentar
07:30 Uhr, 23.11.2015

Welthandel: Beunruhigende Signale!

Erst jetzt wird so langsam klar, was sich im Sommer rund um die China-Sorgen wirklich abgespielt hat. An der Börse ist das schon wieder vergessen, doch die negative Entwicklung ist damit nicht zu Ende.

Inzwischen kann man guten Gewissens festhalten: die Welt befindet sich im Abschwung. Abschwung bedeutet nicht Rezession, sondern eine nachlassende Dynamik. Ob die nachlassende Dynamik in eine handfeste, wirtschaftliche Kontraktion umschlägt, ist noch nicht abzusehen.

Der Abschwung zeigt sich in den weltweiten Handelsdaten. Grafik 1 zeigt wie sich der weltweite Handel seit 1991 entwickelt hat. Bis 2008 gab es eigentlich nur eine Richtung – nach oben. Das Handelsvolumen stieg von einem Indexwert von 100 im Jahr 1991 auf einen Wert von 300. In weniger als 20 Jahren stieg das gehandelte Volumen also um 200% oder gut 6% pro Jahr.

Wäre der Handel 2008/09 durch die Große Rezession nicht unterbrochen worden, stünde der Index nun bei über 500 Punkten. Der tatsächliche Wert liegt bei 337. Der Welthandel ist zwischen 2008 und 2015 um magere 1,5% pro Jahr gestiegen. Lässt man die Rezession außen vor, dann lag das Wachstum zwischen 2010 und 2015 bei 2,3%. Auch das liegt deutlich unter den Werten, die wir aus den Jahren 1991-2007 kennen.

Seit Anfang 2015 ist das weltweite Handelsvolumen rückläufig. Der Rückgang ist dabei durchaus beachtlich und schärfer gewesen als 1998 (Asienkrise) und 2000 bis 2002 (Abschwung und Rezession in weiten Teilen der Welt). Diese Entwicklung muss aufhorchen lassen. Der Rückgang, der vor einem Jahr gemeldet wurde, war ausschließlich auf Preise zurückzuführen. Grafik 1 zeigt neben dem Volumensindex auch einen Preisindex. Seit 2015 sind es nun aber nicht mehr nur die Preise, sondern auch die Mengen, die rückläufig sind.

Die Entwicklung des Handelsvolumens ist ein besserer Indikator als der Warenwert, der weltweit ausgetauscht wird. Der Warenwert ist von Rohstoffpreisen geprägt und sagt wenig darüber aus, ob mehr oder weniger gehandelt wird. Das Volumen gibt Aufschluss darüber wie es der Weltwirtschaft geht. Die Zeichen stehen auf Abschwung.

Die Preise der gehandelten Waren geben Aufschluss darüber, wie groß der Inflationsdruck ist. Dieser ist – das wissen wir alle – gering. Vor allem für Schwellenländer, die Rohstoffe exportieren, ist das ein Problem. Grafik 2 zeigt die Preisentwicklung von Rohstoffen und Gütern exkl. Rohstoffe. Die rasch sinkenden Preise bei Rohstoffen stürzen viele Länder in ein Debakel. Es fehlt an Deviseneinnahmen, an Steuereinnahmen und an Investitionen.

Alles, was sich nicht zu den Rohstoffen zählen lässt, zeigt relativ stabile Preise. Die Preise konnten sich zuletzt stabilisieren, liegen aber noch immer unter dem Niveau aus 2013 oder den Vorkrisenmonaten im Jahr 2008.

Die Signale des Welthandels sind alles andere als positiv. Während man bei den Preisen wenig tun kann, ist die gehandelte Menge stark abhängig von der Offenheit einzelner Länder. Je geringer die Handelsbeschränkungen sind, desto mehr Waren werden ausgetauscht. Grundsätzlich ist eine solche Tendenz positiv für jede einzelne Wirtschaft, doch die Versuchung der Politik ist groß in Krisenzeiten auf Protektionismus zu setzen.

2008/09 waren geprägt von zahlreichen Maßnahmen der Politik, um die heimische Wirtschaft zu schützen und zu stützen. Importe wurden durch höhere Zölle verteuert und sollten so inländische Produkte bevorzugen. Der Gedanke dahinter ist immer der gleiche: Importe sollen durch inländische Produkte ersetzt werden, Exporte aber nach Möglichkeit weiter steigen. Diese Rechnung geht natürlich nicht auf. Beginnt ein Land ein anderes zu schädigen, indem die Zölle angehoben werden, dauert es nicht lange, bis das betroffene Land ähnliche Maßnahmen ergreift.

Genau diesen destruktiven Trend sehen wir vermehrt seit Anfang 2015. Grafik 3 zeigt die Anzahl neuer Maßnahmen großer Importnationen. Im Vergleich zu den Vorjahren steigen die protektionistischen Maßnahmen an – und alle machen mit. Allein die 10 abgebildeten Länder machen mehr als 50% der weltweiten Importe aus. Wird hier zu mehr Protektionismus gegriffen, dann macht sich das im weltweiten Handel bemerkbar.

Es ist zu früh, um den Rückgang des Handelsvolumens auf die Politik zu schieben. Sie haben aber wahrscheinlich zum Rückgang beigetragen. Auslöser dürfte die Politik der Notenbanken gewesen sein, die einzelnen Wirtschaftsräumen Vorteile verschafft, indem Produkte durch niedrigere Wechselkurse wettbewerbsfähiger gemacht werden sollten. Das ist keine direkte Handelsbeschränkung, wirkt letztlich aber wie die Erhebung von Zöllen auf ausländische Produkte.

Notenbanken und Politik führen die Weltwirtschaft nach jahrelanger Liberalisierung und Öffnung auf einen Pfad des Protektionismus und der Disintegration zurück. Gewinnen wird letztlich niemand, vielmehr werden dabei alle verlieren. Die bestehenden Probleme (Preisrückgänge, geringe Nachfrage) werden dadurch nicht gelöst, sondern verschärft. Es muss bald gegengesteuert werden. Geschieht dies nicht, dann bleibt das potentielle Wirtschaftswachstum der kommenden Jahre unter dem aktuellen, ohnehin nicht gerade hohem Niveau.

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3 Kommentare

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  • Garten
    Garten

    ... weil sie durch den Rohstoffboom, ausgelöst durch Boom in USA (Schulden), Eurozone (niedrige Zinsen, Euroeinführung) China (Industrialisierung im großen Stil) - gleich synchroner Superboom, so stark waren. Die Schwellenlandwährungen waren viel zu, viel zu stark, besonders in Brasilien, ein nachhaltiges wirtschaften war auf Dauer so nicht möglich, nur übergangsweise durch Verschuldung der Konsumenten dort, diese Phasen sind jetzt Gott sei dank vorbei ...

    13:56 Uhr, 23.11. 2015
  • Garten
    Garten

    Es liegt auch an den schwächer gewordenen Währungen der Schwellenländer, die jetzt die eigenen Produkte konsumieren. Vorher hatten sie auf Kredit importiert und den Welthandel extrem angekurbelt. Damit ist es jetzt wohl erst mal vorbei. Dies ist üngünsitg für die etablierten Industrieländer und gut für Aktien in den Schwellenländern wie Indien, Brasilien und Südafrika. Wobei ich persönlich bei Rohstoffaktien ausser bei Öl- und Gaswerten und eventuell Agrarwerten noch vorsichtig wäre.

    12:26 Uhr, 23.11. 2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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