Kommentar
16:37 Uhr, 13.01.2009

Warum ist Brentöl soviel teurer als US-Leichtöl WTI?

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München (Boerse-Go.de) - Erdöl ist nicht gleich Erdöl. Das weiß jeder Anleger, der einmal ein Zertifikat oder einen Optionsschein auf den Rohstoff gesucht hat. Weltweit gibt es hunderte Ölsorten – die weitaus wichtigsten sind das in New York gehandelte WTI (West Texas Intermediate) sowie das sprichwörtliche Nordsee- oder Brentöl.

Weltweit gilt der Preis für WTI als Referenz für die Preisfestsetzung und in den letzten Jahren tendierten Brentöl und WTI-Öl preislich auf etwa gleicher Höhe. Das hat sich geändert. Heute kostet WTI für Lieferungen im Februar 4 US-Dollar/Barrel weniger als Brentöl für Lieferungen zum gleichen Zeitpunkt. Während dieser Wert keinen Rekord darstellt (dieser wurde im Jahr 2007 bei 7 US-Dollar/Barrel erreicht), ist es trotzdem ungewöhnlich.

Der Ölmarkt zeigt, wie schon so oft in den letzten Jahrzehnten, sein ausgeprägtes und zugleich schwer vorhersehbares Eigenleben. WTI kostet normalerweise mehr als Brent, da es über größere Strecken vom Nahen Osten oder Afrika in die USA transportiert werden muss. Das Nordseeöl ist geographisch weit näher zur Hauptabnehmerregion Europa. Die Qualität beider Sorten unterscheidet sich kaum. Und dennoch ist WTI nun deutlich günstiger als Brent.

Eine Erklärung hierfür sind die hohen US-Öllagerbestände in Cushing, Oklahoma. In der Region stehen die meisten Ölraffinerien der Staaten, die sich wegen der Konjunkturschwäche einer fallenden Nachfrage nach Mineralölprodukten gegenübersehen. Erst in der letzten Woche wuchsen die kommerziellen Lagerbestände der US-Ölkonzerne um 6,7 Millionen Barrels an. Neben der Nachfrageschwäche ist auch die Contango-Struktur des Ölterminmarktes verantwortlich für diese hohe Steigerung, die fast fünfmal so hoch ausfiel, wie zuvor erwartet. Contango beschreibt eine steigende Terminkurve: Für sofortige Öllieferungen muss weit weniger gezahlt werden, als für Lieferungen, die in der Zukunft liegen. Die Preise für Erdöllieferungen in fünf Jahren sind rund 100 Prozent über den aktuell gehandelten Kassapreisen. Daher lohnt es sich, Erdöl heute günstig zu kaufen und es in die Läger zu überführen, um es in der Zukunft zu höheren erwarteten Preisen zu verkaufen. Da genügend WTI auf diesem Weg dem Markt zugeführt ohne das es verbraucht wird, sinkt der WTI-Preis gegenüber den Brentpreis.

Cushing nähert sich seiner maximalen Lagerkapazität. Nach Schätzungen der Ölexperten von Platts hat Cushing nur noch Restkapazitäten für rund 2 Millionen Barrels. Da Öl in den Lagerhallen in Cushing gehortet wird, verliert der WTI-Preis relativ zu anderen Ölsorten weiter an Boden und entfernt sich zusehends von den realen, am Markt vorherrschenden Verhältnissen. Somit ist der Brentölpreis bis zur Normalisierung der WTI-Vorräte als Referenz für den Weltölpreis zu bevorzugen.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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