Was ist für einen Anstieg der Aktienkurse notwendig?
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Die Aktienmärkte, die Märkte für Hochzinsanleihen und die Märkte für Schwellenländeranleihen haben spürbar von den besser als erwarteten weltweiten Wirtschaftsdaten und den Liquiditätsspritzen der Fed und der EZB profitiert.
Die positiven Auswirkungen der Liquiditätsspritzen auf die Märkte werden jedoch eindeutig abklingen. Dementsprechend muss sich der Ausblick für die Gewinne weiter verbessern, wenn die Aktienkurse deutlich ansteigen sollen. Warum hat die Liquiditätsversorgung der Zentralbanken ihren Höhepunkt überschritten? Und warum sind wir der Auffassung, dass riskante Vermögenswerte an den Aktienmärkten (zyklische Sektoren, Schwellenländeraktien) und Rentenmärkten (High-Yield-Anleihen, Schwellenländeranleihen) weiterhin attraktive Investitionsmöglichkeiten darstellen?
Warum hat die Liquiditätsversorgung ihren Höchststand überschritten?
In den USA wird die quantitative Lockerungspolitik (QE) von Seiten bestimmter Politiker, vor allem aus der Republikanischen Partei, zunehmend kritisiert. Dies bringt das Risiko mit sich, dass die Unabhängigkeit der Fed künftig eingeschränkt werden könnte. Da bald Präsidentschaftswahlen stattfinden und die Beschäftigungsdaten anhaltend günstig ausfallen, ist 2012 nicht mit einem weiteren QE-Programm zu rechnen. Allerdings könnte sich dies ändern, wenn es zu ernsthaften Turbulenzen im Finanzsystem oder in der Wirtschaft käme.
Im Euroraum dürften einige Politiker aus den Kernländern die Politik der EZB auch künftig kritisieren. Im Gegensatz zu den USA können sie jedoch die Unabhängigkeit der EZB im Grunde nicht antasten. Dennoch würden zusätzliche unkonventionelle Maßnahmen ganz klar zu stärkeren Spannungen innerhalb des EZB-Rats führen. Dies könnte die Glaubwürdigkeit der Zentralbank mindern. Insgesamt rechnen wir derzeit nicht mit einer Ausweitung der unkonventionellen Maßnahmen. Allerdings besteht unseres Erachtens immer noch ein hohes Risiko, dass es irgendwann dazu kommt. Insbesondere, wenn die Krise erneut aufflammt (womit irgendwann zu rechnen ist) und die Risikoprämien wieder ansteigen, dürfte EZB-Präsident Mario Draghi unseres Erachtens durchaus zu weiteren Maßnahmen bereit sein.
Inflationsbefürchtungen sind nicht gerechtfertigt
Die Gegner der aktuellen EZB-Politik weisen häufig auf das Risiko hin, dass die Inflationserwartungen merklich ansteigen könnten, wenn die Öffentlichkeit das Vertrauen in die Stabilität der Währung verliert. Allerdings kann dies in jedem zyklischen Stadium der Wirtschaft geschehen. Im Euroraum sind wir jedoch wahrscheinlich noch Lichtjahre davon entfernt. Das Volumen der unkonventionellen Zentralbankmaßnahmen liegt im Verhältnis zum BIP immer noch deutlich unter dem Niveau, das bei früheren Hyperinflationen zu einem solchen Vertrauensverlust geführt hat. Die EZB – und die Fed – profitieren außerdem in beträchtlichem Maße davon, dass sie sich in den vergangenen Jahrzehnten Glaubwürdigkeit in Bezug auf die Inflationsbekämpfung erarbeiten konnten.
Davon abgesehen wäre ein moderater Anstieg der Inflationserwartungen in der gegenwärtigen Situation unseres Erachtens sogar zu begrüßen, da er darauf hindeuten würde, dass auch die Erwartungen für das nominale Wachstum anstiegen. Wir vermuten jedoch, dass die meisten Zentralbanker in den Industrieländern in dieser Hinsicht anderer Meinung wären.
Von liquiditätsgetriebenen zu gewinngetriebenen Märkten?
Die folgenden Punkte werden in den kommenden Monaten von zentraler Bedeutung für die Aktienmärkte sein. Da die positiven Auswirkungen der Liquiditätsspritzen schwinden werden, muss sich der Ausblick für die Gewinne weiter verbessern, wenn die Aktienkurse deutlich ansteigen sollen. Die Verbesserung der Gewinndynamik ist insofern eine gute Nachricht. Sie liegt nur noch knapp unter dem neutralen Schwellenwert von 50. Dies bedeutet, dass für jede Abwärtskorrektur der Gewinnerwartungen eine Aufwärtskorrektur erfolgt (siehe Grafik).
Globale Gewinndynamik nähert sich dem neutralen Niveau an
In dieser neuen Phase sind die Wirtschaftsdaten von sehr viel größerer Bedeutung. Die Überraschungen bei den Konjunkturdaten haben ihren Höchststand überschritten, bleiben jedoch hoch.
Risikoprämien im historischen Vergleich auf hohem Niveau
Die weiterhin hohen Risikoprämien sind sicherlich positiv. Obwohl das systemische Risiko in Europa nach den beiden Liquiditätsprogrammen der EZB und der Verabschiedung des Rettungsplans für Griechenland eindeutig gesunken ist, verharrt der Risikoaufschlag für Aktien auf einem historisch hohen Niveau (6,2% in Europa). Auch die Bewertungskennzahlen sind insgesamt attraktiv. Die Historie zeigt, dass KGVs so lange ansteigen können, wie Analysten eine Erholung der Gewinne erwarten. Aktien sind auch im Vergleich zu Unternehmensanleihen attraktiv. Im Euroraum liegt die Dividendenrendite derzeit über der Rendite von Unternehmensanleihen. Dies war zuletzt im August 2010 der Fall.
Politische Risiken sind gesunken
Nachdem der umfangreichste Schuldentausch der Geschichte (Griechenland) erfolgreich umgesetzt und das erste „Kreditereignis“ bei Credit Default Swaps (CDS) für Staatsanleihen eines Mitgliedsstaats des Euroraums verdaut wurde, sind die Extremrisiken im Zusammenhang mit der Eurokrise zunächst weiter gesunken. Daher sind zum einen die Risikoprämien, die von internationalen Anlegern an den Märkten für Staatsanleihen der Peripherieländer verlangt werden, merklich zurückgegangen, und zum anderen beeinflussen die am stärksten in Schwierigkeiten steckenden Länder (Griechenland und Portugal) die Entwicklung der Risikoprämien für andere Peripherieländer in sehr viel geringerem Maße. Diese Entwicklungen an den Märkten sowie unsere qualitative Einschätzung der kurzfristigen Umsetzungs- und politischen Risiken sprechen klar für auf kurze Sicht niedrigere Extremrisiken. Dies ist ein wichtiger positiver Faktor für riskante Vermögenswerte, sowohl an den Aktienmärkten (zyklische Sektoren, Schwellenländer) als auch an den Rentenmärkten.
Kurz- bis mittelfristiger Gegenwind für die Märkte bleibt bestehen
Wie bereits erwähnt, gehen wir davon aus, dass die Instabilität des Finanzsystems und die weiterhin bestehenden strukturellen Mängel des Euroraums (keine Fiskalunion, keine einheitlichen Regeln für den Finanzsektor, kein Kreditgeber letzter Instanz für Staaten) die Märkte wieder in Turbulenzen stürzen werden. Aber die Wahrscheinlichkeit ist deutlich gesunken, dass dies bereits in den kommenden drei Monaten der Fall sein wird.
Wir haben unsere Übergewichtung von Spread-Produkten erhöht
Insgesamt halten wir an unserer zyklischen Tendenz an den Aktienmärkten und unserer Präferenz für Schwellenländeraktien fest. Angesichts der kurzfristig gesunkenen Extremrisiken haben wir unsere Übergewichtung von High-Yield-Anleihen und Schwellenländeranleihen erhöht.
Quelle: ING Investment Management
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