Kommentar
09:40 Uhr, 03.03.2020

Wann reagieren die Notenbanken endlich auf die Krise?

Die EZB hält eine geldpolitische Reaktion für unnötig und in den USA überlegt man noch. Wieso reagieren Notenbanken gerade jetzt nicht, wo sie doch sonst schnell intervenieren?

Wie sehr Anleger derzeit beunruhigt sind, zeigt die Flucht in US-Staatsanleihen. Hier wurde am Freitag ein neues Allzeittief bei langjährigen Anleihen erreicht. Die Rendite für 10-jährige Papiere sank auf 1,16 % und für 30-jährige auf 1,65 %. Das sind neue Rekorde, nicht nur seit der Finanzkrise, sondern auch im sehr viel längeren Zeitfenster (Grafik 1).

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Während und nach dem Zweiten Weltkrieg hielt die US-Notenbank die Zinsen tief. Sie griff so stark in den Markt ein, dass die Renditen für ein Jahrzehnt praktisch bei 2 % eingefroren waren. 2 % klingt aus heutiger Perspektive geradezu exzessiv. Heute liegt die Rendite praktisch bei der Hälfte.

Der freie Fall der Renditen zeigt, was Anleger erwarten. Sie erwarten Zinssenkungen, vor allem von der Fed. In der Eurozone gibt es kaum noch Spielraum. Ein neues Anleihekaufprogramm läuft bereits und der Einlagensatz ist so tief, dass er fast schon schadet. Die EZB kann nicht handeln, die Fed hingegen schon. Anleger erwarten das auch von ihr.

Für den Märzentscheid werden inzwischen zwei Zinsschritte erwartet (Grafik 2). Noch vor einem Monat war davon keine Rede. Bis Jahresende wird der Zins sogar nur noch bei etwas über 0,5 % gesehen. Die Notenbank müsste die Zinsen also um einen Prozentpunkt oder vier Zinsschritte senken.

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Notenbanker halten sich allerdings bedeckt. Von einer außerplanmäßigen Zinssenkung ist überhaupt keine Rede. Man lässt sich Zeit. Dafür gibt es sogar gute Gründe. Zum jetzigen Zeitpunkt ist unklar, ob es überhaupt eine Zinssenkung braucht. Das Problem ist ja nicht, dass die Wirtschaft stockt, weil die Nachfrage nicht da wäre. Stattdessen handelt es sich um ein Angebotsproblem.

Unternehmen sind auf Produkte aus China angewiesen. Können diese nicht geliefert werden, können auch keine Produkte verkauft werden, selbst wenn es Abnehmer gibt. Abnehmer gibt es, nur fehlen eben die Produkte. Da helfen Zinssenkungen wenig. Zinssenkungen können die Nachfrage ankurbeln, nicht aber das Angebot.

Daher halten sich Notenbanken auch derzeit noch zurück. Wenn man als Werkzeug nur einen Hammer hat, es aber keine Nägel gibt, ist das Werkzeug nutzlos. Genauso ist es bei der Geldpolitik. Das Instrument steht zur Verfügung, nur ist es recht wirkungslos.

Das einzige, was entschlossene Zinssenkungen bewirken, ist eine Entspannung an der Börse. Auch das hat einen Wert. Je länger die Panik anhält, desto mehr färbt sie auf die Realwirtschaft ab. In den USA ist das Verbrauchervertrauen mit dem Börsengeschehen stark korreliert. Ein Crash kann dazu führen, dass der Konsum einen Dämpfer erhält.

Je unsicherer die Lage ist, desto mehr halten sich auch Banken bei der Kreditvergabe zurück. Kann ein Unternehmen nichts verkaufen, weil die Produkte fehlen, ist die Insolvenz nur eine Frage der Zeit. Kredit wird knapp. Eine entschlossen handelnde Notenbank löst die Ursache nicht (mangelnde Produkte), kann aber dafür sorgen, dass Kredit zur Überbrückung leichter zugänglich ist. Insofern würde eine Zinssenkung durchaus etwas bewirken. Es bleibt daher etwas schleierhaft, weshalb die Notenbanken überhaupt nicht reagieren.

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5 Kommentare

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  • Joey-the-bee
    Joey-the-bee

    Ganz scheine ich den Artikel wohl nicht verstanden zu haben.... Wieso ist es schleierhaft, der Markt geht ein paar Prozent zurück und die Notenbanken sollen ihn hochkaufen??? Wo steht geschrieben, dass der Markt nicht auch einmal zu normalen Bewertungen zurückkehren darf? Meines Erachtens nach sieht die Notenbank deswegen zu, weil die Situation günstig ist massive Überbewertungen abzubauen!!!

    Sie sagten doch bereits die Nachfrage ist da und die Angebotsknappheit an Ressourcen wird sich auf die Preise bzw. mittelfristig auf die Inflation durchschlagen...

    10:37 Uhr, 03.03.2020
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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