Was, wenn der Konflikt mit Russland eskaliert?
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An den Märkten sind einige große Korrekturen im Gange. Wir haben deshalb für eine Reihe von Total-Return-Indizes aus dem Aktien- und Anleihebereich den aktuellen Stand (Börsenschluss 20. Januar) mit ihren jeweiligen Höchstständen in den vergangenen zwölf Monaten verglichen. Der Nasdaq Composite Index weist gegenüber seinem Höchststand einen Verlust von 11,8 Prozent auf, beim S&P Growth Index beträgt das Minus 10,8 Prozent. Auf der Anleiheseite wurden die Höchststände früher erreicht als bei den Aktienindizes, aber die Bewegungen sind immer noch spektakulär. Der Index, der den Teil des US-Staatsanleihemarktes mit einer Laufzeit von zehn Jahren und mehr abbildet, ist um 8,9 Prozent gesunken, während ein repräsentativer Index für britische Staatsanleihen (Gilts) gemessen am Gesamtertrag um 7,8 Prozent gefallen ist. Relativ betrachtet entwickelten sich die festverzinslichen Anlagen am besten, die eine begrenzte Zinssensitivität aufweisen (Leveraged Loans liefen seitwärts, US-Hochzinsanleihen mit kurzer Duration verloren nur 0,43 Prozent und europäische inflationsgebundene Anleihen lagen weniger als zwei Prozent unter dem Höchststand ihres Total-Return-Index). Die Outperformer unter den Aktienindizes waren der FTSE-100 und die großen europäischen Indizes wie der Stoxx 50 und 100. Value schlägt Growth, Low-Risk schlägt High-Beta.
Zinserhöhungen großteils eingepreist
Die Bewertungen passen sich an und die Risikoprämien steigen. Die treibenden Kräfte sind eindeutig die bevorstehende Straffung des geldpolitischen Umfeldes, die Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Wachstum und Inflation sowie die Zunahme der geopolitischen Spannungen. Was die Erwartungen an die Geldpolitik betrifft, sind für 2022 vier und für 2023 weitere drei Zinserhöhungen durch die Federal Reserve (Fed) bereits eingepreist. Die Vermutung wäre gewesen, dass die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte damit umgehen können – schließlich wird die Fed fast zwei Jahre benötigen, um die Zinssenkungen rückgängig zu machen, die sie im März 2020 innerhalb von weniger als zwei Wochen vorgenommen hat. Wenn die Marktbewertung stimmt, werden wir bezüglich des Zinsniveaus wieder dort sein, wo wir vor der Pandemie waren – mehr nicht. Es ist zu bezweifeln, dass die Bilanz der US-Notenbank im gleichen Zeitraum unter den Prozentsatz des BIP vom März 2020 (20 Prozent) zurückgeführt wird. Die finanziellen Bedingungen werden sich zwar einengen, aber wir sprechen nicht von geldpolitischen Restriktionen auf „Volcker-Niveau“.
Wie wäre es mit ein wenig Duration?
Der Anleihemarkt zeigt bereits Anzeichen einer – zumindest vorübergehenden – Stabilisierung. Im Hauptszenario gehen wir nach wie vor davon aus, dass die nominalen Renditen von US-Treasuries als Zwischenziel in diesem Zyklus auf 2,5 Prozent steigen. Dies basiert auf realen Renditen, die sich um die null Prozent bewegen, und einer Breakeven-Inflationsrate im Bereich von 2,25 bis 2,50 Prozent. Doch der Anleihemarkt ist übersät mit aufgewühlten Research-Berichten aus dem vergangenen Jahrzehnt, welche höhere Renditen vorhersagen. Da die Märkte auf die Fed warten und wissen, dass die kommenden Inflationszahlen immer noch im Bereich von sechs bis sieben Prozent liegen werden, könnten höhere Renditen einige Käufer anlocken. Obwohl höhere Fed-Zinsen eingepreist sind, ist die abgesicherte Rendite von US-Anleihen in Euro, Yen oder Schweizer Franken immer noch deutlich höher als die Renditen an den lokalen Märkten – selbst wenn die Rendite der Bundesanleihen in der vergangenen Woche auf über null Prozent gestiegen ist.
Das Kriegsrisiko
Abgesehen von Inflations- und Zinsüberlegungen beobachten die Märkte auch die Lage an der ukrainisch-russischen Grenze. Wir gehen nicht davon aus, dass die Märkte einpreisen können, was bei derartigen Ereignissen passieren könnte. Das Ergebnis ist nur auf einer sehr vereinfachten Ebene binär (Russland marschiert ein oder nicht), aber selbst das wirft Fragen darüber auf, wie die Märkte reagieren könnten. Sichere Anlagen würden sich natürlich sehr gut entwickeln, Aktien würden wegen der Risiken für das Wirtschaftswachstum abstürzen und der US-Dollar würde gegenüber dem Euro stark zulegen, weil ein Krieg in der Ukraine für Europa ein unmittelbares reales Problem wäre (Flüchtlinge, noch höhere Erdgaspreise, die Notwendigkeit einer gemeinsamen Reaktion der EU-Länder). Soweit es die Reaktion des Westens betrifft oder wie heftig der Konflikt werden wird, ob Belarus in die Auseinandersetzung hineingezogen wird und welche finanziellen und wirtschaftlichen Sanktionen oder Maßnahmen von beiden Seiten ergriffen werden, würde es eine komplizierte Situation werden.
Zugang zu wärmeren Gewässern
Russland möchte die NATO nicht vor seiner Haustür haben, was die Folge eines Beitritts der Ukraine zur Organisation wäre. Es gibt auch Überzeugungen, dass eine der wichtigsten Triebkräfte der russischen politischen Ambitionen seit vielen Jahren darin besteht, sich den Zugang zu einem Warmwasserhafen für seine Seestreitkräfte zu sichern. Viele westliche Beobachter argumentieren, dass dies der Grund für die Annexion der Krim in 2014 war. Eine stärkere Kontrolle über die Ukraine wäre eine Möglichkeit, sich einen besseren Zugang zum Schwarzen Meer zu sichern. Ein Ausweg aus der aktuellen Krise besteht darin, dass Russland und die Ukraine eine neue Beziehung eingehen, die eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO ausschließt. Doch niemand weiß, ob das realistisch ist. In der Zwischenzeit hat Russland mit den Erdgaslieferungen nach Europa ein Ass im Ärmel, und weitere Preiserhöhungen könnten den europäischen Volkswirtschaften, einschließlich Großbritannien, erheblichen realen Schaden zufügen. Wir gehen davon aus, dass sich einige der oben beschriebenen Marktbewegungen noch weiter in die Länge ziehen könnten, sollte sich die Lage in den kommenden Wochen verschlechtern.
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