Was nun, Aktien-Rallye?
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Der Aktienmarkt scheint offenbar an Kraft zu verlieren, um neue Allzeithochs zu erklimmen. Das hat so manchen enttĂ€uschten Anleger veranlasst, sich vorerst vom Spielfeld der Börse zurĂŒckzuziehen. Ăberhaupt wird gefragt, inwieweit die Aktien-BĂ€ume nach herausragenden Fundamentaldaten von Konjunktur und Berichtssaison noch weiter in den Himmel wachsen können. Ebenso halten sich die ZinsĂ€ngste hartnĂ€ckig wie GerĂŒchte. Droht Aktien die neue Sachlichkeit?
Wehe, wenn der Rockstar der US-Finanzwelt die Zins-Stirn runzelt
US-Finanzministerin Janet Yellen hat Wasser in den sĂŒĂen Aktien-Wein gegossen. Womöglich könnten höhere Zinsen nötig sein, um einer Ăberhitzung der US-Wirtschaft entgegenzusteuern. Ihre Worte haben Gewicht. Als ehemalige Fed- und jetzt oberste US-Finanzchefin ist sie so etwas wie der Rockstar der amerikanischen Wirtschaftswelt.
In der Tat unterstreicht das klar aufwĂ€rts gerichtete VerhĂ€ltnis von Kupfer zu Gold den markanten Wachstumstrend. Kupfer als stark zyklisches Industriemetall profitiert von der Konjunkturerholung, wĂ€hrend der sichere Anlagehafen Gold weniger Anklang findet. Auf diese Gemengelage lieĂen historisch betrachtet steigende Renditen bei US-Staatsanleihen nicht lange auf sich warten.
Zinsfrage als entscheidende Gretchenfrage der Börse
Zinssteigerungen sind durchaus möglich. Doch wie sehen diese quantitativ aus? LĂ€ngst hat sich der Eindruck erhĂ€rtet, dass die Fed Konjunktur und FinanzmĂ€rkte an der langen Leine lĂ€sst. Die US-Notenbank kĂŒmmert sich ohnehin nicht nur um Inflation. Es geht ihr ebenso um die Finanzierung des infrastrukturell modernen und grĂŒnen Amerikas, was auch der wirtschaftspolitischen Behauptung gegenĂŒber China dient.
Apropos Inflation, an den RohstoffmĂ€rkten hat sich zuletzt Korrekturpotenzial u.a. bei Kupfer aufgebaut, das auf 10-Jahres-Hoch notiert. Zwar stĂŒtzen die Themen Digitalisierung und Klimaschutz in Form von 5G-Funknetzen und E-MobilitĂ€t den positiven Ausblick fĂŒr Industriemetalle. Doch wurden sie im Vorgriff bereits umfangreich gebunkert. So ist zwar mit Preisdruck, aber keinem ĂŒberbordenden, zu rechnen.
Daher werden Zinserhöhungen ĂŒberschaubar ausfallen und von der Inflation nicht nur ausgeglichen, sondern sogar ĂŒberkompensiert. Negative Realzinsen gewinnen aber nicht an AttraktivitĂ€t. Im Gegenteil, wenn Inflation nicht bekĂ€mpft wird, ist sie ein Treiber von Sachkapital, also auch von Aktien.
Die Aktien-BĂ€ume sind grĂŒn, wachsen aber nicht in den Himmel
Prinzipiell stellt das Tandem aus Fiskal- und Geldpolitik ein ordentliches Sicherheitsnetz fĂŒr Aktien dar. Positiv wirkt auch, dass die Gewinnrenditen ihren Vorsprung vor Zinsen behalten.
Doch scheint das Zinsargument mittlerweile fĂŒr viele Marktteilnehmer Standard und ĂŒberstrapaziert zu sein. Der Kick des frischen neuen Impulses fehlt.
Daneben können die robusten Konjunkturdaten die zuvor getroffenen AnalysteneinschĂ€tzungen seit Wochen nicht mehr schlagen. Diese âUnterraschungenâ untermauert ein abgeschwĂ€chter globaler Economic Surprise Index der Citigroup, auch wenn er sich vergleichsweise immer noch auf hohem Niveau befindet. Die AktienmĂ€rkte, die lange Zeit von Ăberraschungen verwöhnt wurden, reagieren mit Dynamikverlust.
Dazu passend fragen sich Anleger, ob das rasante Gewinnwachstum, das viele US-Unternehmen im Rahmen der Berichtssaison zeigen, seinen Zenit ĂŒberschritten hat. Ohnehin spielen hier ein Jahr nach Beginn der Corona-Krise vor allem Basiseffekte eine groĂe Rolle. Jetzt scheint ein Normalisierungsprozess zu beginnen, der bereits nach der Finanzkrise ab 2010 zu beobachten war und ebenso das Tempo der Aktienhausse fundamental verlangsamte.
Nach dem kaum noch einzufangenden Optimismus zeigt sich auch in den Emerging Markets eine Flurbereinigung. Das Wiederaufleben des Corona-Virus z.B. in Indien und Brasilien zögert die Konjunkturerholung hinaus. Zudem fĂ€hrt die KP in China angesichts der ĂŒberwundenen Corona-Delle ihre Wirtschaftshilfen allmĂ€hlich zurĂŒck.
Zugleich schlĂ€gt die verstĂ€rkte Regulierung von Chinas groĂen Tech-Unternehmen auf die Aktien-Laune. Monopolisten wie bei der amerikanischen Konkurrenz betrachtet Peking als machtgefĂ€hrdend. Störend wirken auch die zunehmenden AnimositĂ€ten zwischen den USA und China im Kampf um die geopolitische Pole Position.
Marktlage - Die einfachen Aktiengewinne scheinen gemacht zu sein, aberâŠ
ZunĂ€chst sind Ăngste vor einer âharten Landungâ Chinas, die die SchwellenlĂ€nder Asiens in Geiselhaft nĂ€hme, unangebracht. Peking baut die Binnennachfrage als starkes zweites Standbein auf, was auch weltwirtschaftliche Wirkung zeigt. Und wenn Amerika - mittlerweile teilweise mit UnterstĂŒtzung der EU - von China deutlich fairere Handelsbeziehungen und Investitionsregeln einfordert, hat das fĂŒr die westliche Welt und ihre AktienmĂ€rkte lĂ€ngerfristig durchaus sein Gutes. Denn lieĂe man Peking weiterhin freie Hand, könnten AbhĂ€ngigkeitsverhĂ€ltnisse unumkehrbar werden.
GrundsĂ€tzlich wird sich die âAnlageweisheitâ an den AktienmĂ€rkten zukĂŒnftig in breiteren Regionen- und Branchenrotationen niederschlagen und weniger in der Frage nach neuen Allzeithochs. So profitieren Europas Export- und Industrie-Champions massiv von der weltkonjunkturellen Erholung. Sinnbildlich hierfĂŒr ist die Umsatzerholung des Baumaschinenherstellers Caterpillar als typisch frĂŒhzyklischem Weltkonjunktur-Unternehmen.
Grafik der Woche
Und dass jetzt Deutschland und Europa auch in puncto Impffortschritten zu Amerika aufschlieĂen und die dritte Infektionswelle ihren Höhepunkt wohl ĂŒberschritten hat, eröffnet auch endlich hierzulande Perspektiven fĂŒr nachhaltige Wirtschaftsöffnungen.
Vor diesem Hintergrund ist die Underperformance Europas zu Amerika bei Gewinnen und Wertentwicklung ausgelaufen.
Konkret sind Unternehmen aus den Bereichen Automobil, Technologie, Industrie und Banken gefragt. Daneben haben europĂ€ische Aktien der Marke âCorona-Verliererâ Nachholpotenzial. So profitieren Werte aus dem Einzelhandel, Konsum, Luftlinien, Tourismus und Freizeit von der Wiedereröffnungsvision.
Vor diesem Hintergrund geben Anlegern klassischen Substanzaktien den Vorzug, wĂ€hrend Wachstumsaktien insbesondere aus dem Bereich High-Tech kĂŒrzertreten.
Sentiment und Charttechnik DAX - Wie bei der Echternacher Springprozession
Nach den Allzeithochs, die keine Fortsetzung finden, legen die AktienmĂ€rkte zunĂ€chst eine Denkpause ein. DafĂŒr sprechen nicht zuletzt die Testballons, wie die MĂ€rkte auf weniger ĂŒppige Geldpolitik reagieren. Frau Yellens Zinsverlautbarungen haben hier den Anfang gemacht. Ăhnlich sind die kĂŒrzlichen ĂuĂerungen der Notenbank zu werten, die vor AnfĂ€lligkeiten fĂŒr Vermögenswerte und damit fĂŒr das gesamte Finanzsystem warnen, falls der Risikoappetit nachlĂ€sst. FĂŒr den Fall, dass die Fed von Licht- auf Schallgeschwindigkeit umschaltet - was dann immer noch groĂzĂŒgig wĂ€re - sollen die Börsen nicht geschockt sein, um ĂŒbertriebene finanzschĂ€dliche Reaktionen wie 2013 anlĂ€sslich der Tapering-Diskussion zu vermeiden.
In der nĂ€chsten ohnehin umsatzschwĂ€cheren Zeit kann es also durchaus weniger harmonisch, ja ruppiger zugehen. Damit ist auch eine gröĂere Schwankungsbreite als bisher verbunden. Als Gegenmittel sind regelmĂ€Ăige AktiensparplĂ€ne sinnvoll.
Aktuell hĂ€lt sich der Anteil der Optimisten am US-Aktienmarkt abzĂŒglich des Anteils der Pessimisten dennoch robust. Als Kontraindikator spricht aber auch diese Entwicklung fĂŒr zwischenzeitliche KursrĂŒckgĂ€nge.
Diese werden aber nicht markant ausfallen, so dass RĂŒckgĂ€nge gemÀà Rotationsmodell Kaufgelegenheit darstellen.
Charttechnisch liegen im DAX auf der Unterseite erste UnterstĂŒtzungen bei 15.197 und 15.085 Punkten. Nach RĂŒcksetzern unter die Marke bei 14.894 sind 14.845, 14.805, 14.759 und 14.621die nĂ€chsten Haltelinien. Auf der Oberseite trifft der DAX bei 15.267 und 15.281 auf erste WiderstĂ€nde. Bei weiterer AufwĂ€rtsdynamik liegen die nĂ€chsten Barrieren bei 15.330, 15.364, 15.502 und 15.534 Punkten.
Disclaimer beachten!
Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG
Rechtliche Hinweise/Disclaimer und GrundsÀtze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:
http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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