Kommentar
12:13 Uhr, 24.11.2008

Was Sie derzeit erleben, wird in die Geschichtsbücher eingehen.

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Und zwar nicht nur in die allgemein historisch beschreibenden, sondern vor allem auch in die Lehrbücher der Wirtschaftswissenschaften. Die Finanzkrise 2008/2009 ist der ultimative Beweis, dass alle Theorie eben nur Theorie bleibt, wenn die Praxis ins Extreme schießt. Sie ist der Sieg des Faktischen über das wollend Normative.
Was ist schon ein optimaler Verschuldungsgrad eines Unternehmens, wenn man keine Kredite mehr bekommt und die Umsätze wegbrechen? Was bedeutet Geldmengen- oder Zinssteuerung, wenn es zu Geldhortung kommt? Was ist Keynesianismus, was ist Monetarismus, in einer so offenen Situation, dass sogar Kaffeesatzlesen vergleichsweise hohe Prognosequalität erhält?
Als Freund des freien Marktes und Feind von Staatseingriffen kann es einem eigentlich nur speiübel werden, wenn man die täglichen Nachrichten liest. USA: Nach dem Rettungspaket in Höhe von 700 Mrd. US-Dollar nochmal ein Konjunkturprogramm in gleicher Höhe. EU: Bankenrettung plus ebenfalls Konjunkturpaket im dreistelligen Milliardenbereich. China: Sagenhafte 1,2 Billionen sollen hier in die Wirtschaft gepumpt werden.

Und so weiter…

Alle Kritiker der Eingriffe haben recht wenn sie sagen, es wird womöglich später noch schlimmer. Aber was passiert wenn man jetzt zuschaut und auf laissez-faire macht? Wenn 2009 so schlimm wird wie es sich andeutet, dann können sogar an sich kerngesunde Top-Unternehmen in einer Art Blitzdepression reihum einfach pleite gehen. Die Folgen einer darauf folgenden Kettenreaktion für den Arbeitsmarkt sind evident, politische Instabilitäten rund um den Globus die natürliche Folge. Dieses Risiko ist unkalkulierbar und kann deswegen nicht eingegangen werden. Es ist daher nicht die Zeit für Grabenkämpfe zwischen Keynesianern und Monetaristen, Kapitalisten und Sozialisten.

Die meisten Regierungen sind außerdem in der glücklichen (und mit Sicherheit nicht dauerhaften) Lage, jetzt Schulden zu sehr günstigen Konditionen und in hohem Umfang aufnehmen zu können. Ob sich die Neuverschuldung in Deutschland 2009 um 10 oder 50 Milliarden erhöht ist doch letztlich egal. Die Lage ist so ernst, dass nur pragmatisch gehandelt werden kann.

Was die Amerikaner unter Pragmatismus verstehen, konnte man auch kürzlich nachlesen. So wurde angeblich bei den reichen Golfstaaten angefragt, ob man sich eine Partizipation von insgesamt rund 300 Mrd. US-Dollar an den diversen Rettungspaketen vorstellen kann. In dem einen oder anderen Nebensatz wurde vermutlich die Befreiung Kuwaits von den Irakern 1991 erwähnt oder die Protektion des saudischen Königshauses durch die dortigen Truppen und Waffenlieferungen. Die Golfregion ist genau die richtige Adresse, um sich Geld zu besorgen: Die korrupten Öl-Regime haben nicht nur Geld in rauen Mengen, sondern man muss noch nicht mal moralische Skrupel haben es Ihnen wieder abzunehmen. Dieses Kapitel allerdings ist nicht für die ökonomischen Lehrbücher geeignet.

Daniel Kühn - Redaktionsleitung http://www.tradersjournal.de und CFD&Forex-Report

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der vielseitig interessierte Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3. Besondere Interessenschwerpunkte des überzeugten Liberalen sind politische und ökonomische Fragen und Zusammenhänge, Geldpolitik, Aktien, Hebelprodukte, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie generell neuere technologische Entwicklungen.

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