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10:23 Uhr, 09.07.2013

Warum China keine Kreditklemme droht

Kronberg im Taunus (BoerseGo.de) - In den letzten Wochen und Tagen sind die Zinsen am Interbankenmarkt in China nach oben geschnellt. Gerüchte über Liquiditätsprobleme einer kleineren chinesischen Bank und der Beginn einer Kreditklemme im Reich der Mitte hatten den Zinsanstieg für Ausleihungen unter den Banken ausgelöst.„Dass die Interbankenzinsen schwanken, ist an sich nichts Ungewöhnliches. In den letzten Jahren gab es immer wieder Phasen mit kurzzeitigen Ausschlägen nach oben“, schreibt Martha Wang, Fondsmanagerin des Fidelity China Focus Fund, in einem aktuellen Marktkommentar.

Diesmal aber werde die angespannte Liquidität zusätzlich verschärft. So sei im ersten Quartal dieses Jahres ein wahrer Geldstrom nach China geflossen, ausgelöst durch Spekulationen über eine Aufwertung des chinesischen Yuan und Zinsunterschiede. Dieser Trend habe sich im zweiten Quartal umgekehrt, als die chinesische Marktaufsicht auf den Plan trat und den Geldzufluss drosselte. Dabei sei sie so erfolgreich gewesen, dass die Yuan-Liquidität darunter gelitten habe. Immer noch sei die Bankenaufsicht von einem jüngeren Skandal im Anleihehandel geschüttelt. Dieser habe die Anleiheemissionen gebremst und damit eine kurzfristige Finanzierungsklemme hervorgerufen. Im März habe die chinesische Zentralbank People's Bank of China (PBOC) ihre Bestimmungen für Vermögensverwaltungsprodukte verschärft und damit eine Refinanzierungsquelle der Banken beschnitten. Darüber hinaus habe die PBOC im ersten Quartal angedeutet, dass die Geldpolitik im Vergleich eher locker sei und deshalb im zweiten Quartal gestrafft werden müsse, heißt es weiter.

„Meines Erachtens wäre die PBOC jederzeit in der Lage, den Interbankenzins zu drücken. Noch aber lässt sie die Banken zappeln. Viele Kredithäuser haben in den letzten Jahren mit nicht regulierten Vermögensverwaltungsprodukten Unsummen verdient. Indem die chinesische Zentralbank nun zulässt, dass der Zins für Ausleihungen unter Banken steigt, schmälert sie deren Kreditmargen - worunter vor allem kleinere Institute leiden. Offenbar hegt die PBOC die Hoffnung, dass Banken nun mehr Verantwortung bei der Steuerung ihrer Aktiva und Passiva zeigen, statt die Liquidität bis zum Äußersten auszureizen, um noch mehr Gewinn zu machen“, so Wang.

Die aktuelle Entwicklung sei also kein „Lehman-Moment" für China, der den Beginn einer Kreditklemme markiere. Die Gefahr einer richtigen Liquiditätsklemme im Finanzsystem ist nach Einschätzung von Wang gering und die chinesische Zentralbank verfüge über ausreichend Munition und finanzielle Reserven, um das Problem zu lösen. Vertreter der PBOC betonten immer wieder, dass die Kräfte, die die Interbankenzinsen nach oben getrieben hätten, kontrollierbar seien und man die angespannte Liquidität auflösen und die Stabilität des Marktes aufrechterhalten werde. Ganz offensichtlich unterziehe die PBOC derzeit ihre Banken einem Stresstest: Die Währungshüter ließen jetzt kurzzeitig Schmerzen zu, um die langfristigen Aussichten für Chinas Finanzsystem zu verbessern, heißt es.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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