Kommentar
10:30 Uhr, 27.05.2019

Was die Europawahl für die Börsen bedeutet

Die politische Unsicherheit dürfte nach der Europawahl deutlich zunehmen. In Ländern wie Frankreich und Italien wurden rechtspopulistische Parteien die stärkste Kraft, auch wenn sie europaweit nicht so stark abschnitten wie erwartet. Das schwache Abschneiden der etablierten Parteien könnte auch die Börsen belasten.

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Der Ausgang der Europawahl bedeutet vor allem eines: mehr Unsicherheit. Denn kurzfristig ist nach der Europawahl nur eines klar: Nichts ist klar. Zwar wird im künftigen Parlament die Europäische Volkspartei (EVP), zu der auch CDU und CSU gehören, weiterhin die größte Fraktion stellen. Doch gleichzeitig wird die EVP keine gemeinsame Mehrheit mehr mit den Sozialdemokraten haben. Die große Koalition im Parlament, die in der Vergangenheit sehr wichtig war für die Stabilität auf europäischer Ebene und auch viele unpopuläre Gesetze durchs Parlament geboxt hat, ist Geschichte. Schon bei der Wahl des nächsten Kommissionspräsidenten dürfte es deshalb spannend werden.

Zugewinne auf Europaebene verbuchten Liberale, Grüne und insbesondere die Rechtspopulisten, auch wenn die Rechtspopulisten nicht so stark abschnitten wie zuvor erwartet. Die Rechtspopulisten waren bisher in drei Fraktionen zersplittert, könnten aber im neuen Parlament zumindest teilweise einen gemeinsamen Block bilden. Würden sich die drei Blöcke EKR, EFDD und ENF zusammenschließen, würden sie rein rechnerisch im neuen Parlament auf 170 Sitze kommen, und wären damit fast so stark wie die EVP, die auf 179 Sitze kommt.

Im Europaparlament wird man sich trotzdem wohl auch künftig zusammenraufen und Mehrheiten organisieren können. So könnten etwa EVP und Sozialdemokraten den liberalen Parteienblock ALDE auf ihre Seite ziehen. Doch einfach wird das nicht. Zur ALDE gehört auch die Partei des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Und Macron hat ganz eigene Vorstellungen, etwa auch was die Besetzung des wichtigen Amtes des Kommissionspräsidenten oder eine verstärkte europäische Integration betrifft.

Entscheidender als die Ergebnisse auf Europaebene dürften aber die Ergebnisse in den einzelnen Mitgliedsstaaten sein. In Frankreich etwa wurde die rechtspopulistische Partei von Marine Le Pen stärkste Kraft vor der Regierungspartei von Emmanuel Macron. Die ehemals tonangebenden Parteien, die Konservativen und die Sozialisten, erhielten jeweils deutlich weniger als 10 Prozent der Stimmen und spielen politisch praktisch keine Rolle mehr.


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In Italien fuhr die rechte Lega von Matteo Salvini mit mehr als 30 Prozent der Stimmen ein Rekordergebnis ein und ist ebenfalls stärkste Kraft. In Großbritannien wurde die erst Anfang 2019 gegründete Brexit Party auf Anhieb stärkste Kraft, während Labour (14,1 Prozent) und die Konservativen der scheidenden Premierministerin Theresa May (9,0 Prozent) empfindlich abgestraft wurden.

In vielen europäischen Ländern wurden die Volksparteien abgestraft und bisher stabile Mehrheiten wackeln. Das ist die eigentliche Botschaft der Europawahl. Neben der politischen Unsicherheit nimmt damit auch die Unsicherheit für die Börsen zu.

Die zunehmende Unsicherheit zeigt sich zum Beispiel auch daran, dass die Renditen der italienischen Staatsanleihen gegen den europaweiten Trend am Montag zulegen. Das kann man als klare Misstrauenserklärung der Finanzmärkte gegen die politischen Verhältnisse in Italien sehen. Zwar sind die italienischen Renditen noch deutlich von dem Rekordniveau entfernt, das während der Euro-Krise erreicht wurden. Damals forderten die Finanzmärkte zeitweise mehr als sieben Prozent Zinsen vom italienischen Staat, weil das Risiko einer Staatspleite deutlich höher eingepreist wurde als zuvor. Doch ist eben heute auch die Geldpolitik der EZB eine ganz andere als zu Zeiten der Euro-Krise.

Rendite italienischer und deutscher Staatsanleihen mit 10 Jahre Laufzeit im Vergleich
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Der Euro könnte perspektivisch abwerten, sollten nationale politische Interessen künftig tonangebend werden. Angesichts des Handelsstreits mit den USA und drohender Importzölle etwa auf Autos müsste die EU eigentlich mit einer Stimme sprechen. Doch nach der Europawahl ist es unwahrscheinlicher geworden, dass dies künftig möglich ist.


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11 Kommentare

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  • trunki
    trunki

    Schön zu sehen wie hartnäckig sich manche Dinge halten, wie die Grünen würden der Wirtschaft schaden.

    Sie schaden vielleicht einzelnen Unternehmen, aber als Ganzes verfolgen sie dieselbe neoliberale, asoziale kriegstreiberische, NATO-hörige transatlantische Politik wie alle relevanten Parteien. An den Tatenkönnt ihr sie erkennen, nicht an dem was sie sagen oder in ihre Wahlprogramme schreiben.

    Also Long. Der Schaden kommt nicht kurzfristig und egal ob wir CDU,CSU, SPD, AFD, FDP oder eben Grüne wählen. Nichts relevantes wird sich unter diesen Bütteln des Kapitals ändern, warum auch wenn es doch allen so gut geht.

    08:04 Uhr, 28.05.2019
  • wolp
    wolp

    Don't forget, fridays for future! Here we go....

    20:18 Uhr, 27.05.2019
  • Kohlefreund
    Kohlefreund

    Wenn die Grünen in Regierungsverantwortung kommen, muss ich entweder ins Ausland ziehen oder aus dem Fenster springen. Roth, Hofreiter, Habeck und Baerbock kann man nicht ertragen.

    13:56 Uhr, 27.05.2019
  • trend-x
    trend-x

    Ende der Groko, mit Chance auf Jamaika 2.0 oder Schwarz/Grün bzw Grün/Schwarz mit Kanzler Habeck und Außenministerin AKK, Bärbock Umwelt/Soziales, Scheuer Wirtschaft, Roth Familie, v.d.Leyen Finanzen und Hofreither Arbeit. Deutschland hat sich gestern einem Trend geopfert, der in der Idee romantisch, in der Konsequenz jedoch tödlich ist. Einziger Vorteil: das Grundeinkommen und ein Fahrrad für alle macht das Daytrading überflüssig.

    13:26 Uhr, 27.05.2019
  • trend-x
    trend-x

    wenn man davon ausgeht, dass folgende Szenarien die Märkte unbeeindruckt lassen, ist es wohl unschädlich...

    Harter Brexit, Frexit, Itexit, Währungsreform, Euro-Nord/Euro-Süd,

    13:10 Uhr, 27.05.2019
  • Naphtan
    Naphtan

    Eine weitere Gefahr sehe ich allerdings auch an dem erstarken der Grünen.Sollte die EVP mit den Grünen (welche einen strikten Klima-Kurs als auch den Weg eines „noch sozialeres Europa “ verfolgen), eine Koalition eingehen, kann es m.E. ebenso zu Verwerfungen an den Märkten kommen. Technik welche effektiv einen positiven Klima-Wandel erzeugt ist noch gar nicht vorhanden (Kernfusion dauert -wenn überhaupt- noch ca. 20-30 Jahre). Alles andere wie E-Mobilisierung oder alternative Energien sind nur Nadelstiche und CO2/Kerosin-Steuer bzw. der Emissionshandel und deren Gesetzgebungen sind nur mit erhöhten Kosten für Wirtschaft, Industrie und letztendlich für den Verbraucher verbunden. Alles nicht wirklich für die Konjunktur förderlich.

    13:10 Uhr, 27.05.2019
  • Dr. Bull
    Dr. Bull

    Nichts bedeutet es für die Märkte. Ich verstehe nicht, warum darum so ein Tamtam gemacht wird.

    Es ist immer das selbe... "Was bedeutet es für die Märkte, wenn Trump Präsident wird?".... "Was bedeutet es für die Märkte, wenn ein Sack Reis in Japan umfällt?" usw. Und? Ist es nach der Wahl von Trump zu einem Crash gekommen, wo sich viele gefürchtet haben und auch Soros seit dem insgesamt Milliarden verloren hat, weil er dachte, dass es mit Trump knallt? Daher verstehe ich diese krankhafte Angst nicht, dass man sich jedesmal fragt, ob jeder Pups schlecht ist für Die Märkte. Die Märkte werden ihren Weg gehen, den die gehen müssen (egal ob nach oben oder unten).

    12:22 Uhr, 27.05.2019
  • Charlie
    Charlie

    Ich wäre dafür, dass es wie in Amerika zwei Fraktionen im EU-Parlament gibt. Da ist die Chance auf ordenliche Gesetze eher gegeben. Bzw. Dann dauert auch eine Entscheidung unter Umständen nicht so lange. Bzw. Bei dem wust an Parteien jetzt im EU-Parlament, wenn jeder eine andere Meinung vertritt, stehen die nur auf einer Stelle und es wird nix.

    11:57 Uhr, 27.05.2019
  • Frankey
    Frankey

    Tja, eigentlich ist es traurig zu sehen, dass es so ein relativ kleiner Kontinent wie Europa nicht schafft, sich politisch und wirtschaftlich mit einer Stimme klar gegenüber den anderen global Player (hauptsächlich USA, Russland, China) zu positionieren bzw. etablieren.

    Klar, ein Kontinent mit so viel verschiedenen Ländern, Sprachen, Kulturen und wirtschaftlichen Gegebenheiten ist eben nicht einfach unter einen Hut zu bekommen.

    Ich befürchte, das Projekt EU wird es schwer haben, denn Uneinigkeit schwächt... und die europ. Unternehmen werden darunter leiden...

    Wie heißt es so schön: immer diversifizieren (Aktienanteile weltweit streuen) gelle?

    11:15 Uhr, 27.05.2019
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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