Kommentar
12:44 Uhr, 02.12.2020

Was wissen diese Anleger, was wir nicht wissen?

Professionelle Anleger gelten als besser informiert und etablieren Trends, anstatt wie Privatanleger auf bestehende Trends aufzuspringen. Da wird man hellhörig, wenn diese Anleger an einer bestimmten Stelle immer noch eine Krise vermuten.

An den Kursständen der Indizes merkt man es nicht. An einer Stelle krankt der Markt aber noch immer. Der Stillstand der Wirtschaft hat bei vielen Unternehmen zu hohen Umsatzeinbußen geführt. In vielen Branchen wird auch in absehbarer Zeit kein Gewinn geschrieben. Da verwundert es nicht, dass Dividenden gekürzt oder ausgesetzt werden und Aktienrückkäufe zurückgehen. Noch zu Jahresbeginn kauften Unternehmen innerhalb eines Quartals Aktien im Wert von 200 Mrd. zurück. Ein Quartal später lag der Wert bei 89 Mrd. Aktienrückkäufe sind die ersten Opfer von Gewinneinbrüchen. Sie lassen sich meist von einen Tag auf den anderen stoppen. An Dividenden halten Firmen hartnäckiger fest. Trotzdem wurden zuletzt fast 10 Mrd. pro Quartal weniger ausgeschüttet als vor der Krise.


Der Rückgang an sich ist nicht verwunderlich. Stattdessen muss man fast sagen, dass Anleger mit einem blauen Auge davongekommen sind. Über 100 Unternehmen des Russell 1000 haben ihre Dividenden gekürzt oder ausgesetzt (Grafik 2). Das ist ein hoher Wert, doch die Finanzkrise war da deutlich schlimmer.

Das Problem ist nicht, was 2020 ist bzw. war, sondern das, was erwartet wird. Auf die Entwicklung von Dividenden lässt sich auf den Terminmärkten über Futures wetten. Futures werden tendenziell von professionellen Anlegern genutzt. Die Kontraktgrößen können sehr unterschiedlich ausfallen. Der aktuelle Dividenden-Future ist zu 58.000 Dollar zu haben. Der durchschnittliche Privatanleger hat häufig ein Depot, das insgesamt deutlich kleiner ist.

Man kann davon ausgehen, dass die Kurse der Dividenden-Futures nicht von Privatanlegern gemacht werden, sondern die Erwartung professioneller Anleger widerspiegeln. Diese sind äußerst skeptisch. Die Futures haben sich seit den Tiefs im Frühjahr wieder deutlich erholt. Kurzfristig wurde für 2021 von einer Halbierung der Dividenden ausgegangen.

Danach schob sich die Kurve wieder nach oben. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass die Dividenden nun mehrere Jahre lang sinken werden. Noch im September (gelbe Linie) wurde ab 2022 wieder mit Wachstum gerechnet. Die mittel- und langfristige Perspektive hat sich eingetrübt, obwohl die Kurse heute höher stehen als damals.


Geht man von einer unveränderten Dividendenrendite aus, lässt sich aus den Futures der Kurs des S&P 500 ableiten. Bis 2030 ginge es demnach seitwärts. Daran führt nur ein Weg vorbei: Anleger bewerten den Markt immer höher und akzeptieren geringere Dividendenrenditen. Aktuell ist diese mit 1,6 % so niedrig wie lange nicht.

Die Zukunft ist nicht in Stein gemeißelt. Es ist dennoch interessant, dass sich der Ausblick über die Monate nicht wesentlich verbessert hat. Viele Anleger erwarten goldene Jahre nach 2020. Danach sieht es nicht aus.

Clemens Schmale

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2 Kommentare

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  • Aus meiner Sicht
    Aus meiner Sicht

    Der Schaden durch Covid-19 braucht lange ehe er geheilt ist.
    Wirksame Impfstoffe können Covid-19 möglicherweise unterdrücken, aber nicht restlos beseitigen.
    Darauf begründet sich die Skepsis bzw. Vorsicht.

    14:34 Uhr, 03.12.2020
  • Sascha Huber
    Sascha Huber Experte für Kryptowährungen

    Zwar alles richtig. Aber beim Bitcoin (BTC) liegen diese Profis meistens falsch. Zumindest, wenn man es anhand der Futures beurteilt. ;)

    13:41 Uhr, 02.12.2020

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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