Warum die globalen Aktienmärkte schwächeln
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2010 und 2011 erreichten die Aktienkurse Ende April weltweit ihren Höchststand und sanken dann um 16% bzw. 24%. Im laufenden Jahr bestehen allerdings deutliche Unterschiede zu den Vorjahren. Wir bleiben daher bei unserem Aktienoptimismus.
Die Erfahrung lehrt, dass der Übergang von einem liquiditätsgetriebenen Markt zu einem Markt, der sich stärker an den Rahmendaten orientiert, selten reibungslos verläuft. Hinzu kommt, dass die Aktienmärkte bereits 2010 und 2011 eine ähnliche Korrektur erlebten (siehe Grafik). In beiden Jahren erreichten die Aktienkurse weltweit Ende April ihren Höchststand und sanken dann um 16% bzw. 24%. Da sich auch die Krise in der Eurozone verschärft hat, fragen sich die Investoren, ob die Nervosität an den Märkten abermals der Auftakt zu einer tief greifenden Korrektur ist.
Trotz mancher Parallelen (überraschend schwache Daten, anhaltende Sorgen um die EWU) bestehen deutliche Unterschiede zu den Vorjahren:
• Keine massiven äußeren Erschütterungen
• Stärkere US-Wirtschaft
• Positive Gewinndynamik
• Niedrigere Bewertungen, vor allem in Europa
• Stärkere Unternehmensbilanzen
Und natürlich gibt es auch Gemeinsamkeiten
Politisch ist Europa weiterhin in Aufruhr. Der Machtwechsel in Frankreich könnte Deutschland isolieren. Doch das muss nicht unbedingt schlecht sein. Die Erfahrungen in Griechenland, Portugal und wohl auch Spanien zeigen, dass zu viel Sparen wachstumsfeindlich ist, soziale Unruhen auslöst und eine Abwärtsspirale in Gang setzen könnte. Insofern begrüßen wir einen politischen Wechsel, der mehr Ausgewogenheit verspricht. Wachstumsfördernde Reformen und Maßnahmen mögen eher zur Bewältigung der Schuldenkrise geeignet sein.
Keine massiven äußeren Erschütterungen
2011 belasteten das Erdbeben in Japan und die Überschwemmungen in Thailand durch die Unterbrechungen der Lieferkette das Weltwirtschaftswachstum erheblich. Hinzu kam der steile Anstieg der Ölpreise um 35 % zwischen Januar und April 2011 infolge der Unruhen im Nahen Osten. Derartige äußere Erschütterungen gibt es zurzeit nicht.
Stärkere US-Wirtschaft
Die US-Wirtschaft ist stabil und widerstandsfähig. Der Arbeitsmarkt entspannt sich, die Kreditvergabe der Banken hat ins Positive gedreht, private und öffentliche Verschuldung sind gesunken und eine Erholung des Immobilienmarktes ist absehbar.
Positive Gewinndynamik
2010 und 2011 war die Gewinndynamik weltweit rückläufig. Jetzt zieht sie wieder an und dieser Trend könnte anhalten. Die Berichtssaison verläuft erfreulich: Von über 300 US-Unternehmen haben 70% ihre Gewinnprognosen deutlich übertroffen. Mit durchschnittlichen Gewinnsteigerungen von 5,3% verdoppelte sich die zu Saisonbeginn prognostizierte Zuwachsrate nahezu. Auch die Umsätze übertrafen in 72% der Fälle die Erwartungen. Entsprechend revidieren die Analysten ihre Gewinnprognosen für 2012 nach oben.
Die Gewinnsituation in Europa ist uneinheitlicher. Nur knapp über die Hälfte der Gewinnzahlen übertrafen die Prognosen. Hinzu kommt der Druck auf Gewinnspannen, eine Entwicklung, die angesichts des schwächeren Umfelds zu erwarten war.
Niedrigere Bewertungen
Auch die Bewertungen deuten darauf hin, dass 2012 anders verläuft. Im April 2010 lagen die „trailing“ KGVs bei globalen Aktien bei 17,8. Im letzten Jahr betrugen sie bereits 14,9; die aktuellen KGVs liegen mit 13,9 um über eine Standardabweichung unter dem 40-Jahres-Durchschnitt. Das bietet einen zusätzlichen Puffer gegen konjunkturelle Unbilden.
Quelle: Datastream, INGIM (Mai 2012)
Niedrigere Bewertungen, vor allem in Europa
In Europa, wo die Risikoprämien auf Aktien derzeit bei 6,8% liegen, ist der Unterschied noch ausgeprägter. Als der Markt im September 2011 die Talsohle erreichte, betrug dieser Aufschlag 7,1%. Eigentlich sollte man meinen, dass der Rückgang an systemischen Risiken auch einen deutlicheren Rückgang der Risikoprämie rechtfertigt. Zudem ist die Differenz gegenüber den Risikoaufschlägen von 5,4% auf US-Aktien völlig überzogen. Auch wenn die Bewertungen kein guter Anhaltspunkt für die kurzfristige Marktentwicklung sind, so besitzen sie auf längere Sicht doch eine bessere Prognosekraft. Insofern mag es sich für langfristig orientierte Anleger lohnen, ihr Aktienengagement auszubauen – sofern sie mit kurzfristiger Volatilität leben können.
Noch stärkere Unternehmensbilanzen
Grundsätzlich sind die Unternehmen in hervorragender Verfassung und hochliquide. Das Verhältnis von Nettoverschuldung zu Bruttobetriebsergebnis ist auf 2,2 gesunken. Vor der Lehman-Krise lag es noch bei 5,1. Die 1.500 amerikanischen Top-Börsen-Unternehmen außerhalb des Finanzsektors halten liquide Mittel in Höhe von insgesamt 1,5 Bio. USD in ihren Bilanzen (die Hälfte davon aus steuerlichen Gründen im Ausland). Diese starken Unternehmensbilanzen könnten zu einer weiteren „De-Equitisation“ führen. Das heißt: Durch Rückkauf der eigenen Aktien reduzieren die Unternehmen den Bestand ihrer Aktien auf den Märkten. Folge: höhere Gewinne pro Aktie, höhere Eigenkapitalrendite und ein möglicherweise höheres Kurs-Buchwert-Verhältnis. Wir erwarten daher, dass die Unternehmen ihre Zahlungen an die Aktionäre durch Dividenden und Aktienrückkäufe sukzessive erhöhen werden.
Kurzfristige Positivfaktoren für Aktien
Viele Strategen sind mittlerweile optimistischer, was risikoreiche Werte und zyklische Sektoren betrifft. Doch die Real Money-Investoren sind dem bisher nicht gefolgt oder nur sehr zögerlich. Noch ist viel Geld wenig lukrativ „geparkt“. Privatanleger sind weit weniger optimistisch als noch vor ein paar Monaten, was oft als gegenläufiger Indikator zu deuten ist. Zudem hatten zahlreiche Schwellenländer 2011 die Zinszügel gestrafft, als vor dem Hintergrund steigender Energie- und Lebensmittelpreise erneut Inflationssorgen aufkamen. Anders in diesem Jahr: Die Schwellenländer lockern nun überwiegend ihre Zinspolitik, um dem rückläufigen Wirtschaftswachstum gegenzusteuern.
Quelle: ING Investment Management
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